RTL-HintergrundgesprächDiskussion über Personalmangel in der Medizin, Besuchsregeln und Patientenversorgung

RTL-Hintergrundgespräch / Diskussion über Personalmangel in der Medizin, Besuchsregeln und Patientenversorgung
Das Gesundheitspersonal muss seit der Corona-Krise deutlich mehr Dokumentation der täglichen Arbeit betreiben  Symbolfoto: Editpress/Tania Feller

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Gesundheitsministerin Paulette Lenert, der Direktor des Krankenhausverbandes, Paul Junck, und der Präsident der Ärztekammer, Alain Schmit, haben am Samstagabend beim RTL-Hintergrundgespräch über die verschiedenen Auswirkungen der Corona-Krise auf den Gesundheitssektor diskutiert. 

Es sei nicht direkt eine Überraschung, dass die Zahlen in den vergangenen Tagen in die Höhe geschnellt sind, erklärt Gesundheitsministerin Paulette Lenert im RTL-Hintergrundgespräch vom Samstagabend. Es sei allerdings auch nie genau vorauszusehen, wie die Infektionszahlen sich von einem Tag auf den anderen verändern, sagt die Ministerin. Es gebe natürlich Prognosen, doch man müsse generell immer damit rechnen, dass die Zahlen sich kurzfristig anders entwickeln als erwartet.

Das Thema der Gesprächsrunde beim Sender RTL war hauptsächlich der Umgang mit der Corona-Krise im Gesundheitssektor. Neben Gesundheitsministerin Paulette Lenert waren der Direktor des Krankenhausverbandes, Paul Junck, und der Präsident der Ärztekammer, Alain Schmit, als Gäste anwesend. Eine große Rolle spielte am Samstagabend der Personalmangel im Gesundheitssektor.

Junck nutzt die Gelegenheit zunächst, um dem medizinischen Personal in Luxemburg für die Arbeit während der Pandemie zu danken. Danach erklärt er, dass ein großer Kniff bei der erhöhten Auslastung durch Covid-19-Patienten noch hinzukommt, dass ein Covid-19-Patient mehr Betreuung brauche als andere Krankenhauspatienten. Im Durchschnitt ergebe sich dadurch ein Betreuungsschlüssel von 1 zu 1,3 bei einem „normalen“ Krankenhauspatienten und 1 zu 1,5 bei einem Covid-19-Patienten.

Mehr Arbeit durch administrative Aufgaben

Schmit ergänzt, man müsse bedenken, dass das Gesundheitspersonal seit der Corona-Krise deutlich mehr Dokumentation der täglichen Arbeit betreiben und administrative Aufgaben übernehmen müsse als vorher. Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, müsse man laut Schmit unter anderem dort „den Bleistift ansetzen“. Zudem sei Luxemburg ohnehin generell „mit nicht so vielen Ärzten unterwegs“.

Generell seien die Krankenhäuser und deren Personal dauerhaft darauf angewiesen, dass die Menschen in Luxemburg sich an die geltenden Corona-Regeln der Regierung halten, dabei waren sich alle drei Gesprächspartner einig. Lenert sagt, die Maßnahmen hätten im Sommer so gut gegriffen, dass einige Menschen sich mittlerweile nicht mehr der Lage bewusst seien. „Aus den Augen, aus dem Sinn“, nennt sie diese Reaktion mancher Luxemburger. Junck ergänzt, dass sich jeder jetzt fragen müsse, ob das, was er gerade vorhabe, wirklich sein müsse – um sich und auch andere Menschen zu schützen.

Schmit sagt, nach der ersten Welle seien zudem Patienten in den Krankenhäusern gewesen, die sich während der Ausgangsbeschränkungen nicht getraut hätten, ins Krankenhaus oder in die Notaufnahme zu kommen. „Wir wollen nicht noch mal eine Vollbremsung“, sagt Junck. „Wir wollen so lange wie möglich die Schiene ‚Covid‘ und ‚nicht Covid‘ getrennt in den Krankenhäusern fahren.“ Es gebe auch weiterhin viele Nicht-Corona-Patienten, die wegen Corona nicht weniger krank seien und behandelt wollen werden.

Besuche in Seniorenheimen eigenverantwortlich reduzieren

Ein weiteres Mittel im Umgang mit der Pandemie war im Gesundheitssektor das Hinzuziehen von Arbeitskräften aus Luxemburgs Nachbarländern. Schmit hält dies auf Dauer für keine gute Lösung, auch wenn man in Luxemburg das Bedürfnis verspüre, Fachkräfte aus dem Ausland zu brauchen. Derzeit sei man laut den drei Interviewpartnern in Gesprächen, wie man das Problem des Personalmangels am besten angehen könne, eines davon fand am Samstag statt.

Die Gesundheitsministerin appellierte in der Diskussionsrunde außerdem an die Menschen, die ihre Liebsten in Krankenhäusern oder auch Altenheimen besuchen wollen – die Besuche bei Risikogruppen und älteren Menschen sollten bereits jetzt reduziert werden. Die Altenheime bekämen zu den Besuchsregeln immer nur Empfehlungen, jede Einrichtung müsse das aber im Detail selbst festlegen. Daher solle man als Besucher auch selbst vorher über die Notwendigkeit des Besuchs nachdenken. Es solle zudem wieder vermehrt in Altersheimen getestet werden, sowohl beim Personal als auch bei den Bewohnern – um schnell Cluster erkennen zu können.

Die Zahl der älteren erkrankten Menschen sei laut Lenert lange stabil gewesen und es seien eher jüngere erkrankt – derzeit seien allerdings zum Beispiel wieder drei Altenheime im Großherzogtum stark von Corona betroffen, dort gebe es zweistellige Fallzahlen. Dass wieder mehr ältere Menschen krank werden, sei ein „alarmierendes Zeichen“. Auch in Krankenhäusern könne eine reduzierte Besucherzahl verhindern, dass dort Personal aufgrund von eingeschleppten Corona-Infektionen ausfalle.

Kein Zentralisieren von Covid-19-Patienten geplant

Für die Krankenhäuser gibt es laut den drei Gesprächspartnern ein Stufensystem mit fünf Stufen – in den nächsten Tagen erreiche man vermutlich Stufe drei, derzeit sei man bei Stufe zwei. Das bedeutet laut Junck: Dinge wie Schönheitsoperationen oder Ähnliches werden wenn nötig auch mal hintangestellt. Alles Wichtige und für die Gesundheit Relevante sei für die Patienten weiterhin möglich. Zudem könne man – falls erfordert – innerhalb eines Tages die Corona-Zentren wieder öffnen, sagt Lenert.

Die Überlegung, ein zentrales Krankenhaus für Covid-19-Patienten zu schaffen, ist laut Lenert gerade nicht machbar – eine so umfassende Umstrukturierung der Krankenhäuser sei mitten in einer Krise schlicht nicht zu stemmen. Ein zentrales „Corona-Krankenhaus“ werde es also erst einmal nicht geben. „Die Nachteile davon wären größer als die Vorteile“, sagt Junck.