KritikCGFP bleiben im Koalitionsabkommen zu viele Fragen offen

Kritik / CGFP bleiben im Koalitionsabkommen zu viele Fragen offen
Kaufkraft stärken statt Steuerungerechtigkeit fördern, das fordert CGFP-Präsident Romain Wolff Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Bei ihrer alljährlichen Konferenz der Vorstände fordert die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst mehr Steuergerechtigkeit – und stellt der Regierung Frieden einige Arbeitsaufträge aus.

Gleich zu Beginn seiner Rede erinnert sich Romain Wolff an die Tripartite im vergangenen März. Ziel sei es damals gewesen, so der Präsident der Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst („Confédération générale de la fonction publique“, CGFP) „einen inflationistischen Schock“ Anfang 2024 zu verhindern. Die mit der Unterstützung der Sozialpartner getroffenen Maßnahmen hätten geholfen, so Wolff. Das Gaspreislimit, die Stabilisierung der Strompreise bis Ende 2024, die Anpassung der Steuertabelle. Mit dieser positiven Bilanz startet der CGFP in die diesjährige Vorständekonferenz der Gewerkschaft für den Staatsdienst.

Die CGFP hat ins „Parc Hotel Alvisse“ geladen. Etwa 400 Mitglieder und Gäste sind der Einladung an diesem Montagabend nachgekommen. Wolff schlägt indes düsterere Töne an – und leitet so langsam zu einem der Hauptthemen dieses Abends über: dem Koalitionsabkommen der neuen Regierung aus CSV und DP. Die Inflation sei noch immer hoch, die Preise für Lebensmittel und Energie verharrten auf einem hohen Niveau. Die Kaufkraft indes gehe weiter runter. Auch das Wohnungsproblem bleibe ungelöst, so Wolff. „Wo bleibt die Steuergerechtigkeit?“, fragt der CGFP-Präsident. Kapital werde noch immer zu wenig und Arbeit noch immer zu viel besteuert. „Und es sieht nicht so aus, als würde sich das unter der neuen Regierung ändern.“

Privathaushalte gegenüber Betrieben stärken

Gemeinsam mit anderen Gewerkschaftsvertretern war auch die CGFP zu Beginn der Koalitionsverhandlungen auf Schloss Senningen geladen worden, um Formateur Frieden und den beiden Delegationen von CSV und DP ihre Anliegen für die neue Regierung vortragen zu können. „Ganz oben im CGFP-Forderungskatalog steht noch immer eine umfassende Steuerreform, hin zu mehr Steuergerechtigkeit“, sagt Steve Heiliger, Generalsekretär der CGFP, an diesem Abend. Es könne nicht sein, dass Privathaushalte bei den direkten Steuern beinahe drei Viertel des gesamten Steueraufkommens aufbringen müssen, während Betriebe gerade einmal ein Viertel beisteuern. Die von der Regierung anvisierte Senkung der Körperschaftssteuer zugunsten der Unternehmen dürfe nicht zulasten der Privatpersonen finanziert werden, heißt es bei der CGFP.

Von der CGFP-Doppelspitze gibt es an diesem Abend eine klare Absage an eine mögliche Sparpolitik. Gerade in schwierigen Zeiten sei eine antizyklische Haushaltspolitik das adäquate Mittel, um die Konjunktur anzukurbeln und somit ein langfristiges Wachstum zu gewährleisten. „Deshalb gibt es heute von der ‚Conférence des comités’ eine ganz klare Botschaft an die Politik: Sparmaßnahmen zulasten der Haushalte wird es mit der CGFP nicht geben“, so Heiliger.

Zu den wichtigsten Steuermaßnahmen der Regierung gehöre für die CGFP die Anpassung der Steuertabelle. In der Tripartite im März sei das zunächst gar kein Thema gewesen, erinnert sich Heiliger. Erst auf Druck der Gewerkschaften sei die Anpassung am letzten Verhandlungstag auf die Tagesordnung gekommen. Das Ergebnis: Die damalige Regierung beschloss eine Bereinigung um zweieinhalb Indextranchen zum 1. Januar 2024. Die neue CSV-DP-Regierung legte im Koalitionsabkommen noch einmal anderthalb Tranchen drauf. Auch mit vier Indextranchen sei es jedoch nicht getan, so der Generalsekretär. Die CGFP fordere deshalb eine systematische Anpassung der Steuertabelle an die Inflation, ein Automatismus.

In der Steuerpolitik der neuen Regierung gebe es im Allgemeinen positive Ansätze, so die CGFP-Spitze. Diese würden jedoch bei Weitem nicht ausreichen. Präsident Wolff fragt sich, warum das Projekt einer groß angelegten Steuerreform erst frühestens 2026 angegangen wird – und nicht schon heute. „Besteht überhaupt der Wille, so eine Reform in dieser Legislatur zu machen?“

Staatsdienst bleibt Stiefkind

Was den öffentlichen Dienst aus Sicht der Koalition angeht, zieht Generalsekretär Heiliger ein ernüchtertes Feedback: Der Staatsdienst werde wie ein Stiefkind behandelt. Nur knapp zwei Seiten des 209-seitigen Regierungsprogramms widmen sich dem öffentlichen Dienst. Dabei gehe es vor allem um die Digitalisierung der Bürgerdienste und kürzere administrative Abläufe. Eine Zielsetzung, mit der die CGFP im Prinzip einverstanden ist – solange sie in einem klar abgesteckten Rahmen verläuft. Eine Digitalisierung, die die Arbeit von Mitarbeitern im Staatsdienst vereinfache, sei im Interesse des Landes. Einen öffentlichen Dienst, der im Bürgerservice nur noch mit Chatbots funktioniere, werde es mit der CGFP nicht geben, so Heiliger.

Es bestehe ein breiter Konsens unter den politischen Parteien, dass es auch in Zukunft einen starken öffentlichen Dienst brauche, sagt der CGFP-Generalsekretär. Die Herausforderungen der Zeit seien groß: hohe Inflation, Klimawandel, digitale und energetische Transformation. „Gerade vor diesem Hintergrund sind Maßnahmen, die die Attraktivität des öffentlichen Dienst dauerhaft steigern, unumgänglich“, so Heiliger. Auch weil man in Konkurrenz zum Privatsektor stehe, sei eine kontinuierliche Lohnpolitik wichtig.

Auch die alte Regierung aus LSAP, DP und „déi gréng“ bekommt an diesem Abend ihren Teil der Kritik ab. Mit Bedauern müsse die CGFP feststellen, dass mehrere Vereinbarungen, die die Gewerkschaft mit der vorigen Regierung getroffen habe, noch immer nicht von der Politik umgesetzt worden seien. So stehe z.B. der aktuelle Text zur Umsetzung der Arbeitszeitregelung im öffentlichen Dienst nach wie vor nicht im Einklang mit der EU-Richtlinie von 2003. Außerdem gebe es für die mit der CGFP vereinbarte Homeoffice-Regelung noch immer keine gesetzliche Grundlage.

Unter den etwa 400 Gästen sind an diesem Abend im „Parc Hotel Alvisse“ auch einige Abgeordnete des Parlaments
Unter den etwa 400 Gästen sind an diesem Abend im „Parc Hotel Alvisse“ auch einige Abgeordnete des Parlaments Foto: Editpress/Hervé Montaigu