Soziale GerechtigkeitCaritas fordert Anpassung des „Revis“

Soziale Gerechtigkeit / Caritas fordert Anpassung des „Revis“
Generaldirektor Marc Crochet, Präsidentin Marie-Josée Jacobs und die Verantwortliche der politischen Arbeit, Carole Reckinger Foto: Caritas Luxembourg

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Caritas stellte am Dienstag ihre Ideen dazu vor, wie die soziale Gerechtigkeit in Luxemburg verbessert werden könnte. Zentrales Element dabei ist eine Anpassung des „Einkommens zur sozialen Eingliederung“ (Revis).

Für ihre erste Pressekonferenz des Jahres 2024 wählte die Caritas einen symbolträchtigen Tag: Der 20. Februar ist seit 2009 der Welttag der sozialen Gerechtigkeit. Diese sei die Basis für den Zusammenhalt einer Gesellschaft, rief Carole Reckinger, die politische Beraterin der Organisation, in Erinnerung. Die Caritas begrüße es, dass sich die Regierung die Bekämpfung der Armut zur Priorität gesetzt habe. Ein Schritt in Richtung mehr soziale Gerechtigkeit wäre z.B. eine Anpassung des Revis, lautet der Vorschlag der Caritas.

Reckinger weist auf die Probleme hin, mit denen Revis-Empfänger konfrontiert sind. Ein Beispiel: Bei der Berechnung des Revis wird das Einkommen des ganzen Haushalts berücksichtigt. So kann es sein, dass eine alleinerziehende Mutter ihren Anspruch darauf verliert, wenn der bei ihr lebende Sohn eine Arbeit findet. Die Caritas fordert deshalb eine genauere Definition des Konzepts der „häuslichen Gemeinschaft“, damit das Leben in einer Wohngemeinschaft, bei einer Pflegefamilie oder als junger Erwachsener bei den Eltern nicht das Risiko birgt, sein Recht (oder das der Eltern) auf das Einkommen zur sozialen Eingliederung zu verlieren.  Angesichts der Probleme von Kindern aus solchen Haushalten, der Armutsfalle zu entkommen, seien solche Bestimmungen kontraproduktiv.

Der Anteil der Menschen in Luxemburg, die ihre ihnen zustehenden Sozialhilfen nicht beantragen, sei sehr hoch, u.a. auch weil es etliche administrative Hürden gebe, um sie zu erhalten. Die Verfahren müssten vereinfacht und der Zugang zu den Leistungen automatisiert werden. Die Empfänger müssen besser über ihre Rechte informiert werden. Ein Fallmanager („gestionnaire de cas“), der die Hilfesuchenden durch den gesamten Prozess begleitet, könnte helfen. Die Anzahl an Sozialarbeitern müsste aber erhöht werden.

Bettelverbot

Eine Frage, die jeden am Dienstagmorgen interessierte, war, wie die Caritas zum Bettelverbot stehe. Fand Carole Reckinger den Start der Regierung mit dem Bettelverbot nicht sehr gelungen, so äußerte sich Caritas-Direktor Marc Crochet anfangs noch etwas vorsichtig und sagte, dass die Caritas die Diskussion bedauere. Auf Nachfrage hin wurde er dann deutlicher. „Es kann nicht sein, dass es ein Gesetz gibt, das das verbietet.“ Man wolle sich nicht zu viel dazu äußern, da man nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen wolle, und zudem, weil auch die Caritas selbst keine Lösung für das Problem parat habe.

Crochet erinnerte daran, dass der 20. Februar auch Luxemburgs „Overshoot Day“ ist, d.h. der Tag, an dem das Land seine Ressourcen für das Jahr 2024 eigentlich schon aufgebraucht hat. Er wies auf den Widerspruch hin, dass Luxemburg einerseits zu viel konsumiert, andererseits es aber etliche Menschen gibt, die auch im reichen Luxemburg an der Armutsgrenze oder darunter leben. Die Bettelei sei auch eine der negativen Seiten unseres Lebensstils.

Dieses Jahr möchte sich die Caritas prioritär dem Problem der Kinderarmut widmen. „Kanneraarmut: (k)een Thema?“ ist auch der Titel des Caritas-Forums, das am 22. und am 23. Mai stattfindet (Informationen: www.caritas.lu/caritasforum). Die Caritas-Foren sind die Nachfolger des Sozialalmanachs, der seit 2007 alljährlich zu einem spezifischen Thema erschien – 2021 das letzte Mal.

Spenden in Höhe von 3,3 Millionen Euro

• Finanziert werden die Aktivitäten der Caritas zum großen Teil aus Spenden; 2023 waren es rund 3,3 Millionen Euro. Besonders nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien zeigten sich die Luxemburger großzügig und spendeten 935.000 Euro für die Opfer. Aus Vermächtnissen erhielt die Organisation 82.000 Euro.
• Wie aus dem Aktivitätsbericht 2023 hervorgeht, erhielten rund 24.000 Menschen Hilfe von der Caritas, darunter 3.000, denen zu einer Wohnung verholfen wurde.
•  Die Aufnahmekapazitäten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden voriges Jahr erhöht, u.a. mit der Eröffnung eines Heimes in Bridel für zwölf Personen. Die Caritas betreibt vier solcher Heime, in denen 2023 insgesamt 180 minderjährige Flüchtlinge betreut wurden.
• 5.200 Personen konnten 2023 von den „épiceries sociales“ profitieren, darunter 1.402 Kinder; 1.549 Menschen nutzen die drei „Kleederstuffen“.
• 238 Personen erhielten im Rahmen der Projekte „Inklusion durch Arbeit“ eine Beschäftigung.

Das Positionspapier zum Revis sowie den kompletten Tätigkeitsbericht 2023 finden Sie unter www.caritas.lu/publications