AMMDÄrzteschaft kritisiert „borniertes Vorgehen“ der eSanté: „Sie wollen nicht mit uns reden“

AMMD / Ärzteschaft kritisiert „borniertes Vorgehen“ der eSanté: „Sie wollen nicht mit uns reden“
„Wir stoßen auf Granit“, sagen Alain Schmit (r.) und Guillaume Steichen von der AMMD Foto: Editpress-Archiv/François Aussems

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Der Frust sitzt tief bei der Ärzteschaft: Die Digitalisierung im Gesundheitssektor schreitet nur schleppend voran, von der AMMD vorgeschlagene Lösungen werden nicht akzeptiert. Warum? AMMD-Präsident Alain Schmit sieht die Schuld vor allen bei der eSanté, der er ein „borniertes“ Vorgehen vorwirft.

Eigentlich hätte die Pandemie zum großen Katalysator der Digitalisierung in Luxemburg werden können. Zumindest im Gesundheitssektor aber hat sich eine Front zwischen der Vertretung der Ärzteschaft AMMD („Association des médecins et médecins-dentistes“) und der staatlichen eSanté („Agence nationale des informations partagées dans le domaine de la santé“) aufgetan. Trotz der Worte von Xavier Bettel in seiner Rede zur Lage der Nation – „wir wollen zusammen mit der AMMD eine mobile App entwickelt“ – hat dieser Zwist den Prozess ins Stottern gebracht. Der Grünen-Politiker Marc Hansen hatte sich aus Datenschutzgründen in einer parlamentarischen Frage über die eSanté erkundigt, was die AMMD zum Anlass nahm, eine Pressekonferenz zum lange schwelenden Disput zwischen der Ärzteschaft und der eSanté ins Leben zu rufen.

Grundsätzlich geht es im Streit um die Art, wie die Handhabung der elektronischen Patientenakte (DSP, „Dossier de soins partagé“) erfolgt. Die AMMD hat mit dem „Digital Health Network“ (DHN) ein zur eSanté konkurrierendes System mit aufgebaut, das es dem Patienten erlaubt, über die „GesondheetsApp“ die eigenen medizinischen Dokumente online zu verwalten oder auch Rechnungen zu bezahlen. Zentraler Bestandteil des DHN sei die Möglichkeit für Ärzte, Dokumente digital zu signieren – eine Möglichkeit, die es beim System der eSanté nicht gäbe und auch nicht in Betracht gezogen werden würde.

Der Präsident der AMMD Alain Schmit bedauere das „bornierte Vorgehen“ der eSanté: „Sie wollen nicht mit uns reden.“ Die Signatur, die vom DHN nach europäischen Standards erstellt und verifiziert werden kann, soll Rückgriffe auf Passwörter und Authentifizierungen, die laut AMMD unnötige Zeit kostet, beseitigen.

„Werden nicht eingeladen“

Ein weiterer Kritikpunkt der AMMD lautet, dass die eSanté, die ihre eigene App mit dem Namen „CNSapp“ entwickelt hat, das zugrundeliegende Verwaltungssystem nicht selbst aufgebaut habe, sondern vom französischen Dienstleister Maincare beziehe. Das System ermögliche es – im Gegensatz zum DHN – nicht, dass Ärzte ihre Dokumente digital signieren können – was aber eine legale Verbindlichkeit sei und dazu führe, dass immer noch ein Originaldokument aus Papier existieren müsse. Die Vision der eSanté sehe hingegen vor, dass jeder, der mit der elektronischen Patientenakte hantiere, in einem nach außen hin abgesicherten System agiere, was eine Signatur obsolet machen solle. Der AMMD zufolge sei ein abgeschottetes System unmöglich, da neben Ärzten, Krankenhäusern und Laboratorien auch 33.000 Arbeitgeber ins System integriert werden müssten, sagt Schmit.

Das derzeitige System aber sei umständlich – ein Umstand, den eSanté-Direktor Hervé Barge im Tageblatt mit Verweis auf die nötige Sicherheit auch bestätigt hat. „Bleibt das Problem, dass Ärzte nach wie vor personenbezogene medizinische Daten ungesichert übermitteln“, sagte er Ende September. „Was schwer zu kontrollieren ist, aber dafür sind sie allein verantwortlich, denn seit einigen Jahren gibt es ein kostenloses System – zugegebenermaßen etwas restriktiv, aber das ist der Preis für die Sicherheit –, das allen Betreuern zur Verfügung steht.“ Einwände, die die AMMD aber nicht gelten lassen will. Das DHN könne mit dem System in der Ärztepraxis verbunden werden, wodurch der Arzt oder dessen Assistent im System erkannt werden würde. Die zusätzliche Sicherheit der elektronischen Signatur sei im System der eSanté hingegen nicht gegeben, lautet die Kritik der AMMD.

„Die eSanté hat unser System torpediert und uns bei anderen diskreditiert“, sagt Alain Schmit. Unnötige und kurzfristige technische Anforderungen würden des Weiteren immer wieder Probleme aufwerfen, die das Vertrauen in das System erschüttern. „Zu Treffen, bei denen es um elektronische Verschreibungen gehen soll, werden Laboratorien und Krankenhäuser eingeladen – nur wir Ärzte nicht“, sagt Schmit zu den verhärteten Fronten zwischen AMMD und eSanté.

Zweifelhafte Historie

Schmit zweifelt auch an der rechtmäßigen Vergabe des Auftrags an den französischen Dienstleister der eSanté. „Wir sind bei unseren Nachforschungen auf keine öffentlichen Ausschreibungen gestoßen“, berichtet der AMMD-Präsident. Die Finanzierung mit dem DHN hingegen verlaufe vollkommen transparent. 44 Cent koste die digitale Übertragung eines Dokuments – der Zählsatz werde dabei von der CNS festgelegt und sei derzeit auf die Hälfte des Preises einer sonst benötigten Briefmarke fixiert worden. 

Gründe für den nun in der Öffentlichkeit ausgetragenen Disput vermutet AMMD-Generalsekretär Guillaume Steichen, Generalsekretär in einer länger zurückliegenden Rücktrittsforderung der Vereinigung an eSanté-Direktor Hervé Barge. „Bei der eSanté ist es 2018 zu einer fragwürdigen Handhabung von 23.000 Patientenakten gekommen“, meint Steichen. In jedem anderen Land sei sowohl der Direktor als auch der zuständige Minister wohl zurückgetreten. „Wir haben den Rücktritt gefordert, politisch wurde aber die Hand darüber gehalten.“

Bis Redaktionsschluss haben weder das Gesundheitsministerium noch Hervé Barge auf unsere Frage zu den Vorwürfen der AMMD reagiert. Eine schriftliche Kopie der Vorwürfe, die die AMMD an den damaligen Verwaltungsratspräsidenten der eSanté, Paul Schmit, gerichtet hatte, liegt dem Tageblatt vor. Ob eine Aussprache im Raum stehe? Schmit hat eine deutliche Meinung:  „Wir stoßen auf Granit.“ Der Ball liege nun bei der Politik.

Undine
3. Dezember 2021 - 12.14

@Nomi "Arrogant an onbelei’erbar Politik !" D'Politik spillt hei mol net mat, dat si Beamten an der Santé déi Gesetzer hunn deenen se follege mussen, Gesetzer déi ÄR Partei verbrach huet. Ee Gléck kommen déi ni méi erëm.

Grober J-P.
2. Dezember 2021 - 21.17

Schmit gegen Schmit das passt einfach nicht. Sind die verwandt? Alain müsste mal mit Paulette reden. Wozu braucht eine CNS Maincare überhaupt oder eine sonstige Beraterfirma, sind die etwa so unfähig oder was ist da los? Mein alter Arbeitgeber hatte sich auch mal mit einer ähnlichen Firma Macsowieso eingelassen, hat etwa 48 Milionen Franken damals gekostet, wenn ich mich nicht irre! Bitte um Nachhilfe, wenn jemand Näheres wissen sollte.

Nomi
2. Dezember 2021 - 10.47

Arrogant an onbelei'erbar Politik ! Sie wessen Alles besser, me an der Praxis keng Ahnung, an et geht meeschtens an d'Bochs !

HTK
2. Dezember 2021 - 8.54

An die E-Santé! Beispiel Frankreich:" Doctolib". Tolle Sache . Termine,Rezepte,Video-Konferenz mit dem Arzt,Bezahlung usw. Alles vom Schreibtisch aus. An die frustrierte Ärzteschaft.Ihr habt es mit einer Verwaltung zu tun.Da ist Borniertheit oft eine Tugend.Aber mit einem Trick geht das. Ihr müsst euer Anliegen so auslegen ,dass sie das Gefühl haben es wäre ihre Idee. Dann klappt's.