EU-ParlamentBetrugsbekämpfung in „Rekordtempo“ – Erste Bilanz der EU-Generalstaatsanwältin

EU-Parlament / Betrugsbekämpfung in „Rekordtempo“ – Erste Bilanz der EU-Generalstaatsanwältin
Die europäische Generalstaatsanwältin Laura Kövesi präsentierte gestern den ersten Jahresbericht ihrer Behörde im EU-Parlament Foto: European Union 2022 – Source: EP

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Die Europäische Generalstaatsanwältin Laura Kövesi hat gestern vor zwei Ausschüssen des Europäischen Parlaments (EP) den ersten Jahresbericht ihrer Behörde vorgestellt und dabei auf einige Mängel hingewiesen, die zum guten Funktionieren der EU-Staatsanwaltschaft behoben werden müssten.

Im Juni vergangenen Jahres hat die in Luxemburg auf Kirchberg ansässige Europäische Staatsanwaltschaft ihre Arbeit aufgenommen und ist bis Ende des Jahres bereits 2.832 Berichten über Straftaten nachgegangen. „Wir haben in einem Rekordtempo die Ermittlungen aufgenommen“, meinte die Chefin der neuen Strafverfolgungsbehörde in der EU gestern in Brüssel, wo sie den Bericht für das Jahr 2021 vor zwei EP-Ausschüssen vorstellte. Seit dem 1. Juni vorigen Jahres wurden demnach 576 Untersuchungen eröffnet, mit dem Stichdatum vom 31. Dezember 2021 wurden noch 515 aktive Untersuchungen verzeichnet.

Die Europäische Staatsanwaltschaft wurde geschaffen, um die finanziellen Interessen der EU zu verteidigen. Das bedeutet, dass sie Fällen von Betrug im Zusammenhang mit EU-Geldern nachgeht, sobald diese eine Summe von 10.000 Euro übersteigen. In Fällen von grenzüberschreitendem Mehrwertsteuerbetrug sind sie ab einer Schadenssumme von zehn Millionen Euro zuständig. Allerdings haben nicht alle 27 EU-Staaten die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft akzeptiert. Fünf Mitgliedstaaten machen nicht mit: Polen, Ungarn, Irland, Dänemark und Schweden. Sie erkennen die EPPO (European Public Prosecutor’s Office) nicht an, können aber eine Arbeitsübereinkunft mit der Behörde eingehen, wie es Ungarn bereits getan hat und Dänemark möglicherweise bald tun wird. Dennoch werden die nichtbeteiligten Mitgliedstaaten auf Betrugsfälle hingewiesen, was etwa im Falle Polens im Berichtszeitraum 23-mal geschehen sei, wie Laura Kövesi gestern erklärte. Ohne dass jedoch darauf reagiert worden sei.

Bei den aktiven Untersuchungen geht es dem Bericht zufolge um eine geschätzte Schadenssumme von insgesamt 5,4 Milliarden Euro. Davon seien bereits 147,3 Millionen Euro eingezogen worden, was das Dreifache des Jahresbudgets der Europäischen Staatsanwaltschaft ausmache, wie im Bericht betont wird. Auf die Frage, warum erst eine vergleichsweise geringe Summe beschlagnahmt oder eingezogen worden sei, wies die Generalstaatsanwältin darauf hin, dass der größte Teil der geschätzten Schadenssumme aus sogenannten Karussellbetrugsgeschäften stammten, die grenzüberschreitend mit vielen Beteiligten stattfänden und daher kompliziert zu untersuchen seien.

Mangelnde Aufdeckung von Fällen in einigen Staaten

Die Strafverfolgungsbehörde muss sich bei ihrer Arbeit allerdings mit einem mangelhaften Regelwerk herumschlagen, das einer Überarbeitung bedürfe, wie die Behördenchefin gestern darlegte. Die Rechtslage sei „sehr schwierig“ und müsste „vereinfacht werden“. Gewisse Bereiche seien nicht gut geregelt, da die beteiligten EU-Staaten für diese keinen Konsens finden konnten. Zudem sei die Behörde mit 22 unterschiedlichen Rechtssystemen konfrontiert, was dazu führe, dass sie in einigen Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit ausüben könnte, in anderen nicht. „Wir können so keine wirksame Aufklärung betreiben“, bedauert Laura Kövesi.

Zudem gibt es Probleme mit den Beschäftigungsverhältnissen, etwa der von den beteiligten Staaten entsandten Staatsanwälten. Diese erhielten zwar ihr Gehalt vom EPPO, die soziale Absicherung aber werde von den Mitgliedstaaten finanziert, weshalb die Behördenchefin sie nicht als vollständig unabhängig erachtet. Ein Problem gebe es ebenfalls mit dem Rotationsprinzip der Staatsanwälte, die zwar regulär nur sechs Jahre bei EPPO arbeiten dürften, aber nur alle drei Jahre zu einem Drittel ausgetauscht werden sollten. Zudem hätten Justizbeamte, Experten und andere, die dem EPPO zuarbeiten würden, keinen Zugang zum Computersystem der Behörde, da sie dieser nicht angehörten.

Ein anderes Problem, das die Generalstaatsanwältin ansprach, ist die Aufdeckung von Fällen, was von Land zu Land stark variiere. Sie führte das unter anderem darauf zurück, dass in einigen Ländern „die Instrumente“ fehlen, um Betrugsfälle aufzudecken. Oder einige Staaten einfach ihre Arbeit nicht tun würden. „Organisierte Gruppen lieben es, in solchen Ländern zu arbeiten“, kommentierte Laura Kövesi diesen Umstand, da das Risiko, entdeckt zu werden, in diesen Ländern gering sei. Den Schaden jedoch haben die europäischen Steuerzahler zu tragen.