Covid-19Die Teststrategie der Regierung hat mehr Erfolg als ihre Kommunikationsstrategie

Covid-19 / Die Teststrategie der Regierung hat mehr Erfolg als ihre Kommunikationsstrategie
Am Donnerstag wird das Parlament über den neuen Covid-19-Gesetzesentwurf abstimmen. Die Oppositionsparteien forderten am Mittwoch geschlossen die Herausgabe aller Berechnungen zur Entwicklung der Corona-Pandemie von der Regierung. Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die parlamentarische Opposition forderte am Mittwoch geschlossen die Herausgabe sämtlicher Berechnungen zur weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie. Laut Premierminister Xavier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert sind neue Daten erst am Wochenende verfügbar. Sämtliche Minister wollen sich für die Aufhebung von Reisebeschränkungen in andere EU-Länder einsetzen. Die steigenden Infektionszahlen sind laut Regierung vor allem auf die umfangreiche und gut funktionierende Teststrategie zurückzuführen. Die Kommunikationsstrategie der Regierung lässt hingegen zu wünschen übrig. 

Am Mittwoch um 12.00 Uhr hatten die Oppositionsparteien eilig eine gemeinsame Pressekonferenz einberufen, in der sie die Regierung aufforderten, alle Simulationen und Daten über die Entwicklung der Corona-Pandemie in Luxemburg offenzulegen. Heute soll das neue Covid-19-Gesetz im Parlament diskutiert und angenommen werden. Wegen der steigenden Infektionszahlen und mangelnder Transparenz seitens der Regierung herrsche große Unsicherheit in der Bevölkerung, sagte CSV-Fraktionschefin Martine Hansen. Der Abgeordnete Marc Baum („déi Lénk“) bemängelte, dass die Zahlen immer nur häppchenweise geliefert würden, Sven Clement (Piraten) verlangte die Herausgabe der Infektionsszenarien, die von der Uni Luxemburg berechnet wurden. Gast Gibéryen (ADR) mutmaßte, die Regierung sei der Ansicht, der Ausnahmezustand sei noch immer in Kraft und vermutete, dass sie etwas zu verbergen habe.

Dieser Eindruck verstärkte sich noch auf dem anschließenden Pressebriefing von Premierminister Xavier Bettel (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP). Vor Beginn der Veranstaltung erklärte eine Pressesprecherin der Regierung, dass pro Medienorgan nur zwei Fragen erlaubt seien. Diese Praxis war während des Ausnahmezustands eingeführt worden, als die Pressekonferenzen aus Sicherheitsgründen über Videokonferenz abgehalten wurden, und scheint sich nun etabliert zu haben. Doch nicht einmal diese Abmachung wurde eingehalten. Als eine Journalistin von RTL Télé Lëtzebuerg nach Ablauf der ersten Stunde ihre beiden Fragen stellen wollte, wurde sie kurzerhand von der Medienberaterin des Premierministers abgewürgt und das Pressebriefing wurde für beendet erklärt. Im Vorfeld hatte die Journalistin von RTL Radio noch mit der Pressestelle der Regierung abgeklärt, dass sowohl RTL Télé als auch RTL Radio Anrecht auf jeweils zwei Fragen hätten.

Dabei bestand nach den Ausführungen des Premierministers und der Gesundheitsministerin noch genug Klärungsbedarf. Widersprüchliche Äußerungen über Infektionsherde machen seit Wochen die Runde. Anfang Juli behauptete Bettel, dass große Privatpartys an der erneuten Verbreitung des Virus schuld seien. Paulette Lenert wiederholte am Mittwoch ihre Aussage vom vergangenen Freitag, dass die Menschen sich vor allem bei kleinen familiären Festen und Geburtstagsfeiern ansteckten. Aber auch in Betrieben, Schulen, Altenheimen und in fünf großen Wohngemeinschaften, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, seien Ansteckungen beobachtet worden. Ermittelt werden sie über das analoge Tracing. Die Geschichten, die die Infizierten den Tracern am Telefon erzählen, könnten nicht statistisch erfasst und dargestellt werden, erklärte Paulette Lenert. Deshalb sei die Veröffentlichung schwierig.

Soziales Gefälle wahrscheinlich

Insgesamt seien die Statistiken in Luxemburg detaillierter als im Ausland, in vielen Ländern werde nicht einmal der Altersdurchschnitt der Infizierten veröffentlicht, der hierzulande aktuell bei 35 Jahren liegt, sagte Lenert. Soziale Unterschiede bei den Infizierten konnte die Ministerin nicht bestätigen. Genaue Zahlen, die diese Aussagen belegen, sind bislang nicht verfügbar. Statec-Direktor Serge Allegrezza hatte am 11. Juli in einem RTL-Interview gestanden, dass erste Untersuchungen über Ungleichheiten im Zusammenhang mit Corona frühestens im Oktober publiziert werden könnten. Nach der Pressekonferenz veröffentlichte die Regierung dann eine Karte mit der kantonalen Verteilung der Neuinfektionen für den Zeitraum vom 22. Juni bis 12. Juli. Diese zeigt, dass der Kanton Esch/Alzette mit 329 Infektionen bei rund 183.000 Einwohnern weitaus stärker betroffen ist als der bevölkerungsreichere Kanton Luxemburg (200 Infektionen bei 190.000 Einwohnern). Setzt man diese Zahlen mit dem 2017 vom Statec berechneten sozioökonomischen Index in Relation, lässt sich eine Tendenz ableiten, dass die Infektionszahlen durchaus dort am höchsten sein könnten, wo die Bevölkerung am ärmsten ist. Eine Aufschlüsselung nach Gemeinden wäre in dieser Hinsicht sicherlich noch aufschlussreicher. Eine solche sei von der Regierung jedoch nicht geplant, in anderen Ländern würden diese Details auch nicht preisgegeben, sagte Lenert am Mittwoch.

Zwischen dem 7. und 12. Juli wurden in Luxemburg insgesamt 402 Neuinfektionen registriert. In der Woche davor waren es noch 289. Die Zahlen seien alarmierend, aber nicht schockierend, sagte der Premierminister. Der Anstieg sei linear und nicht exponentiell. Auf eine sogenannte „zweite Welle“ wollten sich weder Bettel noch Lenert am Mittwoch festlegen. Trotzdem haben wegen der steigenden Infektionszahlen seit Mitte Juni mehrere europäische Länder Luxemburg als Risikogebiet eingestuft und Reisebeschränkungen auferlegt. Diese Ausgrenzung sorgt für viel Beunruhigung in der Bevölkerung.

Dunkelziffer im Ausland höher

Die „nackten Zahlen“ würden kein korrektes Bild der Lage in Luxemburg wiedergeben, betonte Bettel. In Luxemburg werde überdurchschnittlich viel getestet und Grenzgänger würden in die Statistik mit aufgenommen. Deshalb sollen Pendler künftig aus den offiziellen Zahlen, die Luxemburg an die zuständige europäische Behörde weiterleitet und auf die das deutsche Robert-Koch-Institut und die Gesundheitsbehörden anderer Staaten sich berufen, herausgenommen werden. Am „Large Scale Testing“ (LST) will die Regierung aber auf jeden Fall festhalten. Die Verfolgung der dadurch entdeckten Infizierten würde häufig noch weitere Fälle zutage bringen. Von insgesamt 282.000 Tests in Luxemburg wurden laut Lenert 66% im Rahmen des LST durchgeführt. Von den positiven Tests sind aber nur 15% auf das LST zurückzuführen, die restlichen 85% wurden bei normalen Tests etwa beim Hausarzt ermittelt. Diese vermeintliche Unverhältnismäßigkeit hänge auch damit zusammen, dass hierzulande selbst Personen mit nur leichten Symptomen getestet werden, legte Lenert dar. In Luxemburg wurde in dieser Woche der Krisenstab reorganisiert. Im Rahmen des „Large Scale Testing“ seien 40.000 Einladungen alleine an das Personal aus dem Pflegebereich verschickt worden, verkündete Paulette Lenert.

Die flächendeckende Strategie zur Unterbrechung der Infektionsketten sei mit dafür verantwortlich, dass die Zahlen in Luxemburg höher seien als im Ausland, wo es oftmals eine große Dunkelziffer gebe, erläuterte die Gesundheitsministerin. Hierzulande seien die unentdeckten Coronafälle wegen der umfangreichen Tests hingegen gering. Die präventive Teststrategie habe auch dazu beigetragen, dass die Todesrate im Großherzogtum im Vergleich zu anderen Staaten niedrig sei. Alle Regierungsmitglieder wollen nun mit ihren jeweiligen Kollegen im Ausland Kontakt aufnehmen, um ihnen die Situation in Luxemburg zu erklären. Der Premierminister will das Thema am Wochenende im Europäischen Rat zur Sprache bringen. Gleichzeitig warnte Bettel davor, dass nicht jeder, der nun zum Einkaufen nach Trier fahren möchte, sich beim Hausarzt testen lassen soll. Dies würde unnötig zu einer Überlastung der Arztpraxen führen. Gleiches gelte für die Notaufnahmen in den Krankenhäusern.

Sollten die Zahlen in den kommenden Tagen weiter steigen, will der Premierminister am Sonntag eine Sitzung des Regierungsrats einberufen, um bei Bedarf weitere Maßnahmen zu beschließen. Diese sollen dann per „Amendements“ in das neue Gesetz einfließen, erklärte Bettel am Mittwoch. Zurzeit verfüge die Regierung noch nicht über ausreichend Erkenntnisse, um die Entwicklung der Zahlen umfassend vorhersehen zu können, hieß es am Mittwoch. 

Im sozial schwächeren Kanton Esch ist die Zahl der Neuinfektionen mit einem prozentualen Anteil von 0,18 Prozent der Gesamtbevölkerung am höchsten. Eine Untersuchung über soziale Ungleichheiten im Zusammenhang mit Covid-19 will das Statec erst frühestens im Oktober veröffentlichen. 
Im sozial schwächeren Kanton Esch ist die Zahl der Neuinfektionen mit einem prozentualen Anteil von 0,18 Prozent der Gesamtbevölkerung am höchsten. Eine Untersuchung über soziale Ungleichheiten im Zusammenhang mit Covid-19 will das Statec erst frühestens im Oktober veröffentlichen.  Grafik: ministère de la Santé
jean-pierre goelff
16. Juli 2020 - 18.22

Haalt dach nemmen op mat déer Polemik,wann d'Leit e besschen meï nogelauschtert hätten,dann hätten deï allermeescht kapeïert dass den Corona nach laang nit doud ass an dass deï Maskengeschicht bis mindestens Neijoschdaag wärt unhaalen!Neen, et mus gefeiert gin!!Een Trouscht,hei am Frankreich ass et keen Deit besser.....vereenigt Europa op enger schlechter Art an Weis!

Mennert
15. Juli 2020 - 23.04

Eine fadenscheinige Argumentation das LUX eine Ausnahme sei, die meisten Ansteckungen sind im privaten Kreis passiert. Aber LTS hat nur (12% bis) 15% der Fälle aufgedeckt. Die Grenzgänger werden es auch nicht herausreissen. Ein gutes hat das ganze, es wurde mal eine Karte mit den Fällen veröffentlicht.

Marc
15. Juli 2020 - 22.26

Die 3 auf dem Bild sollten dem Land zeigen ,dass sie einen Test gemacht haben ! Besonders Bausch der 2 Wochen in China weilte.

zyniker
15. Juli 2020 - 22.00

Dann wollen wir doch Mal sehn ob die Regierung die Daten heraus rückt. Ich an ihrer Stelle würde mich hüten denn dann wird die Diskussion stattfinden und es wird sich herausstellen ob die ganze Panikmache richtig war, Jetzt werden wir sehen ob wir ihnen trauen können oder nicht.