30 Jahre Escher Jugendhaus Der lange Weg vom Abrisshaus zu einer Escher Institution 

30 Jahre Escher Jugendhaus  / Der lange Weg vom Abrisshaus zu einer Escher Institution 
Alles bereit für die große Geburtstagsfeier: Christelle, Danielle, Christophe, Marc, Christelle und Mike (v.l.) Foto: Editpress/Alain Rischard

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Am heutigen Samstag feiert das Escher Jugendhaus seinen 30. Geburtstag. Untergebracht im sogenannten „Mederhaus“ im Brillviertel, hat die Institution eine bemerkenswerte Entwicklung hinter sich.  

Es war vor allem dem unermüdlichen Einsatz der Lehrerin Nelly Moia zu verdanken, dass 1992 ein Jugendhaus in einem der schönsten Häuser der Stadt Esch eröffnete. 1907 hatte der Wein- und Lebensmittelhändler Olivo Mosé das Gebäude in der Xavier-Brasseur-Straße bauen lassen. Es war dem Hotel Montessuy in Paris nachempfunden und hob sich durch seine „Art Nouveau“-Elemente stark von den restlichen Häusern des Brillviertels ab. 1918 kaufte der Luxemburger Weinhändler Charles Meder das Haus und lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1973 dort. Woher dann auch der im Escher Volksmund verbreitete Name „Mederhaus“ herrührte. Ein Jahr später kaufte die Gemeinde das Haus, nachdem Nelly Moia genau das in einer Petition gefordert hatte. Obwohl es seitdem unter Denkmalschutz stand, wurde das leer stehende Gebäude komplett vernachlässigt. So waren eine Reihe Elemente im Inneren zerstört oder verschwunden, als sich „Site et Monuments“ 1985 an die Renovierung machte.   

1907 wurde die Villa Olivio, später bekannt als Mederhaus, gebaut. Zweifellos eines der schönsten Häuser der Stadt Esch.
1907 wurde die Villa Olivio, später bekannt als Mederhaus, gebaut. Zweifellos eines der schönsten Häuser der Stadt Esch. Foto: Editpress/Alain Rischard

Im Oktober 1992 öffnete das Escher Jugendhaus im Erdgeschoss seine Türen, auch wenn eine feierliche Eröffnung erst im Jahr 1994 stattfand. Anfangs waren mit Luc Jemming ein Erzieher und einige Animateure für die Betreuung der Jugendlichen zuständig. 1995 wurde ein weiterer Erzieher eingestellt. Nach dem Jahr 2000 waren es dann drei und heute arbeiten insgesamt sieben ausgebildete „Educateurs“ im Mederhaus und dem dazugehörigen, 2011 in „Al Esch“ eröffneten „Point Info Jeunes“ (PIJ).  

Feier am Samstag

Das „Mederhaus“ ist perfekt in Schuss, wovon sich die Besucher am heutigen Samstag ab 14.00 Uhr bei der 30-Jahr-Feier überzeugen können. Es sind die Jugendlichen, die dafür sorgen. Unlängst haben sie das markante Gitter vor dem Haus lackiert und den Innenhof des Hauses, wo heute das „Epizentrum“ der Feier sein wird, neu gestaltet und dekoriert. Für ihre Arbeit erhalten sie ein Guthaben, das es ihnen ermöglicht, an Aktivitäten wie den Ausflügen oder Kolonien teilzunehmen. Das Jugendhaus nimmt zudem an vielen Veranstaltungen der Gemeinde teil, wo die Jugendlichen z.B. für das Catering sorgen, um Projekte zu finanzieren. Auch als Organisator des alljährlichen Escher Streetsoccer-Turniers hat man sich einen Namen gemacht.

„Wir wollen, dass die Jugendlichen etwas bei uns lernen, aber anders als in der Schule“, sagt Marc Berbiche, der dienstälteste Erzieher im Jugendhaus. Er arbeitet seit 22 Jahren hier. Genauso lange ist Danielle De La Gardelle Präsidentin der Asbl. CRIJE („Centre de rencontre et d’informations pour jeunes“), die die Geschicke des Jugendhauses und des Informationsbüros leitet. „Der 30. Geburtstag ist eine gute Gelegenheit, sich bei den vielen Freiwilligen zu bedanken, die über all die Jahre die Erzieher in ihren Projekten unterstützt haben“, findet De La Gardelle.    

Seit 2004 ist derweil Christelle Kodische im Jugendhaus aktiv. Die Leiterin des CRIJE schließt sich den Worten ihres Kollegen Marc Berbiche an: „Wir wollen, dass die Jugendlichen einen Schritt weiter sind, wenn sie uns verlassen“, sagt Kodische. Spannend sei es zu sehen, wie sie sich im Laufe der Jahre entwickeln, sagen beide unisono. Sie freuen sich in erster Linie auf die 30-Jahr-Feier, weil sie sehen werden, was aus all ihren „Kunden“ von früher geworden ist.

2015 als Wendepunkt

Allerdings gab es in den 30 Jahren nicht nur rosige Zeiten. Berbiche berichtet davon, wie sich die Situation Mitte der 2010er Jahre verschlechterte. „Wir hatten einfach zu viele Jugendliche hier. 50 bis 60 jeden Tag. Da ist man dann kein Erzieher mehr, sondern Verwalter. Wir mussten deswegen 2015 eine ‚grille d’intervention’ einführen.“ Ein neuer Kader wurde gesetzt, neue Wege eingeschlagen, um nicht bloß eine Anlaufstelle zu sein, sondern qualitativ mit den Jugendlichen arbeiten zu können. „Einige Jugendliche wollten das nicht und sind weggeblieben. Plötzlich war niemand mehr da, eine schwierige Zeit für uns“, erinnert sich Marc Berbiche. Christelle Kodische fügt an: „Das Jugendhaus ist keine politische Antwort auf Jugendliche, die auf die schiefe Bahn geraten und auf der Straße Mist bauen. Für sie sind Streetworker da, aber an denen fehlt es hier.“ Wenn sie merken, dass ein Jugendlicher in diesem Sinn Probleme hat, dann nutzen sie ihr über die Jahre aufgebautes Netzwerk, um für Hilfe zu sorgen. Dass der eingeschlagene Weg der richtige ist, beweisen nicht zuletzt die vielen Preise (Jugendpreis, „Prix du mérite jeunesse“, „Prix Oppenheimer“) der vergangenen Jahre.   

Das Jugendhaus besuchen Jugendliche, nachdem sie die Grundschule verlassen haben. Sie bleiben in der Regel, bis sie volljährig sind. Anschließend können sie über den „Point Info Jeunes“ Hilfestellung auf ihrem weiteren Werdegang bekommen. Einige bleiben aber auch länger dem Jugendhaus treu, in erster Linie, um von den Installationen zu profitieren. Man verfügt über ein eigenes Ton- und Videostudio, das unter anderem der Rapper Big L, alias Leandro Afonso Pinto, nutzt (das Tageblatt berichtete). Big L sitzt im Rollstuhl und setzt sich in Esch für Barrierefreiheit ein. Ein gutes Stichwort, denn barrierefrei ist das Jugendhaus nicht. Das wäre aber sicherlich ein Geburtstagswunsch der Verantwortlichen zum 30.