MotorsportDer Traum lebt weiter: Gil Linster greift nach langer Corona-Pause wieder in der Nascar an

Motorsport / Der Traum lebt weiter: Gil Linster greift nach langer Corona-Pause wieder in der Nascar an
Rennfahrer Gil Linster aus Luxemburg versucht sich als erster Europäer in der amerikanischen Nascar zu etablieren Foto: Paul Wiedeler

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Rennfahrer Gil Linster ist nach mehr als einem Jahr Corona-Zwangspause wieder zurück auf den Rennstrecken der USA. Der Luxemburger versucht sich als erster Europäer in der amerikanischen Rennszene zu etablieren und als professioneller Nascar-Pilot durchzustarten.

Ein Traum, der vor etwas mehr als einem Jahr jäh ausgebremst wurde. Als Gil Linster gerade damit begonnen hatte, sich in den USA einen Namen zu machen, durfte er plötzlich nicht mehr nach Amerika einreisen: Das Coronavirus wirbelte die Pläne des Luxemburger Rennfahrers durcheinander. Linster war damals in der sogenannten vierten Nascar-Liga, der „Whelen All American Series“, unterwegs. Lediglich ein Schritt fehlte noch zur Professionalisierung, die in Liga drei beginnt. Anstatt sich auf der Rennstrecke beweisen zu können, herrschte aber auf einmal Stillstand in der Karriere des Luxemburgers. Mehr als ein Jahr lang musste er pausieren.

In den vergangenen Monaten arbeitete Linster hart und war zu jeder Zeit für ein mögliches Comeback bereit. Klappen sollte es aber lange nicht. „Ich habe zu Hause im Simulator trainiert, in diesem bin ich virtuell Rennen gegen meine realen Gegner gefahren. Dies ist aber sicherlich nicht das Gleiche wie in der Realität. Der Angstfaktor und das Risiko sind im Simulator nicht vorhanden, dies macht es einfacher“, erklärt Linster: „Ich habe aber immer wieder so trainiert, als ob ich tatsächlich gleich ein Rennen fahren würde. Ich wollte im Rhythmus bleiben.“ Fand in Amerika ein Rennen statt, an dem Linster hätte teilnehmen sollen, bereitete er sich gleichzeitig in Luxemburg so vor, als ob er tatsächlich dort starten würde: „Das Adrenalin, das bei einem Rennen aufkommt, blieb aber aus.“

Der „kleine Europäer“

Besonders auf mentaler Ebene war es aber durch die große Ungewissheit nicht immer einfach, fokussiert zu bleiben. „Es war sehr schwer, die Motivation hoch zu halten. Ich lebe für diesen Traum und mache alles dafür, aber meine Arbeit trug einfach keine Früchte. Die Moral hat deswegen schon gelitten“, blickt Linster auf die vergangenen Monate zurück.

Gil Linster fährt für das Team TGS Competition
Gil Linster fährt für das Team TGS Competition Foto: Paul Wiedeler

Genau diese Zeit könnte aber nun zum Vorteil des 27-Jährigen werden. Die Manager der großen, erfolgreichen Teams sind bei der „Carolina Pro Late Model Series“ – in der Linster nun startet – nämlich stets auf Talentsuche und sie kennen die Geschichte des Luxemburgers. Sie wissen, dass er während einem Jahr abwesend war und keine Rennerfahrung sammeln konnte. Mit guten Resultaten will er sie jetzt auf sich aufmerksam machen. Auch seine Herkunft sieht Linster als Vorteil. Für Sponsoren ist die Geschichte des „kleinen Europäers“ besonders schmackhaft.

Seit knapp zwei Monaten ist Linster nun zurück in den USA. Nach langem Hin und Her haben die Behörden ihm Anfang April die Einreiseerlaubnis erteilt: „Es ging darum, meinen Wert für das Team, die Partner in Europa und die Menschen, die hier arbeiten, zu beweisen.“ Das ganze Team „TGS Competition“ stand während mehr als einem Jahr nahezu still und konnte nicht fahren, „irgendwann haben die Behörden gemerkt, dass es nicht nur um den kleinen Europäer geht, der in Amerika Rennen fahren will. Es gibt ein ganzes Gerüst dahinter.“

Angst, dass das Team TGS Competition sich einen anderen Piloten suchen und ihn fallen lassen würde, hatte Linster in dem Jahr Abwesenheit aber nicht. Er stand in ständigem Kontakt mit seinem Rennstall: „Wir haben uns immer ausgetauscht. Da wir keine Rennen fahren konnten, gab es nahezu keine Ausgaben. Meine Sponsoren in Amerika haben die Unkosten des Teams getragen. Ein neuer Fahrer wäre im Auto fremd gewesen und hätte bei null anfangen müssen. Zudem ist es auch für das Team etwas Besonderes, einen Europäer im Cockpit zu haben, der Vollzeit in Amerika Nascar-Rennen fährt. Dies ist auch ein Argument, das viele Sponsoren an Land zieht“, erklärt Linster, der von Marketing-Experten in der amerikanischen Rennszene als der „European Underdog“, verkauft wird: „In der Late-Model-Industrie gibt es etwa 18 Divisionen mit jeweils um die 50 Piloten. Dies sind aber alles Amerikaner, mein Plus ist wirklich, dass ich aus Europa komme.“

Aufmerksamkeit erregen

Nach der Einreiseerlaubnis ging alles sehr schnell, innerhalb von ein paar Tagen flog der Luxemburger zurück nach Amerika. Und dort ging es erst mal darum, wieder alle Automatismen wiederzugewinnen: „Das Gefühl war sehr schnell wieder da. Ich habe aber gemerkt, dass sich die Meisterschaft um mich herum stark weiterentwickelt hat. Ich war plötzlich zwei bis drei Zehntel langsamer als die Ersten.“

Der Chevrolet SS des Luxemburgers bringt 450 PS auf die Strecke
Der Chevrolet SS des Luxemburgers bringt 450 PS auf die Strecke Foto: Paul Wiedeler

An einem Rennen hat Linster nach seiner Rückkehr bereits teilgenommen, in South Carolina kam er am 8. Mai in der „Carolina Pro Late Model Series“ auf dem Florence Motor Speedway als 13. ins Ziel. „Das Programm ist ziemlich schwer. Da ich die ersten sechs Rennen der Meisterschaft verpasst habe, hatten wir noch keine Daten für das Auto gesammelt, auch viel testen dürfen wir im Moment nicht. Dies würde als Wettbewerbsvorteil angesehen“, erklärt Linster: „Wir wissen zum Beispiel noch nicht genau, wie sich die Reifenabnutzung auf die Rundenzeiten auswirkt, welche Setup-Einstellungen wir benutzen müssen oder wie sehr die Bremsen abnutzen. Diese Daten kann man nur durch Rennerfahrung oder Tests gewinnen. Deswegen sind die anderen Teams im Vorteil.“ Da Linster die ersten sechs Rennen der Carolina-Pro-Late-Model-Serie verpasste, spielt auch die Gesamtwertung keine Rolle für den 27-Jährigen: „Für mich ist es jetzt wichtig, zu zeigen, dass ich auch ohne Rennerfahrung und Testzeit schnell bin und mithalten kann. Damit kann ich nämlich auch die großen Teams auf mich aufmerksam machen.“ In dieser Serie will Linster mit guten Platzierungen die Aufmerksamkeit der Top-fünf-Teams auf sich ziehen, denn diese Teams sind mit ihren Boliden auch in höher eingestuften Divisionen unterwegs. Wenn diese das Talent des Luxemburgers erkennen, ist die Chance groß, in eine der höher eingestuften Serien aufzusteigen. Gelegenheit, sein Können erneut unter Beweis zu stellen, bekommt der Luxemburger bereits an diesem Wochenende.

Am Samstag fährt Linster auf dem Hickory Motor Speedway in North Carolina sein zweites Rennen nach seinem Comeback. Dort peilt er die Top zehn an – die Möglichkeit, seinem Traum ein Stück näherzukommen. Linster träumt nämlich auch nach einem Jahr Corona-Zwangspause immer noch von einem Leben als professioneller Nascar-Pilot. Sein Ziel ist es, als erster Europäer die amerikanische Rennserie aufzumischen und sich langfristig dort zu etablieren.