Ausnahmesituation„Das nimmt heute kein Ende“: So erlebte Esch den Eis-Morgen am Mittwoch

Ausnahmesituation / „Das nimmt heute kein Ende“: So erlebte Esch den Eis-Morgen am Mittwoch
Im Dauereinsatz: die Gemeindearbeiter aus Esch Foto: Editpress/Philip Michel

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Das Glatteis hatte Luxemburg am Mittwochmorgen fest im Griff und hat den Alltag so mancher Einwohner auf den Kopf gestellt. „Das nimmt heute kein Ende“, meinte eine Mitarbeiterin des „Service de proximité“ aus Esch.

Wer am Mittwoch seinen Bürgersteig ordnungsgemäß vom Eis befreien wollte, der brauchte viel Geduld und vor allem reichlich Ausdauer. Gefühlte fünf Minuten nach dem Streuen des Salzes sorgte der Regen im Verbund mit dem kalten Beton dafür, dass die Eisschicht wieder da war.

Auch die Gemeindedienste hatten ihre liebe Mühe und Not. „Das nimmt heute kein Ende. Und später soll auch noch Schnee kommen“, so Monika vom „Service de proximité“ der Stadt Esch gegenüber dem Tageblatt. Seit Schichtbeginn zogen sie und ihre 18 Kollegen durch die Straßen der „Minettemetropole“, um die Bürgersteige begehbar zu halten. Unterstützt wurden sie von den Gemeindearbeitern der Dienste „Espaces verts“ und der „Hygiène“. An der rue du Fossé, wo sie gerade aus einem Eimer das Streusalz auf dem Bürgersteig verteilte, werde nun bereits zum dritten Mal gestreut, sagte Monika gegen Mittag.

Menschenleer: die Alzettestraße in der Mittagszeit
Menschenleer: die Alzettestraße in der Mittagszeit Foto: Editpress/Philip Michel

Doch trotz aller Mühen der Streudienste führte das Glatteis wenig überraschend zu einem verstärkten Aufkommen in der Notaufnahme des Escher CHEM. „Wir hatten bis 11.00 Uhr 30 Knochenbrüche zusätzlich in der Notaufnahme zu versorgen“, sagte Pressesprecher Eric Dickes dem Tageblatt. Gegen 15.30 Uhr waren es bereits 76, darunter 41 schwere Brüche, die eine Direktversorgung benötigten. Im Netz zirkulierte ein Foto, auf dem die Rettungswagen regelrecht Schlange stehen vor dem Eingang der Notaufnahme. Ansonsten aber laufe der Betrieb im Krankenhaus wie gewohnt, sämtliche Dienste seien normal besetzt. „Wir können ein Krankenhaus ja schlecht aus dem Homeoffice aus betreiben“, so Dickes. Dass viele Patienten ihre Termine absagten, konnte der Pressesprecher nicht bestätigen. „Über unsere Homepage bzw. Mailadresse kamen nur zwei Absagen. Genaueres kann ich aber Stand jetzt nicht sagen, wie es genau in der Poliklinik aussieht, sehen wir noch.“

Menschenleere Einkaufsstraße

War der Warteraum im CHEM noch gut besucht, so bot sich gegen Mittag in der Alzettestraße ein eher trauriges Bild. Hat die Einkaufsmeile in den vergangenen Jahren auch stark an Anziehungskraft verloren, so ist hier normalerweise zumindest während der Mittagspause reger Betrieb zu verzeichnen.

Nicht so am Mittwoch. Um 13.00 Uhr war bei strömendem Regen so gut wie kein Mensch unterwegs. An den Streudiensten der Gemeinde lag das jedenfalls nicht, sie hatten ihre Arbeit gemacht, Rutschgefahr bestand nicht. Manche Geschäfte waren sogar ganz geschlossen. So hatte zum Beispiel der Optiker Denuit bereits am Dienstagabend in den sozialen Netzwerken angekündigt, das Geschäft wegen der von den Behörden ausgerufenen Alarmstufe Rot am Mittwoch nicht zu öffnen.

Auch im Dellhéicht-Viertel sah es kurz nach 8.00 Uhr aus wie an einem Sonntag. Normalerweise wälzt sich hier um diese Zeit eine Blechlawine durch die Straßen. LGE und LHCE, die beiden klassischen Lyzeen Eschs, liegen lediglich rund 500 Meter voneinander entfernt, zudem sind die Grundschulen Wobrécken und Dellhéicht in unmittelbarer Nähe. Will heißen, das Viertel erstickt zu Unterrichtsbeginn und -ende regelmäßig im Verkehr. Nicht so am Mittwoch. Die Straßen waren nicht nur vereist, sondern auch verwaist. So konnten sie von den wenigen Fußgängern auch als Weg benutzt werden. Wegen der glatten Bürgersteige zogen viele Menschen es vor, auf die von den Streudiensten vom Eis befreiten Straßen auszuweichen.

Clarinda Figueiredo, Aldina Fernandes und Concetta Schiavone von der Bäckerei Jos&Jean-Marie
Clarinda Figueiredo, Aldina Fernandes und Concetta Schiavone von der Bäckerei Jos&Jean-Marie Foto: Editpress/Philip Michel

Selbst um 12.00 Uhr mittags herrschte gähnende Leere in der Bäckerei Jos&Jean-Marie in der Jean-Pierre-Michels-Straße. An einem „normalen“ Tag ist der Laden um diese Zeit gerammelt voll, denn die Mittagspause der benachbarten Lyzeen hat gerade begonnen und die Schüler kommen, um sich etwas zu essen zu besorgen. „Heute sind fast nur die Leute aus dem CHEM gekommen“, sagt Concetta Schiavone, die zusammen mit ihren Kolleginnen Aldina Fernandes und Clarinda Figueiredo hinter der Theke steht und auf Kunden wartet.

Auch die Stammklientel hätte sich größtenteils nicht blicken lassen, die Leute bleiben wie von der Regierung angeraten zu Hause. Die Lieferung wurde am Dienstagabend angepasst, als die Alarmstufe Rot ausgelöst wurde und klar war, dass kein Schulunterricht stattfinden werde. Trotzdem ist die Auslage voll. Auf ein Viertel der gewohnten Kundenzahl schätzt Clarinda Figueiredo den Andrang an diesem Mittwoch. Die drei Angestellten haben den Vorteil, es nicht allzu weit bis zur Arbeit zu haben. Sie gehen in der Regel zu Fuß oder nehmen den Bus. Heute aber haben sie sich von ihren Partnern bringen lassen. „Es ist unser Job, hier zu stehen“, sagt Concetta Schiavone, „wir können nicht einfach zu Hause bleiben“. Viermal habe man bis 12 Uhr bereits Salz auf den Bürgersteig vor der Bäckerei gestreut. Nicht das letzte Mal an diesem Tag.

Ähnlich wenige Kunden haben sich im Babbocafè eingefunden. Auch wenn es sich vielleicht nicht lohne, so habe er dennoch beschlossen, das Café am Mittwoch zu öffnen, sagt Inhaber Saro Pica. „Schon allein aus Respekt vor den Gemeindearbeitern, die im Dauereinsatz sind und vielleicht einen Kaffee trinken wollen, wenn sie kurz Pause machen“, so Pica. Auch er hat es nicht weit von zu Hause bis zur Arbeit. Trotzdem musste er auf dem Weg ins Café einmal stehen bleiben, weil die vor der Fahrt durch ihn freigekratzten Scheiben seines Autos nach 500 Metern wieder zugefroren waren.

Andrija Geric trotzt Schnee und Eis, um seine Pakete abzuliefern
Andrija Geric trotzt Schnee und Eis, um seine Pakete abzuliefern Foto: Editpress/Philip Michel

Ähnliche Probleme hatte zunächst auch Paketbote Andrija Geric. Um 7.30 Uhr fing seine Schicht an und er brauchte etwas länger als gewöhnlich, um sein Fahrzeug für den Arbeitstag bereitzumachen. Dann aber ging es Schlag auf Schlag, trotz der schwierigen Verhältnisse. Natürlich sei auf der Straße Vorsicht geboten gewesen, auch und vor allem beim Verlassen des Lieferwagens. Schließlich waren die privaten Bürgersteige am Mittwoch vielerorts glatter als die Straßen. „Trotzdem geht es heute schneller voran als gewohnt, denn die Straßen sind größtenteils leer. Es gibt keine Staus“, freute sich Geric im Gespräch mit dem Tageblatt.

Christian Weis: „Ass gutt verlaf“

„Den Dag ass gutt verlaf“: So lautet das Fazit von Bürgermeister Christian Weis. Die Dienste der Stadt Esch seien allesamt im Einsatz gewesen, um ihren Pflichten nachzukommen. Größere Zwischenfälle hätten es keine gegeben, auch keine Unfälle. Natürlich hätten sich mehr Bürger als sonst bei der Gemeinde gemeldet, um zum Beispiel auf vereiste Stellen hinzuweisen. Das sei allerdings noch überschaubar gewesen, so Weis. Wobei die Arbeit der Streudienste am Mittwoch beileibe keine einfache war. Durch den Regen bildeten sich immer wieder neue Eisschichten. Auch an Stellen, die bereits mit Salz beworfen worden waren. 
Perfekt funktionierte laut Weis die Zusammenarbeit mit den Schulen und der Regionaldirektion. Trotz schulfrei konnten Eltern ihre Kinder dort abliefern.