RadsportBob Jungels vor seinem Comeback: „Die Diagnose war eine große Erleichterung“

Radsport / Bob Jungels vor seinem Comeback: „Die Diagnose war eine große Erleichterung“
Noch hat Bob Jungels im Trikot von Ag2r-Citroën keine Erfolge feiern können – das soll sich in Zukunft ändern Foto: Yves Perret/www.ypmedias.com

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Nach zwei Operationen, denen sich Bob Jungels wegen einer Endofibrose unterziehen musste, startet der 28-Jährige am Dienstag bei der Tour de Luxembourg. Sein letztes Rennen war die achte Etappe der Tour de Suisse am 13. Juni dieses Jahres. Der Sieger von Liège-Bastogne-Liège 2018 spricht von einer schwierigen Zeit, die er nach den Operationen erlebte – nun will er aber wieder zu alter Stärke zurückfinden. 

Tageblatt: Bob Jungels, am kommenden Dienstag starten Sie nach fast genau drei Monaten wieder bei einem Rennen. Wie haben Sie sich in den vergangenen Wochen gefühlt?

Bob Jungels: Ich bin insgesamt sehr beruhigt. Die Diagnose der Endofibrose war für mich wirklich eine große Erleichterung. Nach der Tour de Suisse haben wir einige Untersuchungen gemacht, da wurde meine Krankheit erkannt. Die Operationen danach liefen gut, ich konnte allerdings acht Wochen keinen Sport machen. Ich bewältigte lediglich den Hin- und Rückweg zur Couch. Einige Wochen nach der Operation habe ich ein „Check-up“ in Belgien gemacht und wir haben gesehen, dass sich alles gut entwickelt. Der Arzt sagte mir, dass ich langsam wieder aufs Rad steigen kann. Ich habe zu Beginn also eine Stunde, vielleicht eine Stunde und 30 Minuten trainiert – das war Anfang August. Es hat sich alles sehr gut angefühlt und nun habe ich große Lust, wieder Rennen zu bestreiten. Auch, wenn ich davor großen Respekt habe. 

Respekt, weil Sie wieder bei null anfangen?

Es hat sich zu Beginn sogar noch schlimmer angefühlt. Man kann das mit dem Saisonende vergleichen: Nach einem Jahr erholt man sich drei oder vier Wochen. Und selbst dann geht man noch laufen und hält ein wenig seinen körperlichen Fitnesszustand. Ich habe allerdings acht Wochen gar keinen Sport gemacht. Als ich das Training aufgenommen habe, war ich nach einer Stunde auf dem Rad sehr müde. Es war weit von dem Fitnesszustand entfernt, den ich kenne. Mittlerweile kann ich fünf bis sechs Stunden fahren, aber die Erholung ist noch nicht dieselbe, wie sie es mal war. Vor drei Tagen habe ich die Intensität ein wenig erhöht. Ich habe mich über zwei bis drei Minuten wirklich verausgabt. Ich wollte das Herz warnen, dass bald ein Rennen ansteht. Aber ich fühle mich gut im Training und auf dem Rad. 

Die Freude, dass Sie zu alter Stärke zurückfinden können, ist sicherlich groß.

Die Diagnose war für mich vor allem die Erklärung für viele schwierige Momente und Probleme, die ich in der Vergangenheit gehabt habe. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn du weißt, dass du die Fähigkeiten hast, ein Rennen zu gewinnen, diese aber nicht voll ausschöpfen kannst. Du kannst keine 100 Prozent geben, kennst aber nicht den Grund dafür. Für mich war die Diagnose eine große Erleichterung. Ich bin froh, wieder bei null anfangen zu können. Als der Doktor mir sagte, dass ich meine Kapazitäten bald zu 100 Prozent ausschöpfen könnte, war ich sehr froh. Das war es, was ich hören wollte. 

Bereuen Sie es ein wenig, dass man diese typische Krankheit für Radfahrer bei Ihnen nicht früher entdeckt hat?

Es wäre sicher besser gewesen, diese Diagnose vor drei Jahren zu bekommen. Aber es war nicht nur eine Frage der Diagnose, denn erst muss der Fahrer die Symptome beschreiben, bevor die Ärzte eine Idee haben können, was nicht stimmt. Für mich war es sehr schwierig, meine Symptome zu beschreiben. Anfang dieses Jahres habe ich nicht gedacht, dass ich eine Gefäßkrankheit hätte. Ich bin nun aber 28 Jahre alt, deswegen ist noch nichts verloren. Ich habe einen Vertrag für nächstes Jahr, das gibt mir zusätzliche Motivation.

Die Tour de Suisse, Ihr letztes Rennen, haben Sie immerhin auf Platz 19 beendet. Denken Sie manchmal zurück und fragen sich, was denn drin gewesen wäre, wenn Sie völlig gesund gewesen wären?

Die Gedanken kommen manchmal auf. Aber das, was in der Vergangenheit war, kann ich nicht mehr ändern. Ich nehme viele positive Dinge aus dieser schwierigen Zeit mit. Ich werde mich nicht um etwas kümmern, das ich sowieso nicht mehr ändern kann. 

Hat die Endofibrose vor allem Ihre Leistungen im Zeitfahren eingeschränkt?

Das Zeitfahren war immer eine Disziplin, die mir sehr gefallen hat und bei der ich vor einigen Jahren auch gute Resultate einfuhr. Die niedrige Position auf dem Rad und damit der kleine Winkel der Beine haben das Problem sicher noch verschlimmert. 

Zum ersten Mal hatten Sie eine ernstzunehmende Verletzung. Wie sind Sie damit umgegangen?

Meine ganze Karriere verlief in einer stetigen Entwicklung nach oben. Jetzt hatte ich schwere Momente, das musste ich erst mal verkraften. Ich habe einiges über mich und meinen Charakter gelernt. Ich hatte zum ersten Mal richtige Sorgen in meinem Leben und ich wusste nicht, was ich habe – das war schlimm. Ich sehe die letzten Jahre aber nicht als verloren an, sondern blicke auf die schönen Momente zurück. 

Nun geben Sie Ihr Comeback in der Heimat. Eine runde Sache, oder?

Ich denke, dass es in diesem Jahr eine sehr schöne Tour de Luxembourg wird. Für die Organisatoren und für das Land. Für mich wird es aber sehr kompliziert, es gibt kaum flache Etappen und der Parcours ist doch schwer. Das ist aber wiederum gut für die Mannschaft, weil die mit Benoît Cosnefroy, der eine super Form hat, Clément Champoussin und Ben O’Connor sehr gut aufgestellt ist. Mein persönliches Ziel ist, nach der fünften Etappe in Luxemburg über die Ziellinie zu fahren. Ich bin weit entfernt von einem Fitnesszustand, der mir ein gutes Ergebnis einbringen könnte. Ich will Vertrauen zurückgewinnen und meinen Teamkollegen helfen – auch mit meinen Kenntnissen der Straßen hier. 

Verstehen Sie, dass die Leute in Luxemburg dennoch etwas von Ihnen erwarten?

Ich bin sehr froh, nach meinen Problemen hier zu starten. Ich weiß, dass es gerade hier in Luxemburg immer Erwartungen gibt. Selbst nach diesem Interview, in dem ich klar sage, dass ich keine persönlichen Ambitionen habe, wird es Erwartungen geben. Ich weiß aber, dass es unmöglich ist, ein Ergebnis einzufahren. Ich hoffe aber trotzdem, dass die Leute verstehen, was ich sage. 

Was planen Sie nach der Luxemburg-Rundfahrt?

Nach der Tour de Luxembourg haben wir nur einen Platz für die Weltmeisterschaft. Deswegen kommt das Rennen nicht infrage. Ich habe mir danach die Klassiker in Italien in den Kopf gesetzt, mit der abschließenden Lombardei-Rundfahrt. Wenn ich dort über die Ziellinie fahren würde, wäre es ein kleiner Sieg für dieses Jahr. 

Wie sieht Ihr Plan für die Zukunft aus?

Ich denke, dass ich im nächsten Jahr ähnliche Pläne und Ziele wie in diesem Jahr haben werde. Ich werde mich also auf Etappenrennen über eine Woche konzentrieren. Ich muss dann sehen, wie es läuft. Sehen, ob der Leistungsunterschied ohne die Endofibrose wirklich so groß ist. Vielleicht gibt es dann die Option, noch mal eine große Rundfahrt zu bestreiten.