Zwischen dem EU-Gipfel Anfang Oktober in Granada und der Europakonferenz an diesem Donnerstag in Berlin liegen nur vier Wochen, aber einige spürbare Schritte, wenn es darum geht, zu einer entscheidungs- und zukunftsfähigeren Europäischen Union zu kommen. „Wir werden“, lautete die Verständigung der Staats- und Regierungschefs als Ergebnis ihrer Beratungen in Spanien, doch sie sagten nicht wann sie für „Reformen sorgen“ und „Wege zu ihrer Verwirklichung festlegen“ wollen. Da war die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ein wenig konkreter. Der Fahrplan für die innere Umgestaltung der EU soll nach ihrer Vorstellung im ersten Halbjahr 2024 festgelegt werden, der Reformprozess selbst dann während der nächsten Legislaturperiode des neugewählten Europa-Parlamentes erfolgen, also von 2024 bis 2029.
Damit ist nun auch aus dem Kreis der Regierungen ein Zeitfenster aufgemacht worden. Zwar wird der deutsche Kanzler Olaf Scholz nicht müde, einen schnellen Beitritt der Westbalkan-Länder zu fordern und im nächsten Satz zu verlangen, dass vorher aber die EU sich selbst erweiterungsbereit machen müsse. Doch bislang kamen alle konkreten Vorstöße einer Bürger-Zukunftskonferenz und des Europäischen Parlaments (EP) bei den Staats- und Regierungschefs aufs Abstellgleis. Bereits im Juni 2022 hatte das EP das Verfahren zur Änderung der EU-Verträge ausgelöst, indem es an den Rat appellierte, „dringend“ einen Konvent zur Überarbeitung der Entscheidungsgrundlagen in den EU-Verträgen einzuberufen. Bislang ohne Fortschritt.
Die Hoffnungen sind seit der Konferenz am Werderschen Markt in Berlin gestiegen. Wie weit sie gegangen war, machte Baerbock mit der Bemerkung klar, hätte ihr Vorgänger vor fünf Jahren eine solche Rede gehalten, hätte er zurücktreten müssen. Baerbock war am Abend noch im Amt. Offenbar kommen im Hintergrund die Reformvorbereitungen allmählich doch in Gang. Nächsten Mittwoch stellt die EU-Kommission ihren Bericht über die Fortschritte der beitrittswilligen Länder bei ihren Reformen vor, Mitte Dezember soll der EU-Gipfel dann die entsprechenden Signale an die Ukraine, Moldawien und den Westbalkan senden. „Wenn die Zahl der EU-Mitglieder um fast ein Drittel anwachsen wird, dann braucht unsere Gemeinschaft eine starke Struktur – vom Keller bis zum Dach“, stellte Baerbock dazu fest.
Viele Jahre bis zur EU-Vollmitgliedschaft
Hinter vorgehaltener Hand erklärt jeder Beteiligte in Brüssel, dass es auch nach einem Start von Beitrittsgesprächen noch sehr viele Jahre bis zur tatsächlichen Vollmitgliedschaft dauern werde. Baerbock will die Jahre der Verhandlungen nicht länger als „ganz oder gar nicht, schwarz oder weiß“ gestalten. Es dürften mit Blick auf die zwei Jahrzehnte, während deren auf dem Balkan schon auf den Beitritt gewartet werde, „nicht noch einmal ganze Generationen ihr Leben im Warteraum der EU verbringen“. Sie verwies auf die Erasmus-Stipendien, mit denen auch schon vor dem Beitritt Studenten aus den Kandidatenländern in der EU studieren könnten. „Genau das wollen und sollten wir ausbauen.“ Etwa bei der Forschungsförderung, bei den Roaminggebühren oder bei den Visaverfahren.
Ein weiterer Vorschlag der Außenministerin: Wo in den Beitrittsverhandlungen die Länder in den Fachgebieten bereits EU-Reife erfüllt hätten, sollten die jeweiligen Fachminister zu den Ratssitzungen nach Brüssel als Beobachter eingeladen und eingebunden werden. Bei den weiteren Vertragsänderungen wandte sie sich auch gegen das Prinzip, dass mit jedem zusätzlichen Mitglied die Zahl der Abgeordneten im Parlament und die Sitze in der Kommission erhöht werden. Hier seien „mutige Entscheidungen“ verlangt, auch von Deutschland selbst, wenn es bereit sein müsse, zeitweise auf einen Kommissar oder eine Kommissarin zu verzichten.
36 Vetos bergen Blockade-Risiko
Der springende Punkt ist immer die Einstimmigkeit. Für Baerbock ist es „einfache politische Mathematik, dass in einer EU mit mehr als 36 Vetos das Blockade-Risiko irgendwann unbeherrschbar wird“. Sie regte an, zu einem Verfahren gelber und roter Karten überzugehen, die Veto-Möglichkeit auf wenige Ausnahmen zu beschränken und jedem Staat die Möglichkeit zu geben, eine weitere Verhandlung zu erreichen, wenn es in seinen Kerninteressen überstimmt zu werden droht.
Ihre Gäste stimmten in Grundsätzen zu. Für den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba war es das Wichtigste, „Frustrationen zu vermeiden“. Der nordmazedonische Außenminister Bujar Osmani wollte bereits vor der Vollmitgliedschaft Zugang zum Binnenmarkt, wenn die Anforderungen an die Rechtsstaatlichkeit erfüllt seien. Bekomme sein Land vor dem Beitritt Mittel aus den Angleichungsfonds, brauche sich die EU auch keine Sorgen um ein Veto zu machen. Wenn es Ziel der EU sei, die Lebensverhältnisse anzugleichen, dürfe es nicht so weitergehen, dass Nordmazedonien pro Kopf 160 Euro EU-Zuschüsse erhalten, Bulgarien und Griechenland nebenan aber 4.700 Euro pro Kopf.
In Brüssel wurde Baerbocks Konferenz mit Skepsis aufgenommen. Das Parlament wolle mit breiter Mehrheit eine grundlegende Überarbeitung der europäischen Verträge, unterstrich der für die EVP federführende Europa-Abgeordnete Sven Simon.
De Maart
@luxmann
Ihre Sache wenn sie die deutsche Außenpolitik katastrophal finden, ich finde sie ganz ok, nicht perfekt, doch welches Land kann das in der heutigen Zeit von sich behaupten.
Frau Baerbock versucht eine Festigung der EU aufzugleisen, ein berechtigtes Anliegen in einer demokratischen Union.
Solange jedoch Einstimmigkeit herrschen muss, blockt Ihr ungarischer Freund oder erpresst die EU, berechtigte blockierte Gelder freizugeben.
So können vernünftige Lösungen innerhalb der EU nicht umgesetzt werden.
Liah
Was Herr Orban mit der katastrophalen aussenpolitik von Frau Baerbock zu tun hat,welche laender in die EU einschleusen will die dort nichts zu suchen haben,leuchtet nicht ein.
@Romain C.
Ja, das ist eine fürchterliche Situation und fast alle Länder haben beim überstürzten Abzug versagt. Wurde auch grandios vom Deal Maker Trump eingefädelt. Gott bewahre, dieser Typ kommt zurück und unsere jetzt noch loyalen amerikanischen Freunde werden seinen Launen ausgesetzt sein.
Weiss nicht wie ein demokratisches Europa dann aussehen wird, die Putin Freunde vielleicht schon.
Frau Baerbock versprach den gefährdeten Afghanen diese schnell aufzunehmen. Die Meisten sind heute noch in Afghanistan und müssen um ihr Leben fürchten! Der Verursacher war wie so oft unser amerikanischer Freund!
Easy Herr Beobachter, nur der Kostenverursacher sitzt in Moskau, ohne seinen Angriff würden diese Kosten nicht auflaufen.
Wer Baerbock nicht toll findet, muss kein Freund von Orban sein! Die europäische Kasse wird ausgeplündert durch die Milliarden an Hilfen an den geliebten Selenskyj der unsere Freiheit sichern will.
@luxmann, Phil, rcz
Ihr könnt Euch doch auf Euren Freund Orban verlassen, er wird ganz in Eurem Sinne sein x-tes Veto einlegen und weiterhin ungeniert die europäische Kasse für seine Freunde leeren.
Krass, solche Verbrecher zu huldigen.
Vielleicht will sie jetzt auch noch Bergkarabach in die EU aufnehmen!?
Die Ukraine gehört nicht in die Nato und nicht in die EU!...
Ist doch sonnenklar... Baerbock will vor allem sich selbst und ihre grüne Denke voranbringen.
Baerbock?
Ausser mist hat diese person noch nichts vorangebracht.
Aber die ukraine und womoeglich bald noch Israel in die EU einschleusen...das sind so die schnapsideen die man da erwarten darf.