Davos-Nachtrag

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Von Jean-Claude Thümmel, ehemaliger Präsident des FNCTTFEL-Landesverbandes

Es ist ein Treffen der Eliten der ganz besonderen Art. Mit einer fast schweizerisch anmutenden Präzision findet alljährlich das „World Economic Forum“ im beschaulichen Skiort Davos in den Schweizer Bergen statt. Mit inzwischen mehr als 3.000 Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft ist aus dem „Weltwirtschaftsforum“ eine Art „Weltgesellschaftsforum“ geworden.

Vom ersten amerikanisch-europäischen Managersymposium im Jahre 1971 bis zum „WEF“, wie wir es heute kennen, war es kein allzu langer Weg. Klaus Schwab hat es fertiggebracht, alljährlich in Davos das wohl bedeutendste und wichtigste globale Wirtschaftsforum zu organisieren. Der Begründer des Weltwirtschaftsforums wurde geleitet von dem Gedanken, dass sowohl Regierungen wie Unternehmen die Herausforderungen einer immer stärker vernetzten Welt nicht alleine bewältigen können. Was an und für sich nicht einmal so falsch ist. „Der Geist von Davos“, die gemeinsame Motivation der WEF-Teilnehmer also, laut Schwab sind das die Kernelemente Dialog, Toleranz, Engagement und ganz allgemein Beiträge zu einer besseren und friedlicheren Welt.

Fürwahr ein äußerst edles Ansinnen. Und natürlich will dabei keiner abseits stehen. In diesem Jahr waren es nicht weniger als 70 Staats- und Regierungschefs, die in die Bündner Berge gereist sind, um ihren Beitrag zu dieser Veranstaltung zu leisten. Jeder will irgendwie seine Spuren hinterlassen. Dabei wird vergessen, dass das „World Economic Forum“ eine Interessengemeinschaft ist, bestehend aus rund 1.000 Mitgliedsunternehmen. 1.000 handverlesene Mitglieder, die je nach Status zwischen 50.000 Euro und 500.000 Euro Jahresbeitrag zahlen, um dazuzugehören.

Peanuts

Das Ticket für Davos schlägt dann noch einmal mit etwa 23.000 Euro zu Buche. Aber keine Angst, die vertretenen multinationalen Konzerne bezahlen solche Peanuts vorzugsweise aus der Portokasse. Was wirklich zählt, ist die Frage, ob dieses Geld gut angelegt ist.

Diese Frage ist mit einem unmissverständlichen Ja! zu beantworten.

Kurz zur Erinnerung: Das Leitmotiv des Weltwirtschaftsforum heißt: „Committing the state of the world“. Frei übersetzt etwa „Sich dem Zustand der Welt widmen“. Sich also den globalen Problemen annehmen.
Und wie wir wissen, schreien globale Probleme sozusagen nach globalen Lösungen. Und wer am Ursprung der Probleme dieser Welt steht, hat es natürlich auch leichter, die Lösungen bereitzustellen. Oder eben bereitstellen zu lassen. Da kommen dann die vielen Regierungschefs und Staatenlenker ins Spiel.
Die Wortwahl, die das Motto des 48. Weltwirtschaftsforums „Für eine gemeinsame Zukunft in einer zerrissenen Welt“ bestimmt, müsste eigentlich alle auf den Plan rufen. Aber so viel Platz gibt es nicht in Davos. Und das ist ja auch nicht das Ziel der Veranstaltung.

Was zählt ist, Auswege aus multiplen selbst gemachten Krisen zu suchen. Aber bitte ohne an der tragenden Struktur unserer Gesellschaft zu rütteln. Das Gesellschaftsmodell, in dem wir leben, basiert, und das ist sicherlich keine Neuigkeit, auf Ausbeutung. Nun ist die zentrale Frage in Davos nicht die, diese Ausbeutung zu stoppen. Nein, sie soll nur reformiert, modifiziert und wenn möglich sozialer, also gesellschaftlich verträglicher, gestaltet werden.

Die Ausbeutung soll also subtiler gestaltet werden. Fundamentale Gesellschaftskritik ist bei den Großen in Davos ein No-Go. Jeder warnt, alle machen sich Sorgen. 2016 machten sich viele Manager zum Beispiel ernste Sorgen über die überbordende staatliche Regulierung, geopolitische Risiken und die Schuldenkrise.
Die meisten hatten Angst vor einer nicht näher definierten gesellschaftlichen Instabilität. Wir sind also 2016 bei einer relativ unscharf definierten gesellschaftlichen Instabilität, man könnte auch sagen; der sozialen Kohäsion fehlt die Adhäsion; gestartet und gelandet zwei Jahre später bei der Angst vor einer zerrissenen Welt.

Man bemerke die Nuance, zerrissenen … nicht am Zerreißen, das ist der Zustand unserer Welt. Die unzähligen Frakturen in unserer Gesellschaft werfen immer mehr Fragen auf. Es ist also höchste Zeit, gegenzusteuern. Und es lastet eine große Verantwortung auf den rund 3.000 Teilnehmern am diesjährigen Weltwirtschaftsforum. Auf alle einzelnen Redebeiträge der 2018er Edition einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Deshalb an dieser Stelle zwei interessante nach dem Zufallsprinzip herausgepickte Interventionen von zwei ziemlich unterschiedlichen Teilnehmern.

Heilung

Als Erstes die Eröffnungsrede des indischen Premierministers Narendra Modi. Tenor seiner rund einstündigen „historischen“ Rede: Eine multikulturelle und multipolare Welt könnte sich an jahrtausendealten urindischen Werten orientieren. Indien wird zur harmonisierenden Kraft der Welt, wenn eben diese Welt diesen Werten folgt und damit alle Probleme gelöst werden.

Und weiter: Die alten indischen Utopien Yoga und Ayurveda können angesichts des Klimawandels den Bruch zwischen der Natur und den Menschen heilen. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob indische Visionen die Brüche in unserer Gesellschaft tatsächlich heilen können. Die „größte Demokratie der Welt“, übrigens auch das ein krasser Etikettenschwindel, mit einem grausamen jahrtausendealten menschenverachtenden und immer noch nicht überwundenen Kastensystem soll also tatsächlich Vorbild sein? Wer glaubt denn so was?
Der Optimist Modi steht bei dieser Auflistung übrigens in krassem Gegensatz zu einigen besorgten Bankenchefs, die auch dabei waren. Was die Chefs von Barclays, Citigroup oder Carlyle Group umtreibt? Nun ganz einfach, sie warnen davor, dass die sehr robuste Verfassung der Weltwirtschaft, die Finanzmärkte selbstgefällig und überheblich machen könnte. Interessant. Man versteht wohl besser, was die Bankenbosse so bedrückt, wenn man rund zehn Jahre zurückschaut.

An den Anfang der Kreditkrise, welche die gesamte Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat. Die zu jenem Zeitpunkt größte amerikanische Bank musste Ende 2007 ankündigen, dass im Zusammenhang mit dem Hypothekengeschäft bis zu elf Milliarden Dollar abgeschrieben werden müssten. Es waren tatsächlich mehr und der damalige Citigroup-Chef musste gehen.

Heute warnen die Banker also nicht vor zu viel Risikobereitschaft der „Finanzmärkte“, wer auch immer diese „Märkte“ sein mögen. Nein, sie warnen davor, die Zinssätze anzuheben. Weil viele Banken und Hedgefonds mit dem äußerst billigen Geld der Zentralbanken massiv investiert haben. Und das nach genau dem gleichen Schema wie vor mehr als zehn Jahren. Die Risiken und die möglichen Verluste werden vergesellschaftet und die Profite … nun die Profite …

Einer Oxfam-Studie zufolge sind 82% des im vergangenen Jahr weltweit geschaffenen Reichtums in die Taschen von dem einem reichsten Prozent der Weltbevölkerung geflossen. Und daran soll sich nach dem Willen der Finanzwelt auch so schnell nichts ändern. Die Probleme unserer zerrissenen Welt werden diese heute sicherlich nicht lösen, denn viele von ihnen stehen am Ursprung der multiplen gesellschaftlichen Brüche.

Scholnier
8. Februar 2018 - 13.26

Davos ,Schaubühne der neoliberalen Politik und Verlängerung der Bilderberg- Konferenzen.