EditorialDie prekäre Lage von Flüchtlingen ist eine Schande

Editorial / Die prekäre Lage von Flüchtlingen ist eine Schande
 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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An Allerseelen gedenkt man der Toten, und man muss das nicht auf die verstorbenen Familienangehörigen beschränken: Laut dem „Global Peace Index 2023“ starben voriges Jahr so viele Menschen in bewaffneten Konflikten wie seit dem Völkermord 1994 in Ruanda nicht mehr. Begleitet werden Kriege seit jeher vom Leiden der Zivilbevölkerungen. Jüngstes Beispiel ist der Krieg in Israel, der den in der Ukraine von den Titelseiten verdrängte. Der Konflikt mit den meisten Toten 2022 wurde in unseren Breitengraden kaum wahrgenommen: Bis zum Waffenstillstand voriges Jahr sollen im äthiopischen Bürgerkrieg in nur zwei Jahren eine halbe Million Menschen umgekommen sein.

Nahost, Jemen, Sudan usw. – die Liste ist lang. „Das durch diese Konflikte verursachte Leid in Verbindung mit den Klimaschocks und den steigenden Nahrungsmittel- und Energiepreisen wird 2023 zu einem Jahr gewaltiger humanitärer Bedürfnisse machen“, prophezeite das Internationale Komitee vom Roten Kreuz vor einem Jahr. Dass die Menschen in den betroffenen Gebieten alles daransetzen, um ihrer Misere zu entkommen, dürfte auf der Hand liegen. Die Folge davon ist ein drastischer Anstieg der Flüchtlingszahlen. Um sich davon zu überzeugen, braucht man sich nicht mehr die ausländischen Nachrichten im Fernsehen anzuschauen.

Der Flüchtlingsrat wählte den Tag vor Allerheiligen, um auf die prekäre Situation von Flüchtlingen in Luxemburg aufmerksam zu machen. Seit etwa einer Woche wird alleinstehenden männlichen Asylbewerbern die Aufnahme in eine Flüchtlingsunterkunft verwehrt. Die Folge: Unter der Adolphe-Brücke in Luxemburg-Stadt stehen schon einige Zelte mit Obdachlosen. Dass es noch mehr werden, steht für die Vertreter des Flüchtlingsrats außer Zweifel.

Es ist klar, dass Luxemburg nicht die europäische Flüchtlingskrise lösen kann, allerdings warnen Flüchtlingsorganisationen schon seit einiger Zeit vor einer Zuspitzung der Lage im Land und fordern, dass auf nationaler Ebene sofort gehandelt wird.

Einerseits heißt es, Luxemburg sei überlastet, andererseits beklagte der für Immigrations- und Asylpolitik zuständige Minister Jean Asselborn, dass nur etwa ein Drittel der Gemeinden diesbezüglich ihren Beitrag leisten. Finden es die meisten Kommunen unter ihrer Würde, vor Hunger und Leid flüchtende Menschen aufzunehmen? Dabei wird nichts Unmögliches verlangt. Es ist klar, dass nicht jedes Dorf Hunderte von Betten bereitstellen kann, doch eine proportional gerechtere Lösung ist unumgänglich. Wenn, wie Asselborn sagt, die Solidarität unter den EU-Mitgliedstaaten in der Flüchtlingsfrage an einem Tiefpunkt angelangt ist, bedeutet das nicht, dass Luxemburg elementare Hilfe verweigern muss. Auch kleine Gemeinden müssen in die Pflicht genommen werden, und sei es mit nur einem Platz für einen Flüchtling.

Wir können nicht die Kriege in der Welt stoppen, den Opfern helfen aber schon. Für das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt sind Menschen, die unter einer Brücke schlafen müssen – egal, aus welchem Grund – schlicht eine Schande.

Phil
3. November 2023 - 14.55

Ist die erste imminente Bedrohung für Leib und Leben erst mal gebant, tritt die "wo geht es meinem Körper am besten" Denke in Kraft. Da sind die Flüchtlinge welche Luxemburg als Dach über dem Kopf auserkoren haben keine Ausnahme. Wäre Luxemburg nicht das "Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt" würden bestimmt keine Zelte unter der Brücke errichtet. Es besteht die latente Gefahr eines oder mehreren Flüchtlingscamps mit sämtlichen Nachteilen wie u.a. Konflikt und Gewaltpotential. Wer das nicht glauben mag, sollte mal Vorrorte von Metropolen auf der ganzen Welt besuchen.