SanemBürgermeister Georges Engel tritt zurück

Sanem / Bürgermeister Georges Engel tritt zurück
Er lässt die Tür einen Spalt geöffnet: Georges Engel, 51, tritt am 10. Juli offiziell als Bürgermeister und als Mitglied des Gemeinderates Sanem zurück. Dass er bei den nächsten Gemeindewahlen nochmals antritt, hält er für unwahrscheinlich – aber nicht für unmöglich. Foto: Editpress/Alain Rischard

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Nach 15 Jahren ist Schluss. In seiner Rede zu Nationalfeiertag kündigt Georges Engel heute Montag seinen Rücktritt als Bürgermeister der Gemeinde Sanem an. Nachfolgerin wird Simone Asselborn-Bintz. Amtsmüde sei er nicht, sagt der 51-Jährige im Tageblatt-Gespräch, aber jetzt sei ein guter Zeitpunkt. Als Bürgermeister hat er den Aufbau des neuen Belval aktiv begleitet. Stolz ist der LSAP-Politiker besonders auf das Kulturzentrum Artikuss und auf die soziale Kohäsion in seiner Gemeinde. Eine Rückkehr in die Gemeindepolitik hält er für unwahrscheinlich, aber nicht für unmöglich.

Tageblatt: Sie treten als Bürgermeister zurück. Nach fast 15 Jahren. Offiziell machen sie das in der Gemeinderatssitzung am 10. Juli. Aber Sie werden es bereits am Montagabend (heute) in Ihrer traditionellen Ansprache zu Nationalfeiertag ankündigen. Warum gerade an dem Abend?

Georges Engel: Das hat sich so ergeben. Weil ich mich wie jedes Jahr beim Fest am Vorabend von Nationalfeiertag an die Bevölkerung der Gemeinde wende, dachte ich, das sei eine gute Gelegenheit, mitzuteilen, dass ich aufhöre. Da dieses Jahr kein Fest zu Nationalfeiertag stattfindet, ist die Ansprache diesmal nur auf den sozialen Netzwerken der Gemeinde zu hören.

Steckt vielleicht unterschwellig noch eine Botschaft drin?

Nein!

Wer übernimmt Ihr Amt?

Simone Asselborn-Bintz, bisher Schöffin und Nächstgewählte auf der LSAP-Liste.

Ihren Rücktritt haben Sie angekündigt, als Sie im Januar dieses Jahres Fraktionschef der LSAP wurden. Warum haben Sie ihn nicht sofort vollzogen?

Ich wollte den Mitgliedern des Schöffen- und Gemeinderates die Gelegenheit geben, sich auf die Situation einzustellen. Da waren auch neue Leute dabei, die sich erst mal einarbeiten mussten. Ich wollte ihnen zur Seite stehen.

Für Ihren Rücktritt war doch auch mal November im Gespräch?

Richtig. Das war ein weiterer Grund, warum ich weitergemacht habe. Ich hatte eigentlich vor, meine 15 Jahre als Bürgermeister vollzumachen und ein schönes Fest zu veranstalten. Das runde Jubiläum wäre am kommenden 11. November gewesen. Da aber nicht sicher ist, ob wir bereits im November wieder größere Feste veranstalten dürfen, nutze ich die Gelegenheit jetzt am Montag.

Sie gehen also nicht, weil Sie die drei Ämter als Bürgermeister, Abgeordneter und Fraktionschef nicht mehr auf die Reihe bekommen haben?

Nein. Wobei ich sagen muss, dass die letzten Wochen in der Politik wegen der Corona-Krise doch anstrengender waren als normalerweise. Ich bin deshalb jetzt auch irgendwie froh, einen Schlussstrich ziehen zu können.

Hört man da nicht doch ein bisschen Amtsmüdigkeit heraus?

Nein, gar nicht. Ich habe noch viele Ideen, die ich mir auch hätte vorstellen können, hier in der Gemeinde umzusetzen. Aber ich denke, dass nach 15 Jahren ein guter Zeitpunkt gekommen ist, um aufzuhören.

Aber an die Substanz geht dieses Amt schon?

Bürgermeister sein ist schön, aber auch anstrengend. Es ist zeitintensiv. Es verlangt Engagement und es bedeutet vor allem auch viel Verantwortung. Zum Beispiel für die 630 Leute, die heute bei der Gemeinde arbeiten. Bei meinem Antritt 2005 waren es 274. Damals lag das Gemeindebudget bei 48 Millionen Euro. Heute sind es132 Millionen. Vor 15 Jahren zählten wir 14.000 Einwohner, heute sind es 17.500. Und es werden bald noch mehr sein.

Was hat sich in diesen 15 Jahren noch in der Gemeinde verändert?

Vor allem haben wir die Gemeindeverwaltung modernisiert und professioneller aufgestellt. Auf allen Ebenen, besonders auch was die hausinterne Kommunikation anbelangt.

Jetzt sitzen wir hier in Ihrem Büro und haben einen beeindruckenden Blick auf das neue Belval. Vor 15 Jahren war da noch nichts.

In der Tat. 2005 stand da drüben noch nichts. Da wohnte niemand, da durfte man noch nicht mal auf das Gelände dieser, wie ich sie nenne, verbotenen Stadt. Genau das war der von der Hüttenpolizei bewachte Industriestandort nämlich, wo auch mein Vater gearbeitet hat. Erst 2006 durfte man hinein.

Mit dem Titel „Mister Belval“ könnten Sie leben?

Stören würde er mich nicht. Denn ich habe mich zumindest sehr eingebracht in dieses ganze Projekt in Belval und begleite es seit Beginn an.

Was hat Sie als Gemeindevater geprägt?

Ganz spezielle Momente waren stets die Hochzeiten und Begräbnisse und der Kontakt zu den Menschen der Gemeinde. Diese normalen Kontakte haben mich geprägt. Gefreut hat mich einerseits der Dank der Menschen, ihre Anerkennung. Geärgert hat mich andererseits aber auch das Unverständnis und die Respektlosigkeit einiger diesem Amt gegenüber.

Seit den Gemeindewahlen 2017 bilden LSAP und CSV eine Koalition. Vorher waren die Grünen Partner der Sozialisten. Mit wem ist es einfacher zu arbeiten?

Diese Frage … (Engel denkt nach, zögert) … ist nicht zu beantworten.

Spielen Parteien auf Gemeindeebene überhaupt noch eine wesentliche Rolle?

Ja, schon.

Die Rolle der LSAP?

Dass wir den Zusammenhalt der Bevölkerung recht gut haben wahren können. Wir haben ein immer noch gut funktionierendes Vereinsleben und ein enges Sozialnetz in der Gemeinde.

Mit welchem Projekt werden die Menschen Georges Engel besonders in Verbindung bringen?

Ich denke, das könnte unser Kulturzentrum Artikuss sein. Damit haben wir uns auf die kulturelle Landkarte setzen können. Zur Zufriedenheit aller, besonders auch der Menschen in der Gemeinde.

Sie sagten vorhin, Sie hätten noch Ideen. Gibt es etwas, das Sie noch gerne gemacht hätten?

Sagen wir so: Wenn ich noch mal von vorne beginnen könnte, würde ich als Gemeinde sofort mehr Bauland und Wohnungen kaufen, um den Markt stärker zu beeinflussen und buntgemischte Viertel zu schaffen. So wie wir das in Belval begonnen haben und wie das in Zukunft unter meiner Nachfolgerin noch ausgebaut werden soll.

Noch ein paar kurze Fragen und kurze Antworten bitte. Georges Engel ist nicht aus der Ruhe zu bringen?

Doch!

Womit?

Wenn jemand etwas anderes macht als das, was er sagt.

Familie bedeutet?

Ruhe und Liebe.

Wegen der Familie geben Sie den Bürgermeisterposten ab?

Nicht unbedingt. Meine Kinder sind erwachsen und meine Frau hat sich damit abgefunden (Engel lacht, dann wirkt er nachdenklich). Ich habe allerdings gemerkt …, besonders der Tod von Camille Gira, der Zusammenbruch von Felix Braz … dann überlegst du und fragst dich: Bist du derjenige, der mit seiner Gesundheit bezahlen muss?

Warum bleiben Sie nicht Mitglied des Gemeinderates?

Das wäre eine Option gewesen, ich denke aber, dass es für meine Nachfolgerin einfacher sein wird, wenn ich nicht mehr dabei bin. Zudem mache ich mit meinem Rücktritt Platz für jüngere Leute. Außerdem ist es mir lieber, die Leute sagen, ach der hätte doch noch etwas bleiben können, statt dass sie sagen, gut, dass der weg ist.

Sie werden also bei den nächsten Gemeindewahlen nicht wieder antreten?

Wahrscheinlich nicht … (Georges Engel denkt nach). Nein, ich werde nicht wieder antreten … außer natürlich, ich würde nicht mehr als Abgeordneter gewählt. (Georges Engel zögert.) Allerdings sind 2023 die Gemeindewahlen im Juni, also vor den Parlamentswahlen im Oktober. Man wird sehen.

Wir behalten zurück, dass sich Georges Engel keine Türen definitiv verschließt, auch wenn er diesen Weg jetzt als ziemlich unwahrscheinlich empfindet. Anderes Thema. Bei rund 17.500 Einwohnern ist es natürlich nicht möglich, jeden zu kennen, aber im großen Ganzen kennen Sie Ihre Bevölkerung?

Ich denke, dass ich, ohne jeden zu kennen, doch ziemlich nahe bei der Bevölkerung bin, auch durch meine Aktivitäten im Vereinsleben.

Erwarten die Menschen eine Frau als Bürgermeisterin?

Ja!

Wann wird das sein?

Am 10. Juli wird meine letzte Gemeinderatssitzung sein. An dem Tag trete ich offiziell zurück. Bei Schulschluss müsste dann alles geregelt sein.

Der Sommer könnte also ein etwas ruhigerer für Sie werden – ohne Pflichten als Bürgermeister?

Ja, ich hoffe doch sehr. Ich freue mich darauf, Sport zu machen, abzuschalten und nicht ständig an die Gemeinde zu denken. Das ist jetzt keine Klage, denn die tägliche Präsenz gehört zum Bürgermeisteramt mit dazu, kann mitunter aber schon ermüdend sein.

Einen guten Rat für Ihre Nachfolgerin?

Simone Asselborn-Bintz soll ihre Natürlichkeit behalten, das wird ihr viele Türen öffnen.

(Lesen Sie auch das Tageblatt-Porträt der Nachfolgerin Simone Asselborn-Bintz)

Georges Engel

Geboren: 7. September 1968 in Differdingen. Beruf: „Assistant d’hygiène sociale“. Hobbys: Musik und Basketball. Seit 1993 Mitglied der LSAP. Seit 1997 Mitglied des Gemeinderates in Sanem. Seit 2005 Bürgermeister (bis 10. Juli 2020). Seit 2012 Abgeordneter. Seit 2020 Chef der zehnköpfigen LSAP-Fraktion im Parlament. 

Jimmy
23. Juni 2020 - 18.50

@Sepp " Die Menschenkenntnis eines 70jährigen hat für mich Vorrang vor irgendeinem Unidiplom." Die Menschenkenntnis eines Mannes der 40 Jahre in einem Hinterzimmer des Steueramts verbracht hat ist nichts wert. Dann lieber eine 30jährige Winzerin.

de Schmatt.
23. Juni 2020 - 16.14

Wenn Sie meinen Kommentar gut gelesen habe, steht nirgends was von einem Unidiplom. Es gibt auch jüngere Leute, die Menschenkenntnisse besitzen oder sich im Laufe ihres Lebens angegeignet haben, genauso wie man bereits 70 jährige mit Altersstarrsinn antreffen kann. Hier geht die Rede von Georges Engel, einem vernünftigen Politiker, der mit 51 Jahren für sich entschieden hat, nach 15 Jahren im Gemeinderat, von seinem Posten frühzeitig zurückzutreten. Bis zum Rentenalter hätte er also noch ein Jahrzehnt im Amt bleiben können. Er klebt eben nicht an seinem Sessel und kann auf die berühmt berüchtigte Schärpe ohne Probleme verzichten. Wozu ein über 70 jähriger ohne Menschenkenntnis und Hochschuldiplom fähig sein kann, beweist jeden Tag auf eine erschreckende Art, der aktuelle US. Präsident. Dabei spielt das Alter in Sachen Kompetenz und Fähigkeiten eines Menschen nicht unbedingt eine grosse Rolle. Es gibt bekannter-und bewiesermassen auch eine Altersdiskriminierung, sowohl nach unten wie nach oben. Nur der Dummheit sind scheinbar keine Grenzen gesetzt.

Sepp
23. Juni 2020 - 1.51

Dann scheinen sie ja gute Erfahrung mit jüngeren Chefs gemacht zu haben. Es gibt auch mir bekannte andere Beispiele. Die Menschenkenntnis eines 70jährigen hat für mich Vorrang vor irgendeinem Unidiplom.

de Schmatt.
22. Juni 2020 - 21.56

Gut, dann hat er eben einer älteren " Nachwuchspolitikerin" eine Chance gegeben, sich zu profilieren. Es wird ja auch noch, hoffentlich dann, ein/e jüngerer/ jüngere Rat/ Rätin den vakanten Posten im Gemeinderat besetzen. :)

Pohunn
22. Juni 2020 - 14.44

@de Schmatt: einer jüngeren? Die Bürgermeisterin in spe ist älter als der künftige Ex-Bürgermeister.

de Schmatt.
22. Juni 2020 - 9.09

Hut ab vor Georges Engel. Mit 51 Jahren und 15 Jahren im Dienste der Gemeinde, einer Jüngeren Platz zu machen, ist vorbildhaft und weitsichtig. Daran könnten sich verschiedene greise Gemeindeväter, die noch mit über 70 an ihrem Sessel kleben, ein Beispiel nehmen. Es gibt eben solche und solche.