KommentarDie zahlreichen Dilemmata im Nahostkonflikt

Kommentar / Die zahlreichen Dilemmata im Nahostkonflikt
Kerzen an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin, zum Gedenken an die Opfer des Terrorangriffs der Hamas  Foto: dpa/Paul Zinken

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Einen „perversen Eiertanz“ der falschen Ausgewogenheit hat der niederländische Schriftsteller Leon de Winter den westlichen Medien bei ihrer Berichterstattung über das Blutbad vorgeworfen, das die islamistische Terrororganisation bei ihrem Überfall auf Israel angerichtet hat. Es sei weitgehend vermieden worden, die Angreifer als Mörder, Terroristen und Vergewaltiger zu bezeichnen. Leon de Winter weist darauf hin, dass die Hamas nicht nur die Juden Israels töten will, „sondern alle Juden der Welt“. Der Krieg gehöre zum Wesen der Hamas, heißt es in seinem Beitrag in der Neuen Züricher Zeitung.

Es ist nicht das einzige Dilemma im Zusammenhang mit dem Angriff auf Israel. In einem weiteren steckt die israelische Armee. Sie muss die bestialischen Terroristen bekämpfen, ohne selbst bestialisch zu werden. Außerdem dürfte es schwierig werden, die Geiseln aus den Klauen der Hamas zu befreien. Mit militärischer Gewalt sei dies unwahrscheinlich, meint der Militärsoziologe Yagil Levy von der Offenen Universität Israel. „Hamas wird die Geiseln für sich nutzen“, sagte er in einem taz-Interview.

Ein zusätzliches Problem stellt sich Israel: Soll die Armee nach den Bombardements in den Gazastreifen einmarschieren? Eine Bodenoffensive wäre für die Soldaten extrem gefährlich und könnte eine Falle sein. Außerdem droht dem Nahen Osten ein Flächenbrand. Zwar neigt die Regierung in Jerusalem zur Härte, aber trotz des Wunsches nach Rache für die erlittene Demütigung durch die Entführungen und die Massaker an Israelis, unter anderem bei dem Festival in der Negev-Wüste, wünschen sich viele Verhandlungen. So ruht die Hoffnung noch immer vor allem auf der Diplomatie.

Ein weiteres Dilemma ergibt sich aus den antiisraelischen und propalästinensischen Demonstrationen, die es nicht nur in arabischen Ländern, sondern auch in europäischen Städten gibt. Denn bei den propalästinensischen Protestkundgebungen kann es immer wieder zu antisemitischer Hetze und zu Gewaltaufrufen gegen Juden kommen. In Deutschland bestätigte das Innenministerium, dass ein Verbot der Betätigung für die Hamas erlassen werden soll. Warum ist dies nicht schon längst geschehen, da die EU die Hamas als Terrororganisation eingestuft und verboten hat? Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte an, auch die Gruppe Samidoun, die die Terrorangriffe bejubelte, zu verbieten. Am selben Tag empfing er Katars Emir Hamad Al Thani, einen der wichtigsten Unterstützer der Hamas. Ein weiteres Dilemma!