Israel„Auf jedes Szenario“ vorbereitet: Nach Tötung von Hamas-Vizechef bleibt Armee wachsam

Israel / „Auf jedes Szenario“ vorbereitet: Nach Tötung von Hamas-Vizechef bleibt Armee wachsam
Im zerstörten Teil des Wohnhauses wurde der Hamas-Vize Saleh al-Aruri von einer Drohne getroffen Foto: AFP/Anwar Amro

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Nach der Tötung von Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri im Libanon hält sich die israelische Armee „für jedes Szenario“ bereit. Zugleich setzte sie am Mittwoch ihre Offensive gegen die islamistische Palästinenserorganisation im Gazastreifen fort.

Armeesprecher Daniel Hagari sagte nach der Tötung von al-Aruri, Israel sei „in hohem Maße auf jedes Szenario“ vorbereitet. Die mit der Hamas verbündete pro-iranische Hisbollah im Libanon drohte ihrerseits mit Vergeltung. Die israelischen Streitkräfte nahmen in der Nacht zum Mittwoch erneut Ziele im Gazastreifen ins Visier, unter anderem in der südlichen Stadt Rafah nahe der Grenze zu Ägypten. Nach Angaben von Augenzeugen strömten zahlreiche Verletzte zum nahegelegenen Al-Nadschjar-Krankenhaus.

Laut Armeesprecher Hagari befindet sich die israelische Armee in einem „sehr hohen Zustand der Bereitschaft in allen Bereichen“. Auf den tödlichen Anschlag auf die Nummer zwei der Hamas ging Hagari nicht ein. Auch äußerte er sich nicht zu Berichten, dass eine israelische Drohne am Dienstagabend den tödlichen Angriff auf den Hamas-Funktionär Saleh al-Aruri in einem Vorort von Beirut ausführte.

„Das Wichtigste, was wir heute Abend sagen können, ist, dass wir konzentriert auf den Kampf gegen die Hamas sind und bleiben werden“, sagte Hagari am Dienstabend. Die israelische Armee wolle, „die Informationen ausländischer Medien nicht kommentieren“.

Zwei libanesische Sicherheitsvertreter und die Hamas hatten den Tod von al-Aruri zuvor bekannt gegeben. Demnach wurde der Stellvertreter von Hamas-Politbüro-Chef Ismail Hanija am Dienstag zusammen mit seinen Leibwächtern bei einem Israel zugeschriebenen Drohnenangriff in einem südlichen Vorort von Beirut getötet. Das Gebiet gilt als Hochburg der mit der Hamas verbündeten pro-iranischen Hisbollah.

Unter den Getöteten waren nach Angaben der Hamas auch zwei Chefs der Essedin-al-Kassam-Brigaden, des militärischen Flügels der islamistischen Palästinenserorganisation. Wie die Hamas am Mittwoch mitteilte, ist die Beerdigung al-Aruris für Donnerstag im palästinensischen Flüchtlingslager Schatila in Beirut geplant. Der 57-Jährige galt als wichtiger Militärstratege der Hamas und als einer ihrer Anführer im Westjordanland. Israel macht ihn für die Planung zahlreicher Anschläge verantwortlich.

Am 7. Oktober hatten Hunderte Hamas-Kämpfer in einem beispiellosen Angriff Israel überfallen. Dabei wurden rund 1.140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel kündigte daraufhin die Vernichtung der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Palästinenserorganisation an und greift seither in einer massiven Militärkampagne Ziele im Gazastreifen an.

Neben Hamas-Chef Hanija gelten vor allem der politische Hamas-Anführer Jahja Sinwar und der militärische Hauptverantwortliche Mohammed Deif als Drahtzieher des brutalen Großangriffs vom 7. Oktober. Seit Oktober ist Sinwar nicht mehr öffentlich aufgetreten, er wird ebenso wie Deif im Tunnelsystem unter dem Gazastreifen vermutet.

Tägliche Angriffe durch Hisbollah

Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor drei Monaten greift auch die Hisbollah Israel nahezu täglich vom Südlibanon aus an. Die israelische Armee reagiert auf die Angriffe mit verstärkten Luftangriffen im Libanon und in Syrien. Bislang beschränkten sich die Gefechte auf die Grenzgebiete im Südlibanon. International wächst nun aber die Sorge, dass sich nach dem ersten Angriff auf die libanesische Hauptstadt seit Kriegsbeginn der Krieg auch auf den Libanon ausweiten könnte.

Die Hisbollah reagierte auf die Tötung al-Aruris mit den Worten, dessen „Ermordung“ werde „nicht unbeantwortet oder ungestraft“ bleiben. Sie werde die „Ermordung von Scheich Saleh al-Aruri“ als „schweren Angriff auf den Libanon“ betrachten, erklärte die schiitische Miliz.

Der libanesische Regierungschef Nadschib Mikati sprach von einem „israelischen Verbrechen“. Er warf Israel laut einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung vor, den Libanon in eine „neue Phase der Konfrontation“ hineinziehen zu wollen.

Die UN-Friedenstruppe Unifil im Libanon befürchtete am Mittwoch „verheerende Folgen“ einer möglichen Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah: „Wir sind zutiefst besorgt über jede mögliche Eskalation, die verheerende Folgen für die Bevölkerung auf beiden Seiten der blauen Linie haben könnte.“