Die mit den Eseln wandern: Ein Spaziergang oberhalb der Mosel

Die mit den Eseln wandern: Ein Spaziergang oberhalb der Mosel

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Wandermöglichkeiten gibt es in Luxemburg zur Genüge. Sogar wenn man sich nur aufs Müllerthal beschränkt, fällt die Wahl schwer. Neu in diesem Jahr ist jedoch, dass man mit zwei Eseln in den Weinbergen oberhalb der Mosel spazieren kann. Wie das genau aussieht, erfuhr Marie Schusterschitz an einem sonnigen Dienstagnachmittag.

Während es anderswo im Land angenehm kühl ist, brennt an der Mosel die Sonne auf das 200-Seelen-Dorf Ahn. Trotz der charakteristischen Hitze findet man am Gelände vom „Madame Aly Duhr“ Schatten. Das Weingut ist der Ausgangspunkt der Eselwanderung, die dieses Jahr erstmals vom ORT Region Mosel angeboten wird. Auch die beiden Stars der Show – Alberto und Emma – befinden sich noch in ihrem schattigen Gehege und scheinen sehr an ihrem Publikum interessiert. Die beiden Vierbeiner sind seit 2014 auf dem Weingut zu Hause. „Alberto hat früher auf einem Hof im Westen gewohnt“, erklärt Max Duhr, einer der beiden Geschäftsführer.

Dieser wechselte aber den Besitzer – und der neue wollte den Esel nicht behalten. „Ich habe davon gehört und Alberto daraufhin adoptiert“, sagt der Winzer. Da Esel Gemeinschaftstiere sind, hat er im Anschluss Emma adoptiert und zu Alberto gebracht. Jetzt können nicht nur die Einwohner Ahns die Tiere bewundern, sondern auch Wanderlustige. Nachdem die Esel mit Halfter und Führleine angelegt sind, führen sie die Wandergruppe auf den Palmberg, hoch über das Dorf. Mit dabei sind auch Viviane Betti-Desquiotz und Elisabeth Leger, Gästeführerinnen der Region, sowie ausnahmsweise der Winzer Max Duhr und die ORT-Angestellte Iris Asgeirsson mit ihren zwei Söhnen.

Kinderfreundliche Wanderung

Die Wanderung wird vor allem als kinderfreundlich angepriesen – und es sind tatsächlich die Jüngsten der Gruppe, die sich mit Begeisterung um die Tiere kümmern. Sie betteln darum, Emma und Alberto zu führen, und fragen immer wieder, ob sie den Eseln Karotten geben dürfen. Wie Touristenführerin Elisabeth Leger aber betont, ist der doch etwas anstrengende Weg für Kinder unter 5 Jahren schwierig zu bewältigen, und die schmalen holprigen Passagen eignen sich nicht für Kinderwagen. Auch die Esel bleiben einige Minuten an der Straße bergauf stehen – aber nicht weil der Weg für sie zu schwer ist. „Eseln wird nachgesagt, sie wären stur, das stimmt jedoch nicht“, erzählt Leger zu Beginn der Wanderung. Sie seien aber extrem vorsichtig, eine Eigenschaft, die man auf ihre Heimat in Nordafrika zurückführen könne. „Die ursprünglichen Lebensräume in der Wüste und steinigen Gebirgen machten den Tieren bei Gefahr eine panische Flucht unmöglich“, sagt die Gruppenleiterin.

„Nicht scheuen, sondern schauen hieß ihre Überlebensdevise.“ Obwohl Alberto und Emma die Gruppe manchmal für einige Minuten anhalten, ist klar, dass sie sich wohlfühlen. Die jüngsten Mitglieder der Truppe muten ihren Liebling Alberto immer wieder an, der Tüte Karotten zu folgen, die sie vor ihm baumeln lassen – und er folgt ihnen. Laut Viviane Betti-Desquiotz sind Esel auch bei Menschen sehr vorsichtig: „Wenn der Esel dem Menschen aber erst mal vertraut, lässt er sich mit ein bisschen Geduld auch durch vermeintlich riskante Passagen führen.“ Deswegen müssen die beiden Führerinnen die Tiere immer wieder besuchen, um ein gutes Verhältnis zu ihnen aufzubauen – nur so können die Wanderungen reibungslos vonstattengehen.

Wein, Natur und manchmal Schlangen

Einmal den Hügel erklommen, ist die Belohnung eine Aussicht auf die zahlreichen Weinberge, die sich durch die Region erstrecken. Mitten unter seinen eigenen Reben erklärt Winzer Max Duhr einiges zum Weinbau: „Weil die luxemburgischen Weinbaugebiete ziemlich nahe an der nördlichen Rebanbaugrenze liegen, dauert der Reifeprozess länger als in südlicheren Anbaugebieten“, so der Winzer, dessen Familie seit 1872 hier Wein anbaut. „So können sich eine Reihe von Aromastoffen bilden, die bei einem schnelleren Wachstum nicht entstehen können.“ Er baut vor allem Riesling an, aber auch Crémant, Chardonnay und Pinot noir stehen bei „Domaine Madame Aly Duhr“ im Angebot.

Nach einem Spaziergang durch ein Waldstück, dessen Schatten eine willkommene Abkühlung bietet, geht es durch einige Felder, deren trockenes Gras das Wachstum von Orchideen erlaubt. Auch Eidechsen und Ringelnattern sind hier teilweise zu finden. Nach genauer Inspektion der Kinder – geholfen von Betti-Desquiotz – wird aber klar, dass der Gruppe heute ein Treffen mit einer Schlange erspart bleibt. Gegen Ende der Tour wird an einer Aussichtsstelle Pause gemacht. Die Esel werden angebunden und der Wein wird ausgepackt. Gekostet wird von den Erwachsenen der lokale Riesling und von den Kindern der Traubensaft. Es ist eine Möglichkeit, zu entspannen und den inneren Sommelier herauszulassen.

Die einzigartige Wanderung hat bis jetzt zwei Mal stattgefunden – beide Male waren die Teilnehmer begeistert. „Vor allem die Kinder lieben es, mit den Eseln spazieren zu gehen“, betont Leger. Wie die Idee überhaupt zustande gekommen ist, erklärt ihre Kollegin: „Wir mussten uns während der Ausbildung zur Touristenführerin eine eigene Veranstaltung ausdenken“, sagt Betti-Desquiotz. „Max Duhr ist dem ORT entgegengekommen, da er wollte, dass seine Esel mehr Bewegung bekommen“, erklärt sie. „Elisabeth und ich haben uns dann gemeinsam einen Plan ausgedacht und das ganze ins Leben gerufen.“