Von einer Mautstation zum SchlemmertempelDie Geschichte des Restaurants Waldhaff

Von einer Mautstation zum Schlemmertempel / Die Geschichte des Restaurants Waldhaff
Das Café Waldhaff 1926, mit den damaligen Besitzern und ganz rechts einem Förster Foto: Geschichtsfrënn vun der Gemeng Nidderaanwen

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Vorige Woche wurde bekannt, dass die Gemeinde Niederanven das ehemalige Restaurant Waldhaff an der Echternacher Strecke vom Staat übernehmen wolle, um es als Gaststätte weiterzuführen. Am Ursprung des Hauses, das rund 180 Jahre alt ist, steht der längst abgeschaffte Wegzoll.

Seit 2018 steht das ehemalige Restaurant Waldhaff leer und ist in einem schlechten Zustand. Vorige Woche wurde die Gaststätte wieder zum Gesprächsthema, als die Niederanvener Gemeinde verlauten ließ, dort eventuell wieder ein Café-Restaurant zu eröffnen. Damit würde die Gemeinde an Jahrhunderte alte Tradition anschließen. Gebaut worden war das Haus jedoch zu einem ganz anderen Zweck.

Laut Ed Weber, Sekretär der „Nidderaanwener Geschichtsfrënn“, wurde das Haus um 1840 erbaut. Ein genaueres Datum konnte allerdings keiner der von uns befragten Historiker nennen. Offiziell sei es 1851 ein erstes Mal in einer Urkunde erwähnt worden, sagt Weber.

Die frühere Bezeichnung des Ortes lautete „Berrjer“, was Barriere bedeutete – dort wurde bis ins 19. Jahrhundert der Wegzoll entrichtet, der alle fünf Kilometer fällig war. Zu diesem Zweck befand sich dort eine solche Mautstelle, mit eben einer Schranke, „barrière“. Die Straßenmaut wurde zwar im Jahr 1806 durch die Franzosen abgeschafft, doch 1814 von den Preußen wieder eingeführt, schreibt der Historiker Albert Calmes in einem Zeitungsartikel. Dass der Schrankwärter nebenbei auch einen Gasthof betrieb, soll keine Seltenheit gewesen sein. Ab wann aber genau in der Mautstation ein Café betrieben wurde, ist nicht eindeutig bekannt.

1848 betrieb der Staat rund 115 Kilometer an Straßen und insgesamt 59 solcher Barrieren, auf der Strecke Luxemburg- Echternach insgesamt sechs: neben Waldhof noch in Gonderingen, Beidweiler, Altrier, Rodershof und Echternach. 1862 wurde die Wegemaut abgeschafft und durch eine Steuer auf Pferden und Ochsen ersetzt. Die Ochsensteuer wurde 1874 abgeschafft, die Pferdesteuer 1888.

Ein lockerer Prinz

Im Jahre 1919 sollen ein gewisser Misch Jungblut und seine Frau das bereits bestehende „bistrot campagnard“ übernommen haben. Unter ihrer Leitung und später unter der ihrer Tochter Maus erlangte das Gasthaus fast so etwas wie einen Kultstatus. Sogar Prinz Felix soll manchmal dort Halt gemacht haben. Dass er vom Besitzer mit „Här Prënz“ angeredet wurde, soll den Adligen nicht weiter gestört haben.

In einer Chronik im Lëtzebuerger Land bezeichnet der Autor mit dem Pseudonym Tournebroche das Café als „lieu de pélerinage gourmand“, die Küche sei „einfach, gesund und nahrhaft“, eine Küche „sans fioritures“ gewesen, wo „Hameschmieren“ und geröstete Kartoffeln selbstverständlich nicht fehlten. Vor allem die Omeletts des Hauses sollen damals sehr beliebt gewesen sein. Der Autor erzählt des Weiteren, wie sich dort einmal pro Woche eine Gesellschaft, die „Confrérie de la cafetière“, nach einem bestimmten Ritus traf. Zuerst gingen sie wandern, dann wurde gespeist. Wer in die Runde aufgenommen werden wollte, musste eine Probezeit absolvieren, die noch lange nicht jeder bestand, wie Tournebroche berichtet.

Im April 1971 wurde der Familienbetrieb vom Ehepaar Poeckes-Jungblut übernommen, das den Gasthof bis 1992 führte. Mittlerweile hatte der Staat das Haus gekauft; nach einer gründlichen Renovierung und einer öffentlichen Ausschreibung übernahm 1993 das Ehepaar Anita und Jean Lammar für 19 Jahre den Gasthof. Jean Lammar zufolge habe sich der damalige Premierminister Jacques Santer gegen den Abriss des Hauses eingesetzt.

Umstrittener Anbau

Der Nachfolger des Ehepaars Lammar, der bisher letzte Betreiber, Marc Hobscheit, hatte nicht viel Glück: Seine Entscheidung, eine Veranda und eine Pétanque-Bahn zu bauen, führte zu einem Rechtsstreit mit dem Umweltministerium, da sich das Grundstück, auf dem der Wintergarten gebaut wurde, in einer Natura-2000-Zone befand. 2018 wurde dem Betreiber vom Staat der Mietvertrag gekündigt.

Seitdem ist das Gebäude unbenutzt. Wie nicht anders zu erwarten, wirkte sich der Leerstand negativ auf den Zustand des Hauses aus. Wie im Februar vorigen Jahres vom zuständigen Finanzministerium auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage zu erfahren war, ließ die Behörde für öffentliche Gebäude das Dach reparieren und sicherte das Gelände durch Zäune ab; Türen und Fenster des Gebäudes wurden verschlossen. Um das Gebäude wieder nutzbar zu machen, ist laut Finanzministerium eine umfassende Renovierung erforderlich: Ohne die künftige Nutzung des Gebäudes zu berücksichtigen, sei die vollständige Erneuerung der technischen Anlagen unumgänglich, die Außenhülle des Gebäudes müsse überarbeitet werden, ebenso wie der Innenausbau. Da der Standort „Waldhaff“ im Natura-2000-Gebiet und einer Wasserschutzzone liegt, müsse außerdem eine neue Kläranlage errichtet werden, um die geforderten Vorschriften zu erfüllen. Die Dauer der einzuhaltenden Verwaltungsverfahren und der beschriebenen Arbeiten wird auf sechs Monate geschätzt.

Der Bürgermeister der Gemeinde Niederanven, Raymond Weydert (CSV), hatte vorige Woche in einem Interview auf RTL angekündigt, die Kommune wolle das Gebäude eventuell via einen Grundstücktausch vom Staat übernehmen. Die Gemeinde erhalte ein neues Polizeikommissariat, das für fünf Gemeinden zuständig sein wird. Der Staat baue das Gebäude auf einem Grundstück der Gemeinde. Anstelle eines „droit de superficie“ oder eines „droit emphytéotique“ wäre man bereit, das Grundstück für das Kommissariat mit dem auf „Waldhaff“ zu tauschen. Es seien nun eine Reihe Expertisen nötig, um den Wert der zu tauschenden Immobilien auszumachen. Die Gemeinde sei bereit, bis zu zwei Millionen Euro zu investieren, doch vorher wolle sie natürlich wissen, was am Gebäude überhaupt gemacht werden darf.

Quellen:

Au temps des barrières, Albert Calmes, Luxemburger Wort, 20.4.1950, S. 13

•  Chronique de Waldhaff, Tournebroche, Lëtzebuerger Land, 26.3.1971, S. 6

•  Adieu Madame Maus, Tournebroche, Lëtzebuerger Land, 16.4.1971, S. 5

• Andethana-Tour 2, Eine Wanderung durch den Grünewald im Westen der Gemeinde Niederanven, Gemeinde Niederanven, Syndicat d’initiative, Geschichtsfrënn vun der Gemeng Nidderaanwen, April 2009