Schicksalsschlag„Alles begann an meinem Geburtstag“: Wie eine Luxemburgerin ihren Vater an Corona verlor

Schicksalsschlag / „Alles begann an meinem Geburtstag“: Wie eine Luxemburgerin ihren Vater an Corona verlor

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896 Menschen sind bisher in Luxemburg am Coronavirus gestorben. Dahinter stehen 896 Schicksale und trauernde Familien. Wir haben uns mit Carmen unterhalten, die ihren Vater Arno im November 2020 an das Virus verloren hat. Ein Gespräch über endloses Warten, tiefe Trauer und große Wut auf jene, die das Virus leugnen.

Es ist Anfang November 2020 in Luxemburg. Die Corona-Lage im Großherzogtum verschärft sich: Das Gesundheitsministerium meldet zwischen 600 und 862 Neuinfektionen am Tag. Mehr als 25 Personen liegen auf der Intensivstation, 161 Menschen sind bisher am Coronavirus gestorben. Das Land steckt mitten in der zweiten Welle. Die Impfung wird erst in ein paar Wochen in Luxemburg ankommen. Gerade hat das Parlament die neuen Corona-Maßnahmen verabschiedet: Es gilt eine umstrittene Ausgangssperre von 23.00 bis 06.00 Uhr, eine generelle Maskenpflicht soll kommen. Ob zu Hause oder im Restaurant: Treffen dürfen sich maximal vier Personen gleichzeitig. 

„Daran kann ich mich noch gut erinnern“, erzählt Carmen M. gegenüber dem Tageblatt. Eigentlich hätte sie im November 2020 viel Grund zur Freude gehabt: Die Familie feiert gleich drei Geburtstage hintereinander. Carmen selbst am 3. November, ihr Vater Arno wird am 4. November 59 Jahre alt – und ihr Bruder am 5. November 30. „Mit Freunden habe ich nur ein Online-Quiz organisiert, doch meine Familie wollte ich am Tag selbst schon sehen“, erinnert sich Carmen an ihren eignen Geburtstag. Also lädt sie zusammen mit ihrem Freund am 3. November ihre Eltern zu sich nach Hause zum Essen ein. „Am Wochenende sollte dann, wie immer, eine kleine Familienfeier stattfinden.“ Ebenfalls nur zu viert: Carmen, ihre Mutter, der Vater und der Bruder. „Unter uns, aber alle Geburtstagskinder zusammen.“

Aber es sollte anders kommen.

„Alles begann an meinem Geburtstag.“ Vater Arno taucht zu der Feier mit einem leichten Schnupfen auf. „Und wir haben ihn noch gefragt: Du machst ja einen Test?“ Carmen macht ihm leichte Vorwürfe, weil Arno am nächsten Tag mit der Großmutter zum Arzt fahren sollte. „Ich habe zu ihm gesagt: Zieh eine Maske im Auto an. Nur zur Sicherheit.“ Insgesamt ist die Stimmung an dem Abend aber locker und jovial. „Ein richtig schöner Abend.“ Sie ahnt nicht, dass es der letzte gemeinsame Abend ist.

Positiver PCR-Test

Zwei Tage später klingelt bei Carmen das Telefon. Es ist Samstag, der 7. November 2020. Die Mutter ist am Hörer – und muss die kleine Geburtstagsfeier am Sonntag absagen. „Vater hat Fieber. Das bringt niemandem was.“ Einen PCR-Test hat Arno zu dem Zeitpunkt schon hinter sich, doch auf das Resultat muss die Familie noch warten. Die ersten Schnelltests werden gerade zugelassen, sind aber noch nicht breit verfügbar. Und die Auswertung des PCR-Tests nimmt drei Tage in Anspruch.

Am Montag dann die Gewissheit: Arno ist Corona-positiv. Für Carmen und ihren Freund heißt es ab sofort: Quarantäne. Beide testen sich in den Folgetagen und ihre Tests fallen ebenfalls positiv aus. „Da waren wir nun: wir zu Hause, meine Eltern zu Hause.“ Sie selbst und ihr Freund zeigen keine Symptome und auch ihre Mutter scheint nicht krank zu werden. Doch der Zustand ihres Vaters verschlimmert sich. 

„Meine Mutter hat ihn dazu gedrängt, schon früher zum Arzt zu gehen. Doch das war nicht seine Art“, erzählt Carmen. Als Arno immer schlechter Luft bekommt und seine Frau den Eindruck hat, dass er länger braucht, bis er ihre Worte auch wirklich versteht, reicht es ihr. Am Donnerstagmorgen ruft sie den Krankenwagen: „Einfach, um sicherzugehen“, sagt Carmen. Der Vater wird ins Krankenhaus nach Ettelbrück gebracht.

„Meine Mutter stellt sich bis heute noch die Frage, ob sie ihn nicht schon früher hätte zwingen sollen, zum Arzt zu gehen“, sagt Carmen. „Aber keiner konnte uns später sagen, ob das einen anderen Verlauf genommen hätte.“

Carmen und ihre Geschwister – neben ihrem Bruder hat sie noch eine jüngere Schwester, die zu diesem Zeitpunkt in Brüssel studiert – werden von der Mutter über die neuste Entwicklung informiert. Man ist besorgt, aber die allgemeine Haltung noch positiv. „Wir wussten, jetzt wird er gut versorgt“, sagt Carmen. Arnos Sauerstoffwerte sind zu niedrig, als er im Krankenhaus ankommt. Er muss sofort Sauerstoff zugeführt bekommen. Gegen 2.00 Uhr ruft er seine Frau an. Da wartet er noch auf dem Flur des Krankenhauses. Innerhalb der nächsten Stunden kommt der 59-Jährige auf die Intensivstation.

Trotzdem verliert Arno die gute Laune auch am Freitag nicht. „Er hatte immer einen guten Spruch auf den Lippen.“ Als seine Frau am Nachmittag mit ihm telefoniert, scherzt er, dass er hoffentlich am Abend endlich was Ordentliches zu essen bekommt. Nichts deutet darauf hin, dass er drei Stunden später nicht mehr ansprechbar sein wird. 

Innerhalb kürzester Zeit stürzen seine Werte ab. Um 18.00 Uhr klingelt bei Carmen das Telefon. „Meine Mutter sagte, dass mein Vater ins künstliche Koma versetzt und intubiert werden musste.“

Die Situation hat sich so schnell derart dramatisch verschlechtert, dass die Familie nicht einmal per Videoanruf noch einmal mit Arno sprechen kann. „Da wurde uns schon eine erste Möglichkeit genommen, um wenigstens kurz noch ein paar Worte mit ihm zu wechseln.“ 

Endloses Warten

„Ich konnte nicht wirklich begreifen, was da gerade passierte“, sagt Carmen. „Mir ist nur durch den Kopf geschossen: Dein Vater ist ein Kämpfer. Er schafft das. Das wird schon wieder.“ Es ist nicht das erste Mal, dass Arno schwer erkrankt. Er leidet unter Haarzell-Leukämie, einer chronischen Krebserkrankung, „mit der es sich aber gut leben lässt“. Er ist in den Jahren davor in Behandlung gewesen, kommt nun mit der Krankheit klar. Doch sein Immunsystem ist dadurch anfälliger geworden. „Danach wurde ich oft gefragt, ob mein Vater eine Vorerkrankung hatte. Ja, hatte er. Aber das ist doch ganz egal. Er hätte auch ohne sie an Covid sterben können“, sagt Carmen. Sie habe den Eindruck, dass viele nur nach Vorerkrankungen fragen, weil sie sich selbst damit die Angst nehmen wollen. „Ich bin gesund, also kann mir das nicht passieren. Das stimmt nicht. Ein Bekannter von uns ist auch an Corona gestorben – ohne dass er irgendwelche Vorerkrankungen hatte.“

Carmen will ihre Mutter in dieser Situation nicht alleine lassen und fährt zu ihr, um die Quarantäne dort zu verbringen. „Als ich das Elternhaus betrat, wurde alles viel realer. Da wurde mir bewusst, dass mein Vater wirklich fehlt.“ Als ihre Schwester über die Lage informiert wird, tritt sie von Brüssel aus sofort den Heimweg an und kommt beim Bruder unter.

In der ersten Nacht hatte ich Angst zu schlafen. Als wäre alles vorbei, wenn für einen Moment keiner an ihn denkt oder an ihn glaubt.

„In der ersten Nacht hatte ich Angst zu schlafen. Als wäre alles vorbei, wenn für einen Moment keiner an ihn denkt oder an ihn glaubt“, erinnert sich Carmen. Wie sie die Tage verbracht haben, weiß sie nicht mehr genau. „Wir konnten nichts essen und warteten nur noch auf den nächsten Anruf aus dem Krankenhaus.“ Aus Angst, diesen zu verpassen, trauen sich weder die Mutter noch Carmen, auch nur kurz unter die Dusche zu springen. „Surreal, denn wir waren ja zu zweit.“

Zerreißt dann doch das Klingeln des Telefons die Stille, wartet Carmen im Hausflur, während ihre Mutter den Anruf entgegennimmt. Hoffend. Und gleichzeitig bangend. „Wenn es dann Familienangehörige oder Freunde waren, die sich nach dem Gesundheitszustand erkundigen, war es immer eine Erleichterung.“

Die Familie versucht zweimal am Tag, in der Intensivstation anzurufen, um nach dem Vater zu fragen. „Dabei haben wir meistens mit den Krankenpflegern gesprochen. Nicht dass die einem nicht auch sagen können, wie die Lage ist, doch es ist schon etwas anderes, wenn es die Ärzte sind.“ Mit den betreuenden Doktoren spricht ihre Mutter in diesen Tagen dreimal: einmal mit einem Anästhesisten, zweimal mit dem zuständigen Facharzt. „Man fühlt sich absolut hilflos. Einerseits will man mehr wissen, andererseits will man die Leute vor Ort auch nicht bei der Arbeit stören.“ Immerhin befinden sich zu dem Zeitpunkt mehr als 45 Menschen in Luxemburg auf der Intensivstation, allein in Ettelbrück sind es elf Patienten. „Du weißt ganz genau, wie dramatisch die Lage ist“, sagt Carmen. „Wir sind zu diesem Zeitpunkt an den Grenzen des Machbaren gewesen“, heißt es auf Nachfrage des Tageblatt vom Ettelbrücker Krankenhaus. „Das Personal hat getan, was es konnte.“

Aber im Nachhinein stellt sich Carmen doch Fragen. „Was wäre, wenn wir permanent angerufen hätten? Hätten wir ihn vielleicht noch einmal per Videoanruf sehen können?“ Denn das wird der Familie nicht angeboten. Das Ettelbrücker Krankenhaus verweist heute auf die hohe Arbeitsbelastung des Personals. „Es ist schlicht nicht möglich gewesen.“

Am Sonntag dann ein trügerischer Hoffnungsschimmer. Die Mutter telefoniert mit dem Anästhesisten. Arno habe die Nacht zwar wie andere Patienten auf der Station auf dem Bauch liegend verbracht. „Um die Lungen zu entlasten.“ Doch seine Werte sind am Sonntag gut genug, um zurück in die Rückenlage gebracht zu werden. „Da hat er gleich wieder eigenständig mit geatmet.“ Der Arzt warnt die Familie: „Vergesst nicht, er ist wirklich schwer krank.“ Carmen sagt: „Man greift nach jedem Grashalm.“

Organe versagen nach und nach

Am Montagabend informiert ein Arzt die Familie, dass seine Werte wieder fallen. Der 59-Jährige hat weiter hohes Fieber. Kein Organ funktioniert mehr normal. „Wir können nichts mehr tun, wenn es jetzt nicht besser wird“, sagt der Arzt. Ihm werde das Maximum an Medikamenten gegeben, das möglich sei.

Bei Carmen macht sich der Frust über die Situation breit. Sie will ihren Vater sehen. „Ich habe mir überlegt, ob es etwas geändert hätte, die Station zu stürmen oder mehr Druck zu machen. Heute ist mir klar: Ich hätte ja eh nicht hineindürfen, da ich immer noch Corona-positiv war. Doch wieso konnten sie nicht wenigstens meine Mutter dick einpacken und einmal zu ihm lassen?“ Ein Besuch ist nicht möglich: Das Ettelbrücker Krankenhaus befindet sich zu diesem Zeitpunkt im Lockdown.

Carmen stellt sich tausend Fragen: „Sprechen die Pfleger und Ärzte meinen Vater mit seinem Namen an? Wie menschlich geht es auf der Station zu?“ Gleichzeitig wird ihr schmerzhaft bewusst, dass an jedem Tag mehrere Menschen an Corona sterben. „Man weiß irgendwo, wie groß die Chance ist, dass er überlebt.“

Wir konnten nicht zusammen sein. Wir konnten nicht bei ihm sein. Das war so schlimm.

Nach dem Telefonat mit dem Arzt informieren die Mutter und Carmen die restliche Familie – und die durch Corona erzwungene Distanz trägt zum Leid bei. „Wir konnten nicht zusammen sein. Wir konnten nicht bei ihm sein. Das war so schlimm.“ Die Familie entschließt sich, dem Vater einen kleinen Brief zu schreiben und den über Bekannte in die Klinik einzuschleusen. „Das gibt mir im Nachhinein noch viel, weil ich mir sicher bin, dass er unsere Worte noch zu hören bekam.“ In der Nacht auf Montag beten sie und ihre Mutter. „Damit er es schafft. Damit er wieder nach Hause kommt.“

Am Dienstag knickt Carmen ein. Sie schreibt ihrem Bruder, er solle doch bitte nach der Arbeit vorbeikommen. „Ich schaffe es nicht mehr. Kommst du bitte? Du kannst ja Maske tragen und wir halten Abstand.“ Es ist der letzte Tag der Quarantäne. Als er später das Elternhaus betritt, tröstet er seine Schwester. „Solange er da ist, kämpft er, es ist nicht vorbei, bis der Arzt uns anruft.“

Am selben Abend kommt das Angebot des Krankenhauses, den Vater am Mittwoch über Video zu sehen. Bei den Geschwistern stößt das auf gemischte Gefühle, doch die Mutter ist entschlossen, mit ihm zu sprechen. „Wenn ich vor Ort wäre, würde ich die Schläuche und so auch sehen.“ Die Familie will den Anruf gemeinsam entgegennehmen – doch dazu kommt es nicht mehr. 

Nach einer unruhigen Nacht ruft die Familie wieder in der Intensivstation an. „Ich habe ganz schlimme Nachrichten“, sagt der Arzt am nächsten Morgen. Bei diesem Anruf wird die Familie direkt zu Arno durchgestellt. Er habe über die letzte Nacht mehrere Schlaganfälle gehabt. Ausgelöst durch die Bakterien und die Entzündungen in seinem Körper. „Bei der Kontrolle am Morgen haben seine Pupillen nicht mehr auf Lichtreize reagiert.“ Es müsse ein CT gemacht werden. Wieder wartet die Familie. Anderthalb Stunden.

Dann kommt der Anruf. Vater Arno ist hirntot. 

„Ich dachte nur: Nein, das kann nicht sein. Das kann dir nicht passieren. Das ist nicht die Wirklichkeit. Vater muss wieder nach Hause kommen.“ In dem Moment sei alles surreal gewesen. „Weil man die Informationen hat, aber man hat es nicht selbst gesehen, es ist nicht greifbar.“

Der Familie wird geraten, den Vater nicht lange in diesem Zustand zu lassen. Nun würde nach und nach jedes Organ versagen. Es wird den dreien angeboten, per Videoanruf Abschied zu nehmen. 

„Das war sehr seltsam. Man stellt sich die Frage: Was sage ich nun? Man weiß, dass es nur ein symbolischer Akt ist – und absolut nicht intim. Das iPad wird schließlich von jemandem gehalten, der den Abschied so mitbekommt.“

Nach dem Anruf wird bei Arno die Sauerstoffzufuhr beendet. „Uns wurde versichert, dass jemand bei ihm bleibt bis zum Ende.“ Am 18. November 2020, um 14.30 Uhr, stirbt Arno. 

Trauer bewältigen

„Mein Vater starb innerhalb von sechs Tagen“, sagt Carmen mit Tränen in den Augen. „Jetzt hatten wir Gewissheit. Das Warten war vorbei.“ Irgendwo sei sie fast erleichtert gewesen. „Ich habe von anderen Schicksalen gehört, wo Menschen mehr als 30 Tage auf der Intensivstation waren. Ich weiß nicht, wie man so etwas übersteht.“ Natürlich hätte sie auch das ertragen, solange ihr Vater wieder nach Hause gekommen wäre – egal unter welchen Umständen. „Hätte er sich erholt, wer weiß, welche bleibenden Schäden er dann davongetragen hätte.“

„Wir haben direkt über ihn geredet, versucht, seine Sprüche zu imitieren.“ Arno hatte immer einen schlechten Vaterwitz parat. Das Vereinsleben seines Dorfes lag ihm sehr am Herzen. Er war Mitglied der lokalen Musikgruppe, spielte Tischtennis, sang im Chor. Und er sammelte leidenschaftlich Briefmarken. „Noch Monate nach seinem Tod sind Briefmarken, die er bestellt hat, bei uns angekommen“, sagt Carmen.

Meine Mutter konnte danach wochenlang keine Nachrichten schauen, weil die Pandemie überall war

Es bleibt einiges zu organisieren: den Bestatter anrufen, die Arbeit. „Doch erst einmal mussten wir raus aus dem Haus. Wir sind spazieren gegangen. Es war ein strahlend blauer Himmel. Vater hatte sich echt einen fantastischen Tag zum Sterben ausgesucht.“ Abends habe man etwas gegessen, danach gepuzzelt. Den Fernseher wollte man auf keinen Fall anmachen. „Meine Mutter konnte danach wochenlang keine Nachrichten schauen, weil die Pandemie überall war.“

Die Trauer der Familie ist bis heute akut. Auch weil viele „normale“ Schritte nicht bewältigt werden konnte. „Wir durften meinen Vater nicht einkleiden“, erinnert sich Carmen. Eine richtige Trauerfeier konnte auch nicht stattfinden. „Eine Bekannte hat uns ein Buch über Trauerbewältigung gegeben. Quasi alles, was dort auf der ersten Seite stand, um wirklich Abschied nehmen zu können, wurde uns nicht vergönnt.“ Die Bestattung fand im kleinsten Kreis statt. „Dabei hätte ich meinem Vater gewünscht, dass er ein riesiges Begräbnis bekommt. Dass die Leute zur Kirche raus gestanden hätten.“ Doch das war auch bei der Jahresmesse im November 2021 nicht möglich. Wieder verhinderte die Pandemie es, gemeinsam mit der ganzen Familie, den Freunden und Bekannten zu trauern.

„Ich persönlich habe Angst vor dem Moment, an dem nicht mehr über die Krankheit geredet wird“, sagt Carmen. „An dem vergessen wird, wie viele Menschen daran gestorben sind.“ Sie wünscht sich einen besonderen Gedenktag für die Toten der Corona-Krise. 

Corona-Leugnern und Impfgegnern begegnet die 29-Jährige mit Wut im Bauch. „Ich verstehe es einfach nicht, wenn Menschen sich nicht an die Maßnahmen halten.“ Sie könnte nicht mit ihnen diskutieren, „weil ich bei diesem Thema einfach nicht ruhig sein kann. Es ist sehr persönlich. Ich würde dann am liebsten sagen: Komm, ich nehme dich bei der Hand und ich zeige dir, wie leer mein zu Hause ohne meinen Vater ist. Was uns jeden Tag fehlt.“

Sie hofft, dass ihre Geschichte Impfskeptiker zum Umdenken bewegen kann. „Wenn man als geimpfte Person auch nur einen anderen Menschen vor dem Schicksal retten kann, das mein Vater erleiden musste – und mit dem wir leben müssen – würde ich es sofort tun. Wenn ich irgendjemandem vor diesem Drama bewahren kann, wenn ich mich nur einmal kurz piksen lasse.“