EditorialBettelverbot: Staatsanwalt Georges Oswald spricht Klartext

Editorial / Bettelverbot: Staatsanwalt Georges Oswald spricht Klartext
Das Bettelverbot ist ein Unding Foto: artfocus – stock.adobe.com

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Das Bettelverbot in Luxemburg ist ein Unding. Reaktionen aus Politik und Gesellschaft zeigen dies. Es ist das Produkt politischer Machenschaften zwischen CSV und DP. Minister Gloden (CSV) und Hauptstadtbürgermeisterin Polfer (DP) sind dabei die Hauptverantwortlichen. Das Verbot wirkt unausgegoren und streut den Bürgern Sand in die Augen. Bei RTL Radio Lëtzebuerg gibt Staatsanwalt Georges Oswald zu verstehen, dass sich das Verbot auf juristisch sehr dünnem Eis bewegt. Seine Aussagen am Mittwochmorgen waren eine glatte Ohrfeige für alle involvierten politischen Verantwortlichen.  

Die Worte des Staatsanwalts waren an Deutlichkeit nicht zu übertreffen. Unter der Hauptkategorie „News“ war er am Mittwochnachmittag bei rtl.lu nicht mehr zu finden. Unter der Rubrik „National“ war er dann da. Der interessierte Leser musste scrollen. Glatteis dominierte. Oswald rutschte nach unten. Dabei sind seine Aussagen mehr als nur Glatteis für die politischen Entscheidungsträger. Eigentlich erscheinen sie als rote Karte. Als No-Go!

Das einfache Betteln sei laut „Code pénal“ seit 2008 keine Straftat mehr. Das kann man aus den Aussagen des Staatsanwaltes zurückbehalten. Die damalige Entscheidung sei vielleicht nicht vollumfänglich wissentlich getroffen worden, trotzdem bestehe sie und es sei auch nie versucht worden, sie in irgendeiner Weise rückgängig zu machen, sagt Oswald. Daraus darf man schließen, dass diese Regelung weder der damaligen CSV-LSAP-Regierung wichtig war noch der darauf folgenden Gambia-Koalition. Seit 2008 bis heute müssten sich Richter also an das halten, was damals entschieden wurde, gibt Oswald zu verstehen. Daraus würde sich ergeben, dass Richter dementsprechend entscheiden.

In anderen Worten bedeutet dies, dass das Reglement, das Bürgermeisterin Polfer und der Erste Schöffe Wilmes (CSV) beschlossen haben und welches von Minister Gloden abgesegnet wurde, nicht gesetzlich abgesichert ist. Eine Straftat muss per Gesetz geregelt sein, so Oswald. Die Hauptstadt hat nun anders entschieden. Sie hat sich damit nicht zuletzt auch gegen die neue Verfassung entschieden. Diese sieht nämlich vor, dass gewisse Freiheiten der Bürger, und dazu gehört auch das Betteln, nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden können.

Dass sich nun auf ein Reglement von 1789 berufen werde, um juristische Absicherung zu haben, findet Oswald skurril. Seine Wortwahl könnte man auch mit Blödsinn übersetzen. Wenn heute also Polizisten das Betteln ahnden sollen, kann das vergebliche Liebesmüh sein. Welches Gericht ist dann eigentlich zuständig für einen Verstoß gegen das Bettelverbot?

Letztendlich bleibt das Problem, welches Polfer eigentlich angehen wollte, nämlich die organisierte Bettelei, inklusive möglichen Menschenhandels, ungelöst. Das Bettelverbot, das nun beschlossen wurde, sei das falsche Instrument, um etwas Richtiges zu erreichen, so kann man Oswald verstehen. 

Lydie Polfer und Léon Gloden sind übers Ziel hinausgeschossen oder haben vielleicht das Ziel nicht genau definiert. Beides wäre schade für die erfahrenen Politiker und Juristen. Ja, Fehler können unter Umständen passieren. Allerdings gehört es in normalen zivilisierten Gesellschaftskreisen dazu, dass man einen Fehler anerkennt und es besser macht. Bei Polfer, Gloden und allen anderen Freunden des Verbots sieht es bis heute nicht danach aus. 

benschul
27. Januar 2024 - 11.55

Miette. Dann sind wir zumindest 2 die sich wegen der Politiker in unserem Land schämen. Ich glaube aber, dass noch viele uns zur Seite stehen.

Miette
21. Januar 2024 - 23.10

Es kann uns nicht verboten werden, einem Menschen auf der Straße Nahrung, Kaffee/Tee oder warme Kleidung usw.zu schenken. Wer diese Gaben nicht annimmt sondern Geld fordert, da besser nichts geben. Was das allgemeine Bettelverbot angeht, da schäme ich mich Luxemburgerin zu sein.

Bréimer
21. Januar 2024 - 9.35

Jetzt müssen die Bettler weiter betteln um ihre Strafanzeigen bezahlen zu können. Ein Teufelskreis.

liah1elin2
19. Januar 2024 - 17.48

@Leila Doch, ich weiss das auch und kenne diese Strukturen ziemlich gut. Habe in der Schweiz viele Jahre nebenbei ehrenamtlich in Asyleinrichtungen gearbeitet und auch dort waren die Clans aktiv. Und mir ist klar, dass Sie diese Auswüchse nicht in Luxemburg sehen wollen. Wäre es also nicht die Aufgabe unserer Regierung, unsere Bedürftigen von der Strasse zu holen? Wissen Sie von solchen Anstrengungen? Wenn ja, dann wäre ja nur noch die organisierte Bettelei auf der Strasse. Der Entscheid des Innenministers war eben nicht zwingend notwendig und zeugte von einer ganz schlechten Vorbereitung, sowie Unkenntnis der Probleme.

Leila
19. Januar 2024 - 0.09

liah1elin2, Ich weiß nicht, ob Sie's nicht sehen wollen, denn wir "reden" aneinander vorbei! Ich spreche von denen, die an die osteuropäischen Clan-Bosse abdrücken und vor denen die anderen geschützt werden müssen. Solange die Bosse dank ihrer bedauernswerten Sklaven (nichts anderes sind sie) ihren aufwändigen Lebensstil aus den reichen Ländern finanziert bekommen durch unser (falsches) Mitleid, blüht der Menschenhandel! Und die, die glauben, sie helfen mit ihrem Scherflein den wirklich Aermsten der Armen, machen sich so mitschuldig am Elend dieser Bettler, denn er darf das erbettelte Geld nicht behalten! Diese Leute sind so arm, dass man sich mal die Frage stellen muss, wie sie von ihrer Heimat hergekommen sind. Bestimmt nicht perpedes, per Anhalter oder gar mit dem Zug, also müssen sie ihre Schulden bei ihren "Gönnern", die sie herbrachten, abarbeiten! Hinzu kommen tägliche "Wohnkosten, Essen für sie und ihr Werkzeug, dem Hund". Sie kommen nie aus ihrer Schuldenspirale, zurück zu ihren Familien können sie nicht ohne Geld. Diese Hölle durchleben sie dank unserer Hilfe, indem wir geben und so unser Gewissen beruhigen? Glasklar der falsche Weg!

dmp
18. Januar 2024 - 22.01

@wer auch immer am 18.1.2024 um 14:33 Uhr auf meinen obigen Beitrag "reagierte": Alt und bärtig bin ich selber. Und ich wurde auch bereits von dem einen oder anderen Bettler bedrängt. Erstens jedoch sind dies überwiegend aggressiv Bettelnde gewesen, die dies zweifelsohne organisiert betreiben. Und zweitens wurde ich auch schon dann und wann von anderen Menschen bedrängt, also Nicht-Bettlern, sondern unorganisierte „Normalbürger“. Vielleicht sollte man dem ebenfalls mit einer Gesetzesinitiative entgegentreten? Klingt lächerlich? Eben! Ihre Ferndiagnose von wegen grün ist übrigens knapp daneben. Ich sympathisiere mit keiner Partei und gehöre konsequenterweise auch keiner Partei an. Bin bloß ein einfacher Humanist.

benschul
18. Januar 2024 - 20.17

Endlich mal jemand der unseren National-Rambo bei seinem blinden Aktionismus bremsen will und bestimmt auf Grund seiner Stellung auch kann. Wer politisch nicht bereit ist, die Armut insgesamt zu bekämpfen, die sich nicht nur auf den Straßen deutlich macht, sondern hinter vielen ärmlichen Vorhängen, der ist es nicht würdig sich Innenminister zu nennen. Seine Parteimitglieder sollten sich was schämen, so weit von Ihrem Idol, dem Christus abgerückt zu sein, der sich früher unter die Bettler mischte um sie zu ernähren.

liah1elin2
18. Januar 2024 - 19.38

@Leila Richtig, das Bundesgericht hat mit Urteil vom März 23 präzisiert, dass Leute aus EFTA und EU Staaten, die nur zum betteln kommen, die Einreisebedingungen nicht erfüllen. Bettler werden wir aufgrund der schieren Not dieser Menschen immer sehen, Verbote helfen nicht. Deshalb haben Städte wie Zürich ihre Hilfen schon vor Jahren ausgebaut. Alle Quartiere in Zürich sind Geschäftsviertel, ausgenommen der reinen Wohngegenden. Meine Tochter wohnt in einem lebhaften Wohn-und Geschäftsviertel mit vielen Läden und Bettler sind auf dem Quartierplatz anzutreffen. Ärger gibt's praktisch nie, es besteht ein gutes Einvernehmen zwischen Anwohnern, Läden und diesen Leuten. Repression ist nie die Lösung.

Leila
18. Januar 2024 - 15.24

Wie Sie schreiben, liah1elin2: in gewissen Quartiers... und die gehören sicherlich nicht zu den Geschäftsvierteln! Anders, als von Ihnen dargestellt, ist Betteln in der Schweiz verboten: "Wer in der Schweiz ist, um zu betteln, darf nicht bleiben. Das ist, etwas verkürzt, ein Urteil des Bundesgerichts vom März 2023". Alles nachzulesen, besonders aussagekräftig auch die Kommentare bei "Häsch mer en Stutz?" Wir wissen alle, dass es auch hier Armut gibt und man da helfen muss (und es auch gerne tut), aber den Betteltouristen muss Einhalt geboten werden, sonst werden wir, ihr Schlaraffenland, überschwemmt und die eigenen Leute können zusehen, wo sie bleiben, für sie bleibt dann kaum mehr etwas übrig.

@dmp
18. Januar 2024 - 14.33

Jetzt haben Sie aber schönen rot grünen Dampf abgelassen. Hoffentlich läuft der alte bärtige grantige Bettler euch auch einmal brüllen durch die Groussgass hinterher.

dmp
18. Januar 2024 - 14.04

Das Bettelverbot kann als politischen Aktionismus betrachtet werden, vor allem aus "Rücksicht" auf "rechte" Wähler, die man nicht alleine der ADR überlassen möchte. Dass eine solche Strategie des Fischens in rechten Gewässern nach hinten losgeht, sieht man am Gebaren deutscher konservativer Politiker, die selber in großem Maße Wählerstimmen einbüßen, aber der rechten AfD zu immer neuen Höhenflügen verhilft. Gloden ist auf dem besten Weg, den luxemburgischen Söder, Merz oder Spahn zu geben. Und Lydie Polver sollte sich nicht weiter aus dem Fenster lehnen, wenn sie sich nicht irgendwann mit einer weidelschen Rhetorik ertappen lassen möchte, denn rechts(konservative) Rhetorik wird erst zur Normalität, dann zu einem Selbstläufer. Und auf einmal fragt der/die eine(r) oder andere(r) sich, wieso er/sie eine andere Sprache spricht als vor einigen Jahren noch. Es ist ein Armutszeugnis, dass Ahnungslosigkeit und Inkompetenz einer Lösung zum "echten" Problem mit bandenmäßigem und kriminellem Betteln zu politischen Entscheidungen führt, die den rechten politischen Rand stärken. Das Bettelverbot ist eine Wahlkampagne für die ADR.

liah1elin2
18. Januar 2024 - 13.01

@JJ bin auch gerade in meiner alten Heimat Zürich. Die Stadt wird seit ca 25 Jahren links/grün regiert, hat sehr früh Auffangstrukturen geschaffen und auch private Organisationen sind beliebte Anlaufstellen. In gewissen Quartieren sind Bettler anzutreffen, werden nicht verjagt, sogar das lokale Gewerbe schaut nach ihnen. Meine Tochter ist Lehrerin und lebt in einem solchen Quartier und unterstützt die lokalen Hilfen. Der Weg dorthin war aber lang und kam auch aus der Erkenntnis, dass Repression kein guter Ratgeber ist.

Nomi
18. Januar 2024 - 12.53

Wann den Sozialstaat misst eleng vun den Pai'en vun den Sozi-Unhaenger finanzei'ert ginn, geifen d'Sozien och hir Meenung aenneren !

Leila
18. Januar 2024 - 11.40

Die Lage hat sich tatsächlich negativ verändert: Unbestritten leiden unsere "Strummerten" unter den "Tagestouristen", werden frech verdrängt und müssen ungewollt teilen. Und hier muss unterschieden werden!

JJ
18. Januar 2024 - 9.35

"..es sei auch nie versucht worden, sie in irgendeiner Weise rückgängig zu machen, sagt Oswald. Daraus darf man schließen, dass diese Regelung weder der damaligen CSV-LSAP-Regierung wichtig war .." Und genau da liegt der Hund begraben. Die Situation hat sich geändert. Damals war die Szene noch übersichtlich,Anpöbelungen kannte man nicht,es gab keine "Bandenorganisationen" aus dem Osten usw. Wie auf dem Bild gezeigt gab es keine Tiere oder gar Kleinkinder die das Herz der Passanten aufweichen mussten und dafür Stunden lang in der Kälte ausharren. Vor der Sparkasse im Bahnhofsviertel liegen leere Dosen und volle Landstreicher.Ist es das was wir wollen? War gestern durch Zürich.Nicht ein (1) Bettler zu sehen. Wie machen die das?

Grober J-P.
18. Januar 2024 - 9.09

Alles für die Katz, keine finanzielle Unterstützung seitens der Bettler zu erwarten, herrlich. 250 €, Kinkerlitzchen für eine Nichtstraftat, ist der Aufhänger für künftige Büttenreden. Kann man einen Antrag auf Bescheinigung für einfache Bettelei beantragen, als Einheimischer? Der Hund vom Nachbarn kann das, das einfache Betteln.