Mit 823 Drohnen und 13 Iskander-Rakaten in einer Nacht hat Russland am Sonntag einen neuen Rekord bei seinen Angriffen auf die Ukraine aufgestellt. Laut dem gerade in Paris weilenden Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj wurden dabei vier Zivilisten getötet und 40 verletzt. Die Hälfte davon entfällt je auf die Hauptstadt Kiew, wo Russland erstmals das Regierungsviertel selbst mit Drohnen angegriffen hatte. Noch befinden sich indes Opfer unter den Trümmern Dutzender Gebäude in 33 Orten der Ukraine. Die Opferzahl kann also noch ansteigen. Dabei schoss Putins Armee in Kiew die beiden obersten Stockwerke des halbrunden achtstöckigen Ministerratsgebäudes in Flammen.
Die neue, junge Regierungschefin Julia Swyrydenko veröffentlichte am Sonntagmittag Fotos des gelöschten Brandes und versicherte, die Regierungsgeschäfte gingen wie gewohnt weiter. „Wir brauchen eine bessere Luftverteidigung, bessere Systeme und mehr Munition“, forderte Swyrydenko die internationale Gemeinschaft auf. Während die Ukraine am Sonntag noch die aktuellen Toten und Verletzten des jüngsten russischen Luftangriffs zählte, wurden auf einer Wiese des nicht mehr existierenden polnischen Dorfes Pruszniki in der westukrainischen Oblast Ternopil 42 Opfer eines Massakers ukrainischer Nationalisten vor 80 Jahren beigesetzt. 1945 hatten die rechten ukrainischen Partisanen in dem Dorf bis zu 120 Zivilisten ermordet, alleine weil sie Polen waren. Diese Wiederbestattung der bisher in Massengräbern verscharrten Polen sei „dank großer Determination und guter Beziehungen zur Ukraine“ möglich geworden, lobte die nach Pruszniki angereiste polnische Kulturministerin Marta Cienkowska. Damit sei ein erster Durchbruch bei der ukrainisch-polnischen Versöhnung geschafft, sagte Tusks Kulturministerin sinngemäß.
Historische Vorwürfe
Seit Jahren ist die historische Aufarbeitung der Tragödie von Wolhynien, der schätzungsweise 100.000 Polen und rund 5.000 Ukrainer zum Opfer fielen, der wichtigste Zankapfel zwischen Kiew und Warschau. Die meisten dieser Opfer ethnischer Säuberungen wurden vor 80 Jahren in Massengräbern verscharrt. Polen fordert seit geraumer Zeit Exhumierungen, um den Opfern und ihren Familien ein würdiges Gedenken zu ermöglichen.
Doch Kiew zeigte lange wenig Verständnis. Die beiden Staaten werfen sich dazu regelmäßig Geschichtsverfälschung vor. Tatsache ist indes, dass die polnischen Zivilisten in der Westukraine von der vom ukrainischen Nationalisten-Führer Stepan Bandera (1909-59) mitgegründeten Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) niedergemetzelt wurden. Diese Partisanenverbände wurden von den nazideutschen Besatzern oft zu Aktionen gegen die Polen ermuntert. Vor allem im Sommer 1943 fielen der UPA Hunderte polnische Dörfer zum Opfer. Der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko hatte die Exhumierungen von Polen nach einem Streit um ein UPA-Denkmal auf polnischem Staatsgebiet gestoppt. Im Frühjahr 2025 indes erlaubte das für Exhumierungen zuständige Kiewer Kulturministerium die Ausgrabung von bis zu 120 polnischen Opfern eines UPA-Massakers vom 12./13. Februar 1945 im inzwischen verschwundenen polnischen Dorf Pruszniki, welches in Ostgalizien und nicht Wolhynien liegt.
Historiker rechnen damit, dass die echte Herausforderung für Kiew beginnt, wenn es auch in Wolhynien selbst zu Exhumierungen kommt. Derweil wenden sich die lange solidarischen Polen immer mehr von der Ukraine ab. Polens neuer rechter Staatspräsident Karol Nawrocki (PiS-nah) will die Zustimmung Warschaus zum EU-Beitritt der Ukraine von der Aufarbeitung des Wolhynien-Massakers der UPA abhängig machen. Immer mehr von Donald Tusks Regierungspolitikern schließen sich nun dieser Forderung an.
 
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