Samstag25. Oktober 2025

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KulturpolitikDer gemeinsame Nenner: Was in Luxemburgs Kulturszene schiefläuft

Kulturpolitik / Der gemeinsame Nenner: Was in Luxemburgs Kulturszene schiefläuft
Haben derzeit Grund zu Sorgen: Bettina Steinbrügge (Mudam-Direktorin) und Jean-Paul Olinger (Mudam-Verwaltungsratspräsident) Foto: Editpress/Julien Garroy

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Ein Konflikt jagt den nächsten: Innerhalb von einem Jahr landeten „frEsch“, „Spektrum“ und das Mudam in den Schlagzeilen. Über gemeinsame Nenner und die Frage nach der Verantwortung.

„Kultur ist ein bedeutendes Thema hier in Luxemburg.“ Das sagte Kulturminister Eric Thill (DP) im Januar in einem Interview mit dem deutschen Kulturmagazin Opus. Das mag stimmen, nur hängt der Haussegen in den entsprechenden Institutionen und Vereinen schief: In den vergangenen zwölf Monaten kamen Missstände in drei unterschiedlichen Kultureinrichtungen auf. In allen Fällen gingen dem Eklat monate- bis jahrelange interne Diskussionen voran. Gelangten die jüngsten Probleme im Kulturzentrum „Spektrum“ (Rümelingen) und dem Gegenwartsmuseum Mudam (Luxemburg-Stadt) erst vor Kurzem in die Presse, berichten die Medien seit 2022 über die anhaltenden Ungereimtheiten bei „frEsch“ (Esch). 

Damals warf das Kollektiv „Richtung22“ den Verantwortlichen u.a. finanzielle Intransparenz vor. Später schalteten sich die Oppositionsparteien und einzelne Mitglieder des Verwaltungsrats ein: Sie forderten Einsicht in die Zahlen, die sie nach Monaten des Wartens im Juli 2024 erhielten. Zwischendurch hagelte es Kritik von lokalen Kulturschaffenden wegen mangelnder Kommunikation und der Auslagerung von Projekten. Loïc Clairet, Direktor von „frEsch“, wurde Vetternwirtschaft vorgeworfen. Ein Anhaltspunkt: 2023 kündigte der Verein unerwartet die dreijährige Zusammenarbeit mit einem Luxemburger Grafikbüro und beauftragte stattdessen die französische Kommunikationsagentur „Nouvelle Cuisine“ mit der Neugestaltung der visuellen Identität des „frEsch“-Festivals „Francofolies“. Eine Agentur, zu der Pierre Pauly, seit 2019 künstlerischer Leiter der Veranstaltung, enge Kontakte pflegen soll. Clairet stritt den Interessenkonflikt ab: Pauly sei nur ein externer Dienstleister.

Dasselbe in Grün

Das trifft nicht auf Bettina Steinbrügge, Direktorin des Mudam, zu: Der Museumsleiterin wird dieser Tage ebenfalls öffentlich vorgehalten, Aufträge an Bekannte zu vergeben. Recherchen von RTL decken auf: Die Website des Mudam wurde von einer deutschen Agentur aktualisiert, mit der Steinbrügge bereits im „Hamburger Kunstverein“ zusammenarbeitete. Zu den Angestellten soll sie ein freundschaftliches Verhältnis auf Social Media unterhalten. Drei weitere Firmen hatten sich beworben.

Andere Aspekte der Causa Mudam, die mit dem Rücktritt des Verwaltungsratspräsidenten Patrick Majerus (wurde durch den Direktor der Steuerbehörde, Jean-Paul Olinger, ersetzt) im Januar in die öffentliche Debatte geriet, erinnern stark an die Polemik um die Entlassung von Teena Lange, ehemalige Leiterin des „Spektrum“, im September 2024: Beiden wirft man Misswirtschaft, mangelnde Führungskompetenzen, Mobbing und ausbleibende Visionen für die jeweilige Institution vor. Sowohl Steinbrügges Team als auch Lange wehrten sich öffentlich gegen die Anschuldigungen. Gegen ihre Verteidigung sprechen allerdings Kündigungen: Nach Presseberichten von RTL und Wort gaben im Mudam seit Steinbrügges Antritt 2022 insgesamt sechs Mitarbeitende ihre Posten auf; im „Spektrum“ blieb Lange als Einzige eines vierköpfigen Teams zurück. Inzwischen gestalten Guy Wolff (Direktor) und Serena Ouannoughi (Projektmanagerin; bereits zuvor im „Spektrum“ tätig; Mitglied der Kulturkommission der Gemeinde) das Programm in Rümelingen. Jessica Sieradzki ergänzt das Team als Assistentin. 

Erregten die Gemüter in Esch im Hinblick auf die Kulturpolitik: Loïc Clairet (l., Direktor „frEsch) und Pim Knaff (Kulturschöffe und Verwaltungsratspräsident „frEsch“)
Erregten die Gemüter in Esch im Hinblick auf die Kulturpolitik: Loïc Clairet (l., Direktor „frEsch) und Pim Knaff (Kulturschöffe und Verwaltungsratspräsident „frEsch“) Foto: Editpress/Julien Garroy

Im Austausch mit Kenner*innen der nationalen Kulturszene ist von strukturellen Problemen die Rede, die bestehende Konflikte verschärfen. Menschen wie Bettina Steinbrügge und Teena Lange wird von manchen eine fachliche Expertise nachgesagt, doch die nötige Führungskompetenz abgesprochen. Oft seien die Jobbeschreibungen unklar oder zu komplex für ein und dieselbe Person. Es herrsche außerdem Konkurrenzkampf mit dem Ausland. Hinzu kämen unzureichende Personal- und Finanzressourcen, um den wachsenden Anforderungen sowie der Kommerzialisierung des Sektors gerecht zu werden. Kultureinrichtungen seien längst als Unternehmen zu betrachten, statt als Orte zur Wertschätzung von Kunst. All dies übe Druck auf die Beteiligten aus, was ein toxisches Arbeitsklima begünstige.

Sorgenkind Verwaltungsrat

Neben den Angestellten traten in den vergangenen Monaten in allen erwähnten Institutionen und Vereinen aber auch zahlreiche Aufsichtsratsmitglieder zurück. Im Mudam dankte neben dem bereits erwähnten Präsidenten Patrick Majerus (Januar 2025) auch die Vizepräsidentin Danielle Igniti (2023) explizit wegen der Führungsprobleme ab. Im „Spektrum“ und bei „frEsch“ sind die Gründe für die Demissionen ähnlich und zusätzlich auf Unstimmigkeiten innerhalb der Kontrollgremien zurückzuführen. 

Aus dem Verwaltungsrat von „Spektrum“ verabschiedeten sich 2024 fünf Mitglieder: die Kuratorin Françoise Poos, die Künstlerin Karolina Markiewicz, der Kulturbeauftragte Pascal Useldinger, der Musiker Sacha Hanlet und Yann Logelin (Pro-Sud). Berichten zufolge aus Solidarität mit Lange und aus Protest gegen die verbleibenden Mitglieder. Im aktuellen Verwaltungsrat von „Spektrum“ zählen nun drei von acht Mitgliedern zum Gemeinderat: Präsidentin Carole Marx (LSAP, Präsidentin der Kulturkommission), Kulturschöffe Jimmy Skenderovic (LSAP) und Edmond Peiffer (KPL). Alle drei wurden bei den Gemeindewahlen 2024 gewählt. Daneben sind drei Gemeindemitarbeitende und ein weiteres Kommissionsmitglied im Verwaltungsrat vertreten. Jener soll künftig punktuell von einem „comité artistique“ beraten werden, die Zusammensetzung ist noch unbekannt. 

Die Escher „déi Lénk“-Fraktion gab derweil am Freitag ihren Austritt aus dem Verwaltungsrat von „frEsch“ bekannt. Mitleid mit dem Direktor Loïc Clairet und seinem Team hat die Partei nicht – im Gegenteil, denn sie geht hart mit ihnen ins Gericht –, dafür moniert sie die Verhältnisse im Aufsichtsgremium. Entscheidungen wie die, das Kollektiv „Richtung22“ bis zum Monatsende aus dem „Bâtiment4“ (von „frEsch“ verwaltet) zu verbannen, seien aufgrund der Vorgehensweise unvertretbar. Die Vertragsauflösung mit dem Kollektiv im Mai 2024 sorgte wegen undurchsichtiger Gründe für Unmut, der Beschluss wurde trotz Mediation beibehalten. Ein freier Austausch im Aufsichtsrat sei unmöglich, so „déi Lénk“ weiter, da mehrere Mitglieder eng mit der Stadt Esch verflochten seien. Was „déi Lénk“ meint: Der Präsident Pim Knaff (DP) ist Kulturschöffe, die anderen Posten besetzen – neben Vertretungen der Opposition – Gemeindemitarbeitende, Carole Lorang (Direktorin Escher Theater) und René Penning (Leiter Kulturfabrik). Die Zusammensetzung des Gremiums erinnert an jene des „Spektrum“. 

Und das Kulturministerium?

Unabhängig der Gründe, wurden ehemaligen Verwaltungsratsmitgliedern der genannten Einrichtungen darüber hinaus genaue Budgetaufstellungen oder Informationen zu Gehalts- und Reisekosten vom Personal vorenthalten bzw. erst auf Druck ausgehändigt. Bei „frEsch“ variieren die Kenntnisse innerhalb des Rats zudem offensichtlich stark – ein Beispiel sind die Nebentätigkeiten von Loïc Clairet, über die das Tageblatt im November 2024 berichtete: Wusste der Präsident Pim Knaff von Clairets Nebenjobs (Professor, Berater für „Namur 2030“), zeigten sich andere Verwaltungsratsmitglieder auf Nachfrage verwundert darüber.

Ungleiches Wissen in Verwaltungsräten steht auf der Tagesordnung, bestätigen Hintergrundgespräche. Doch wie kann eine Kontrollinstanz informierte Entscheidungen treffen, wenn ihr wichtige Daten fehlen oder nur ein Teil der Belegschaft im Bild ist? Im Austausch mit den Betroffenen wird die Tatsache als tragisch bezeichnet, da die Verwaltungsratsmitglieder in der Verantwortung stehen. „Die kann steuer- oder zivilrechtlicher, aber auch strafrechtlicher Natur sein“, kommentierte Philipp von Restorff, Direktor des „Institut luxembourgeois des administrateurs“, die Verantwortung von Aufsichtsratsmitgliedern 2024 im Interview mit dem Tageblatt. Im Fall einer Anklage würden jene oft mit ihrem Privatvermögen haften. 

In Hintergrundgesprächen fällt die Aussage: Nicht allen Gremienmitgliedern sei das bewusst; manche säßen nur fürs Prestige in den Räten. Dabei ginge es um die Verwaltung öffentlicher Gelder. In Zahlen heißt das: Das Mudam erhält 2025 über neun Millionen Euro vom Kulturministerium. „FrEsch“ bezieht dieses Jahr 3,9 Millionen von der Gemeinde Esch; „Spektrum“ kassiert insgesamt 393.334 Euro von der Stadt Rümelingen, dem Kulturministerium und der „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“.

Halten zusammen: Mudam-Direktorin Bettina Steinbrügge, Mudam-Verwaltungsratspräsident Jean-Paul Olinger (M.), Kulturminister Eric Thill (r.)
Halten zusammen: Mudam-Direktorin Bettina Steinbrügge, Mudam-Verwaltungsratspräsident Jean-Paul Olinger (M.), Kulturminister Eric Thill (r.) Foto: Editpress/Julien Garroy

Was auffällt: Das Kulturministerium fördert alle drei Institutionen, hielt sich bisher aber in allen Dossiers eher bedeckt. Nur zum Mudam, in dem es durch Vizepräsidentin Beryl Bruck (u.a. Abteilungsleiterin „patrimoine culturel“) vertreten ist, bezog Minister Eric Thill diese Woche im Wort eine verhältnismäßig klare Position zugunsten der Museumsleitung: „Das Kulturministerium nimmt die Äußerungen zu internen Herausforderungen im Mudam (…) ernst und setzt darauf, dass diese transparent und gründlich aufgearbeitet werden. Allerdings kann das Ministerium die Vehemenz und die Schärfe verschiedener Meinungen nicht so im Raum stehen lassen.“ Das Ministerium habe 2024 die Initiative des Verwaltungsrats und der Direktorin unterstützt, eine externe Beratungsfirma zur Schlichtung der Konflikte zu engagieren. Man stehe im ständigen Dialog mit den öffentlichen Kultureinrichtungen.

„Il n’appartient pas au ministère de la Culture d’interférer dans la gestion quotidienne d’un acteur
culturel, celle-ci relevant de la responsabilité de l’organe de gestion en place“, hieß es hingegen zu den Vorkommnissen im „Spektrum“ in einer parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten Djuna Bernard („déi gréng“) im November. Thill verwies auf die „Charte de déontologie“, 2022 eingeführt, nach der sich Kultureinrichtungen freiwillig zu bestimmten Richtlinien bekennen. Nadine Erpelding (Kulturministerium) spielte die Wichtigkeit dieser Charta bei einem Rundtischgespräch 2023 herunter. In der woxx wurde sie wie folgt zitiert: „Et stinn an der Charta keng wierklech konkret Mesuren dran, se ass vage gehalen an et gëtt keng richteg Méchanismen fir d’Kontroll.“

Zum Kulturverein „frEsch“, der 2023 noch eine halbe Million vom Kulturministerium für den Unterhalt des „Bridderhaus“ und der „Konschthal“ bekam, äußerten sich weder Thill noch seine Vorgängerin Sam Tanson („déi gréng“) ausführlich. 2023 teilte das Ministerium der woxx lediglich mit, die Situation im Auge zu behalten, sich aber nicht in den Konflikt einzumischen. Die Mitarbeitenden des Ministeriums würden über ihren Kompetenzbereich wachen und sicherstellen, dass die Beihilfen an der richtigen Stelle ankämen. Ob das gelingt, ist angesichts der aufgedeckten Missstände fraglich und wirft die Frage auf, wie lange Eric Thill Magazinen wie dem Opus gegenüber noch mit gutem Gewissen behaupten kann: „Wir sind sehr stolz auf unsere kulturelle Infrastruktur.“