ESA-TagungBelgo-Luxemburger nimmt Kurs aufs All – Raphaël Liégeois für Astronautenklasse 2022 nominiert

ESA-Tagung / Belgo-Luxemburger nimmt Kurs aufs All – Raphaël Liégeois für Astronautenklasse 2022 nominiert
Der belgisch-luxemburgische Astronaut Raphaël Liégeois (links) ist zum Teil in Differdingen aufgewachsen Foto: Eric Lalmand/BELGA/dpa

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Fliegt bald der erste Luxemburger ins All? Mit Raphaël Liégeois hat die European Space Agency (ESA) am Mittwoch in Paris den ersten Astronauten mit Luxemburger Staatsangehörigkeit nominiert. Der Wissenschaftler von der Universität Genf wird zwar unter belgischer Flagge fliegen, ist zum Teil aber in Differdingen aufgewachsen und besitzt seit einigen Jahren auch den Luxemburger Pass.

Dass Luxemburg neuerdings auch eine Weltraummacht ist, hat ESA-Direktor Josef Aschbacher bereits im Mai dieses Jahres bei der Space Resources Week bestätigt. Das Großherzogtum ist seit wenigen Jahren ein respektierte Partner in Sachen Weltraumwirtschaft, mit Virgin Orbit wurde jüngst noch eine Vereinbarung zum Bau eines Weltraumflughafens getroffen. Fehlt eigentlich nur noch der erste Luxemburger im All.

Mit Raphaël Liégeois ist das Großherzogtum auch diesem Meilenstein nun einen gewaltigen Schritt näher gekommen. Der Neurowissenschaftler von der Universität Genf wurde am Mittwoch beim ESA-Treffen in Paris als Mitglied der neuen Astronautenklasse vorgestellt. Der 34-jährige Forscher wurde zwar von der belgischen Weltraumagentur nominiert und wird demnach auch unter belgischer Flagge ins All starten, allerdings besitzt Liégeois die doppelte Staatsbürgerschaft, wie eine Sprecherin der Luxembourg Space Agency (LSA) dem Tageblatt bestätigte.

Tatsächlich ist Liégeois zum Teil in Differdingen aufgewachsen, wo seine Eltern seit der Jahrtausendwende wohnen. Der Wissenschaftler hat einen Doktortitel in Neurowissenschaften von der Université de Liège und war bis zuletzt als Forschungs- und Lehrbeauftragter an der Universität von Genf tätig. Seit 2018 hat der 34-Jährige auch einen Luxemburger Pass.

„Außergewöhnlich“ und „phantastisch“

„Das ist eine außergewöhnliche Nachricht“, unterstrich Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) in einer ersten Reaktion gegenüber dem Tageblatt. Natürlich sei es in erster Linie der Verdienst der belgischen Nachbarn, die in den letzten Jahren viel ins eigene Weltraumprogramm investiert hätten. Doch auch wenn Liégeois in erster Linie unter belgischer Flagge agieren werde, sei er natürlich auch für Luxemburg ein wichtiger Botschafter. „Er ist schließlich in Luxemburg aufgewachsen und ist hier zur Schule gegangen. Deswegen ist es für uns ein wichtiges Signal, dass mit Raphaël Liégeois womöglich ein Astronaut ins All fliegt, der die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt“, so der Minister.

So sei es zum einen ein schönes Symbol für die gute Zusammenarbeit zwischen Luxemburg und Belgien, und das nicht nur in der Weltraumbranche. „Zum anderen zeichnet es auch ein schönes Bild von Europa, wenn die ESA einen Astronauten nominiert, der gleich zwei europäische Staatsbürgerschaften hat“, betonte Fayot.

„Das ist eine schöne Überraschung“, freute sich auch LSA-Direktor Marc Serres. Zwar habe zunächst auch in Luxemburg großes Interesse am ursprünglichen Kandidaten-Aufruf der ESA (siehe Kasten) bestanden, doch wirklich Hoffnungen auf eine Nominierung habe man sich auf Seiten der Luxemburger Weltraumagentur bis zuletzt nicht gemacht. „Wir freuen uns aber auch über diese Entscheidung. Das ist doch fantastisch: Raphaël Liégeois kommt einem Luxemburger Astronauten am nächsten“, so Serres. Auch wenn der 34-Jährige im Astronautenkorps als Belgier agiere, so habe er doch Verbindungen zum Großherzogtum. „Und ich glaube auch nicht, dass er diese ignorieren wird.“

Es sei dies global betrachtet eine einmalige Chance, so Serres. „Die Menschheit ist seit jeher vom All fasziniert. Unsere Hoffnung ist es, mit dieser Nominierung jüngere Generationen inspirieren zu können. Vor allem, was technische und wissenschaftliche Karrieren angeht.“ Ähnlich sah es auch Franz Fayot. „Das ist ein toller Boost für Karrieren im Weltraumbereich. Vielleicht fühlen sich jetzt mehr junge Menschen in Luxemburg dazu angespornt, diese Richtung einzuschlagen. Diese Berufe werden in Zukunft immer wichtiger“, so der Minister.

Das Auswahlverfahren

Die Europäische Weltraumagentur ESA will eine neue Generation von Astronauten ins Weltall bringen und ihr Wissen an diese weitergeben. So konnte man zwischen dem 31. März und dem 28. Mai bei der Agentur eine Bewerbung einreichen. Das letzte Mal hat die ESA einen solchen Aufruf vor über elf Jahren gestartet.

Wie bei einer herkömmlichen Jobbewerbung mussten die Aspiranten ihrer Kandidatur einen Bewerbungsbrief, einen Lebenslauf und eine Kopie ihres Ausweises beilegen. Darüber hinaus verlangte die ESA aber auch ein spezielles Gesundheitszertifikat (European Part-MED, Class 2), das nur von einem flugmedizinischen Sachverständigen ausgestellt werden kann, sowie das Ausfüllen eines Online-Fragebogens.

Die weiteren Anforderungen sind hoch: So müssen die Kandidaten mindestens einen Masterabschluss in einem relevanten Feld wie Physik, Mathematik, Computerwissenschaften, Medizin oder Ingenieurwissenschaften haben. Jeder weitere Master- oder Doktortitel ist von Vorteil. Außerdem müssen die künftigen Astronauten noch Teamwork, Fachwissen und eine hohe Stressresistenz unter Beweis stellen.

Neben den mentalen und fachlichen Kompetenzen setzt die ESA auch einige körperliche Bedingungen voraus: Bewerber sollen zwischen 1,50 und 1,90 Meter groß sein, einen BMI besitzen, der einem „normalen Gewicht“ entspricht, wie es die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation vorsehen. Zudem benötigen die Astronauten eine Sehschärfe, die den Anforderungen für Privatpiloten entspricht, und ein Hörvermögen von 25dB oder mehr pro Ohr.

Nach Abschluss des sechsstufigen Auswahlverfahrens wurden schlussendlich fünf sogenannte Karriere-Astronauten, elf Reserve-Astronauten und ein sogenannter Para-Astronaut zurückbehalten. Insgesamt gingen bei der ESA 22.523 Bewerbungen ein. Die meisten davon stammten aus Frankreich (7.087), gefolgt von Deutschland (3.695) und dem Vereinigten Königreich (2.000). In Luxemburg hatten sich in einer ersten Phase 64 Kandidaten gemeldet. Sechs davon wurden zur zweiten Phase eingeladen – mit 530 Frauen und 831 Männern aus den anderen 21 Mitgliedstaaten. (WiR)

Einer von 23.000

Raphaël Liégeois ist nun Mitglied einer fünfköpfigen Astronautengruppe, die in den letzten 18 Monaten unter fast 23.000 Bewerbern ausgewählt wurden. Sie treten die Nachfolge der aktuellen Generation an, zu der auch der Saarländer Matthias Maurer zählt, der vor kurzem noch in Luxemburg weilte und im Mai dieses Jahres nach 176 Tagen an Bord der International Space Station (ISS) wieder wohlbehütet auf der Erde gelandet ist. Die künftigen Astronauten werden ab kommenden Jahr im Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln ausgebildet. Neben Liégeois sind auch die Französin Sophie Adenot, die Britin Rosemary Coogan, der Spanier Pablo Álvarez Fernández und der Schweizer Marco Alain Sieber für künftige Missionen auf der ISS vorgesehen.

Die ESA unterscheidet zwischen sogenannten Karriere-Astronauten und Reserve-Astronauten. „Alle sind sie vollwertige Astronauten“, so ESA-Direktor Aschbacher. „Da uns aber keine 20 Flüge zur Verfügung stehen, mussten wir eine schwere Entscheidung treffen und uns auf eine erste Vorauswahl einigen.“ Die Gruppe der Reserve-Astronauten umfasst sechs Frauen und sechs Männer, die bei einem Ausfall oder bei späteren Missionen zum Zuge kommen werden. Mitglied dieser Gruppe ist erstmals auch der sogenannte Para-Astronaut John McFall. Der Brite hat eine körperliche Behinderung, soll damit aber auf einen Flug in den Weltraum vorbereitet werden.

Liégeois hat in einer ersten Reaktion vor Ort von einer „außergewöhnlichen Erfahrung“ gesprochen. Der Auswahlprozess sei mit 18 Monaten recht lang gewesen und zum Teil auch sehr anspruchsvoll. Er freue sich aber über die Nominierung, so der Neurowissenschaftler, der sich bei der Präsentation in Paris als belgischer Staatsbürger mit einem Background in biomedizinischer Technik und einem Doktortitel in Neurowissenschaften vorstellte.

Die ESA hat in Paris 17 neue Astronauten vorgestellt. Dabei wurde die Parität mit acht Frauen fast ganz berücksichtigt.
Die ESA hat in Paris 17 neue Astronauten vorgestellt. Dabei wurde die Parität mit acht Frauen fast ganz berücksichtigt. Foto: Eric Lalmand/BELGA/dpa

Zur Person

Raphaël Liégeois wird 1988 in Belgien geboren. Im Alter von zwölf Jahren zieht er mit seinen Eltern nach Differdingen, wo Teile seiner Familie heute noch wohnen. Laut Angaben der ESA spricht er Französisch, Englisch und Niederländisch.

Von 2005 bis 2011 ist Liégeois an der Université de Liège eingeschrieben, wo er zunächst biomedizinische Technik studiert. Gleichzeitig macht er einen Abschluss als „Ingénieur centralien“ an der Ecole Centrale de Paris im Jahr 2009 und absolviert seinen Master in Physik an der Université Paris-Sud Orsay im Jahr 2010. Während dieser Zeit nimmt der Wissenschaftler an Experimenten der französischen Weltraumagentur CNES teil. Anschließend widmet sich Liégeois seinem Doktorat in Neurowissenschaften an der Université de Liège, wo er u.a. mathematische Modelle der Gehirnfunktionen entwirft und 2015 schließlich promoviert.

Zwischen 2015 und 2017 ist der junge Wissenschaftler als Forscher an der National University of Singapore tätig, bevor er als Forschungsbeauftragter an die Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne wechselt. In dieser Zeit ist Liégeois auch einige Monate lang als Forscher an der renommierten Stanford University in den USA beschäftigt. 2021 unterschreibt der heute 34-Jährige einen Vertrag als Forschungs- und Lehrbeauftragter an der Universität Genf. Er bleibt aber auch der Ecole Polytechnique Fédérale in Lausanne erhalten. Seine Forschungsprojekte werden in dieser Zeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Privat fliegt Liégeois gerne mit Heißluft- und Gasballons. Er hat auch eine Lizenz für Gleitflugzeuge sowie Tauch- und Segelscheine. 2017 gönnt sich der Belgo-Luxemburger eine viermonatige Auszeit, um zusammen mit seiner Ehefrau von Singapur nach Belgien zu radeln und Poeten in ganz Asien und Europa zu besuchen. Poesie gehört nämlich zu den Leidenschaften des Astronauten. Er liest aber auch gerne Biographien und betreibt aktiv Sport, wie etwa Schwimmen, Radfahren, Tauchen und Segeln.

Quelle: ESA

Der Wissenschaftler fliegt leidenschaftlich gerne Heißluftballons und treibt viel Sport. Mit seiner Frau ist er 2017 von Singapur nach Belgien geradelt.
Der Wissenschaftler fliegt leidenschaftlich gerne Heißluftballons und treibt viel Sport. Mit seiner Frau ist er 2017 von Singapur nach Belgien geradelt. Foto: AFP

Nicolas
24. November 2022 - 16.29

Unser Minister FAYOT hat ja 127.000.000 € an die ESA überwiesen damit sich ein Belgo-Luxemburger als Astronaut bewerben kann. Demnach müsste die belgische Regierung , hochgerechnet auf die Einwohnerzahl , 2.453.216.000 € überweisen. Aber wir habens ja .