Die Links-rechts-Masche: Sozialdemokratin Mette Frederiksen wird Ministerpräsidentin

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Mit sozialem Links- und ausländerpolitischem Rechtsruck stahl sie den Rechtspopulisten viele Stimmen. Im Regierungspapier wirkt ihre Ausländerpolitik jedoch weicher.

Von unserem Korrespondenten André Anwar, Stockholm

Bislang lief alles am Schnürchen für die schillernde Vorsitzende der bereits zwei Jahrzehnte aufgrund von Stimmenverlusten an Rechtsaußen kriselnden Sozialdemokraten Dänemarks.
Mette Frederiksen (41) wird Ministerpräsidentin von Dänemark. Nach knapp drei Verhandlungswochen einigte sie sich mit den anderen Parteien des roten Blocks auf die Bildung einer rein sozialdemokratischen Minderheitsregierung. „Wir konnten nicht wissen, ob das gelingen wird. Das sind vier Parteien mit sehr unterschiedlichen Geschichten und Haltungen. Jetzt sind wir am Ziel“, sagte sie.

Rechte Ausländerpolitik

Ihre Regierung will Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 70 Prozent senken. Zudem sollen die soziale Ungleichheit durch nachfrageorientierte Politik kräftig verringert sowie Ausbildung und Integration gestärkt werden. Frederiksen kündigte vor der Wahl aber auch an, dass sie nicht immer mit der Hilfe der Linksparteien regieren werde, sondern mit den Rechtspopulisten ihre stramme Ausländerpolitik abgleichen könnte.
Zwar hat Frederiksen ihre Partei in der Sozialpolitik deutlich zurück nach links gerückt. Doch gleichzeitig hat sie ihre Sozialdemokraten in der Ausländerpolitik bewusst nach rechtsaußen gerückt.

So prangerte sie den Islam ständig als Integrationsbarriere an, stimmte dafür, dass Flüchtlingen Schmuck abgenommen wird und fordert Auffanglager in Afrika statt Recht auf Asylantrag in Dänemark. Ob die anderen drei Parteien im roten Block da mitmachen würden, war unklar. Doch ihnen scheint bewusst zu sein, dass nur der Kurswechsel in der Ausländerpolitik dem roten Block zum Wahlsieg verholfen hat.

Strukturelle Probleme

Bei den Wahlen waren die Sozialdemokraten zwar kaum verändert zur Vorwahl stärkste Kraft des Landes geworden, was in Dänemark aber keine Rolle spielt. Ausschlaggebend war vor allem, dass Frederiksens Arbeiterpartei gleichzeitig Stimmen von rechtsaußen hinzugewann und einwanderungsfreundlich geprägte Wähler an die anderen Linksparteien weitergab. Letztlich erhielt der rote Block so insgesamt eine klare Mehrheit gegenüber dem seit zwei Jahrzehnten fast immer siegenden bürgerlich-rechtspopulistischen Lager. Die fremdenfeindliche Dänische Volkspartei (DF) stürzte dadurch um 12,4 Prozentpunkte auf 8,7 Prozent ab.

Dänemarks Sozialdemokraten standen schon seit zwei Jahrzehnten vor dem strukturellen Problem, dass viele ihrer Stammwähler zu den Rechtspopulisten abwanderten und diese Arbeiterstimmen indirekt bürgerlichen Parteien zur Verfügung stellten, wenn diese eine harte Ausländerpolitik versprachen. Die bürgerlichen Parteien konnten mit dieser volkswirtschaftlich eher wenig bedeutenden Geste ungestört Steuern und den Wohlfahrtstaat abbauen, Privatisierungen vorantreiben und die traditionell sozialdemokratisch geprägte Wohlfahrtsnation in ein den USA oder Großbritannien ähnelndes Land mit immer größeren sozialen Unterschieden umbauen.

Werden die Versprechen gehalten?

Es ist zynisch und umstritten: Weil Frederiksen den Dänen ihre irrational große Angst vor Ausländern trotz Vollbeschäftigung und ausgezeichneten Wirtschaftsdaten und schon seit langem abgeschotteten Grenzen nicht nehmen konnte, passte sie ihre Partei diesen irrationalen Ängsten an.

Doch nun stellt sich die Frage, wie hart Frederiksen in der Ausländerpolitik wirklich sein wird. Bereits im Regierungspapier gibt es Abschwächungen. So soll die Situation für vor der Abschiebung stehende Kinderfamilien verbessert werden. Auch soll eine geplante Gefängnisinsel für kriminelle Ausländer, die abgeschoben werden sollen, nicht realisiert werde. Dänemark wird zudem wieder Quotenflüchtlinge aufnehmen. Flüchtlingsfamilien erhalten das Recht auf Kindergeld.

Die DF und die abgewählte bürgerliche Venstre-Partei polterten deshalb bereits am gestrigen Mittwoch. „Frederiksen hat ihr Versprechen gebrochen und es gibt keinen Zweifel daran, dass nun die Türen weit offen stehen, dass mehr Ausländer nach Dänemark kommen“, sagte die Ex-Vorsitzende der DF, Pia Kjaersgaard. Wenn man abzuschiebenden Familien mit Kindern die Lebensbedingungen erleichtere, bekämen die auch „mehr Lust dazu, zu bleiben“, befürchtet sie. Frederiksen weist die Kritik zurück. Die stramme Ausländerpolitik bleibe bestehen, dafür werde sie sorgen. Wohl auch, um in vier Jahren wiedergewählt zu werden.