Sterben in EschAktuelle Statistiken über das Tabuthema Tod 

Sterben in Esch / Aktuelle Statistiken über das Tabuthema Tod 
Der älteste Friedhof in Esch ist der Sankt-Josefs-Friedhof. Seit 2015 werden hier keine neuen Konzessionen vergeben. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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770 Menschen sind im Jahr 2021 in Esch gestorben, von ihnen wurden 595 eingeäschert. 347 Bestattungen fanden auf einem der drei Friedhöfe der Stadt statt: Interessantes Zahlenmaterial über das Sterben in der „Minette-Metropole“ liefert die Antwort des Schöffenrats auf eine Frage von Gemeinderätin Joëlle Pizzaferri.

„Der Tod ist noch immer ein Tabuthema. Ich möchte, dass die Menschen mehr darüber reden“, sagt Gemeinderätin Joëlle Pizzaferri (LSAP) zum Grund ihrer Frage an den Schöffenrat. „Dabei hat der Mensch die Möglichkeit, seinen Tod zu planen – ich rede natürlich von der Beisetzung“, sagt sie. Um das besser tun zu können, helfen Statistiken. Dadurch können die Menschen zumindest einen Überblick über die Möglichkeiten und die etwaigen Kosten bekommen.

Gemeinderätin Joëlle Pizzaferri
Gemeinderätin Joëlle Pizzaferri Foto: Editpress/Alain Rischard

Pizzaferri war 2018 selbst betroffen, als ihre Mutter verstarb. Sie musste die Beisetzung organisieren, was nach einem Verlust nicht einfach ist. Da hilft es, wenn die nötigen Informationen griffbereit sind. Schockiert war sie damals über den finanziellen Aspekt des Todes. Ihre Erfahrungen fasste sie im August 2018 in einem Leserbrief im Tageblatt unter dem Titel „Sterben, eine unumgänglich teure Angelegenheit“ zusammen. Sie listete detailliert die einzelnen Kostenfaktoren auf und kam unter dem Strich auf Ausgaben von ca. 3.000 Euro für die Angehörigen. Pizzaferri kam zu folgendem Fazit: „Bist du arm, wird dein Verstorbener sehr diskret beerdigt. Sollten wir uns nicht deshalb auch die Frage stellen, ob wir wirklich noch alle gleich sind vor dem Tod.“ 

Das Feedback war groß, Pizzaferri bekam jede Menge Reaktionen. Seit 2018 ist in Esch viel passiert. Auch unter ihrem Impuls organisierte die Dritt-Alter-Kommission der Gemeinde Themenabende zum Tod, die regen Zuspruch fanden. Das Büro für Altersfragen Bibss („Bureau d’information besoins spécifiques et seniors“) bietet heute noch Infoveranstaltungen an. Im vergangenen Jahr kam zudem die Broschüre „Leitfaden Sterbefall in Esch/Alzette“ heraus. 

Drei Orte

In Esch gibt es drei Orte, an denen Bestattungen möglich sind. Wobei im ältesten der Escher Friedhöfe, dem Sankt-Josef-Friedhof (1865 eröffnet), seit 2015 keine neuen Konzessionen mehr ausgestellt werden. Bestattungen sind dort nur mit bestehenden Konzessionen möglich, also im Familiengrab. Über kurz oder lang wird der zentrumsnahe Friedhof zu einer Art Gedenkpark. 2.732 Gräber gibt es dort, wovon 1.576 eine laufende Konzession besitzen. Zwar ist kein Grab denkmalgeschützt, jedoch unterhält die Gemeinde 33 schützenswerte Monumente beziehungsweise Gräber auf dem Friedhof.  

Die Grafik fasst die Zahlen für Esch zusammen: Rot bildet die Sterbefälle auf dem Gemeindegebiet ab, Gelb die Anzahl der Einäscherungen dieser Verstorbenen und Grau die Zahl der Bestattungen
Die Grafik fasst die Zahlen für Esch zusammen: Rot bildet die Sterbefälle auf dem Gemeindegebiet ab, Gelb die Anzahl der Einäscherungen dieser Verstorbenen und Grau die Zahl der Bestattungen

Ungleich größer ist der 1932 eröffnete Lallinger Friedhof. 5.451 Gräber gibt es dort, davon 843 Kolumbarien. Diese Mauern mit Urnen-Nischen sind vor allem in südlichen Ländern ein weitverbreiteter Bestandteil der Begräbniskultur und in Esch so etwas wie eine Reminiszenz an die italienischen Einwanderer. Überhaupt ist Lallingen im Gegensatz zum katholisch geprägten Sankt-Josef-Friedhof ein Ort der Vielfalt. Es gibt Urnengräber, einen jüdischen Teil und eine Sektion für Muslime. Daneben eine Erinnerungswiese, die der Bestattung von totgeborenen Kindern vorbehalten ist. Neben der Abschiedshalle befindet sich der „Pré du souvenir“ für die Aschestreuung.

Der Waldfriedhof auf dem Galgenberg. An 34 Bäumen können hier die Aschen der Verstorbenen verstreut werden.
Der Waldfriedhof auf dem Galgenberg. An 34 Bäumen können hier die Aschen der Verstorbenen verstreut werden. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

822 freie Plätze gibt es auf dem Lallinger Friedhof, davon 181 Kolumbarien. Die Grabkonzessionen gibt es für zehn oder 30 Jahre, bei den Totgeborenen für fünf Jahre. 120 Euro pro Meter kostet eine 10-Jahres-Konzession für ein „normales“ Grab, 250 Euro (Mauer) beziehungsweise 500 Euro (Boden) für ein Kolumbarium oder Urnengrab. Konzessionsinhaber, die außerhalb der Gemeinde wohnen, bezahlen den doppelten Preis. So nahm die Gemeinde zwischen 2017 und 2021 jährlich durchschnittlich 27.825 Euro durch die Konzessionen ein. Demgegenüber stehen jährliche Kosten von 13.500 Euro für den Unterhalt (ohne Personal- oder Materialkosten) und 20.000 Euro für Restaurierungen auf den Friedhöfen. Stirbt ein Escher ohne Familie, wird die Bestattung über das Sozialamt organisiert und die Kosten von der Gesundheitskasse CNS zurückerstattet. In Luxemburg gibt es keine Prozeduren zur Übernahme von Bestattungskosten.

Der Waldfriedhof

Relativ neu ist die Möglichkeit der Bestattung auf dem 4 Hektar großen Waldfriedhof am Galgenberg. Seit seiner Eröffnung 2015 wurden hier ungefähr 180 Menschen „beigesetzt“, schätzt der Escher Förster Pol Zimmermann. Die Antwort des Schöffenrats geizt ein wenig mit Statistiken zum Waldfriedhof. Fakt ist, dass hier an 34 Bäumen, allesamt zwischen 80 und 140 Jahre alte Eichen oder Buchen, die Aschen der Verstorbenen verstreut werden. Eine Urnenbestattung gibt es nicht. Auch der übliche Grabschmuck soll wegen der Naturbelassenheit weggelassen werden.

Bis zu zehn Verstreuungen sollen maximal pro Baum stattfinden, wobei die Namen der Verstorbenen auf einer Plakette festgehalten sind. Es gibt keine Konzessionen im klassischen Sinn, lediglich Gebühren für die Aschestreuung (50 Euro), für die zivile Zeremonie (25 Euro) und für die Inschrift auf der Plakette (25 Euro). Die Plakette ist kein Muss, auch kann man die Asche quasi anonym auf dem Waldfriedhof verstreuen lassen. Wichtig war es den damaligen Gemeindeverantwortlichen um Henri Hinterscheid bei der Schaffung des Waldfriedhofs, dass es keinerlei Vorzugsbehandlungen geben sollte. Deshalb kann man sich „seinen“ Baum auch nicht aussuchen. Jedoch gab es schon Ausnahmen, zum Beispiel beim zeitnahen Tod von Ehepartnern. Bereits nach sieben Jahren Bestehen ist der Waldfriedhof also zur Hälfte „belegt“, wobei es die Möglichkeit gibt, seine Fläche um weitere vier Hektar zu vergrößern, so Pol Zimmermann.

„Wir werden alle einmal sterben, so viel ist sicher“, sagt Joëlle Pizzaferri zum Abschluss. „Schön wäre es, wenn die Menschen in der Familie über den Tod sprechen, bevor es zu spät ist. Das ist nicht leicht, hilft den Angehörigen im Fall des Falles aber ungemein.“ 

(Die Broschüre „Leitfaden Sterbefall“ ist beim Escher Bibss, der Infofabrik und der Gemeinde erhältlich. Sie ist auch online auf der Homepage der Gemeinde (esch.lu) abrufbar.)   

Der Lallinger Friedhof entstand in den 1930er Jahren
Der Lallinger Friedhof entstand in den 1930er Jahren Foto: Editpress/Didier Sylvestre