SorgfaltspflichtAbgeschwächtes Lieferkettengesetz nimmt schwerste Hürde

Sorgfaltspflicht / Abgeschwächtes Lieferkettengesetz nimmt schwerste Hürde
Am anderen Ende der Lieferkette: Ein Mann arbeitet in der Mine Zola Zola bei Nzibira in der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu auf der Suche nach Mineralien und Erzen Foto: dpa/Jürgen Bätz

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Endlich hat Europa eine Lieferkettenrichtlinie. Genauer heißt sie „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDD). Hundertprozentig zufrieden ist niemand.

Obwohl der Kompromiss, auf den sich die Staaten der Europäischen Union im Europäischen Rat unter belgischer Präsidentschaft letzte Woche geeinigt haben, zuletzt in mehreren Punkten weiter abgeschwächt wurde, ist die luxemburgische „Initiative pour un devoir de vigilance“ mit dem Ergebnis größtenteils zufrieden. Denn der Schutz der Menschen-, Umwelt- und sozialen Rechte wird damit in der Wirtschaft an Bedeutung gewinnen.

Große Unternehmen sowohl aus Europa als auch von außerhalb, die Geschäfte innerhalb der EU machen, müssen nun darauf achten, dass bestimmte Mindestkriterien gewährleistet sind, ihre Beschäftigten und die ihrer weltweiten Zulieferer etwa Mindestlöhne erhalten und ihre Arbeitssicherheit gesichert ist. Unternehmen können vor Gericht gebracht und auf Schadensersatz verurteilt werden. Das bedeutet, dass eine europäische Firma für einen Schaden mitverantwortlich ist, den Beschäftigte eines Zulieferers erleiden, und dafür haften muss. Die Unternehmen müssen zudem einen Beschwerdemechanismus einführen. Wenn etwa Beschäftigte ihres Konzerns in Asien keinen Lohn erhalten, können diese das reklamieren.

Nachdem Frankreich und Deutschland jeweils eigene Lieferkettengesetze verabschiedet hatten, während Länder wie Luxemburg zögerten und sich auf eine EU-Lösung verlassen wollten, war der europäische Weg der aussichtsreichste. Luxemburg, zurzeit Mitglied des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, stimmte für die Richtlinie. Doch kurz vor Schluss gaben ausgerechnet die deutschen Liberalen (FDP) ihren Senf dazu, setzten im Europäischen Rat auf Blockade und drohten, dem Vorhaben endgültig einen Strich durch die Rechnung zu machen. So wurde die Richtlinie in einigen Punkten entschärft.

Ursprünglich sollte die Richtlinie für europäische Unternehmen ab 500 Mitarbeitern gelten. Danach wurde die Untergrenze auf 1.000 (und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz) verdoppelt. Außerdem soll die Richtlinie erst nach einer insgesamt fünf Jahre langen Übergangsfrist in Kraft treten.* Nun muss auch Deutschland sein entsprechendes Gesetz etwas nachschärfen. Bisher strengere Vorschriften im deutschen Gesetz können bestehen bleiben. Die Wirtschaftslobby und die FDP dürften sicher einiges daran auszusetzen haben. Sie malten den Teufel an die Wand, dass sich etwa Betriebe aus Europa zurückziehen würden. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) sprach gar von einem „Rückschlag für Europas Wettbewerbsfähigkeit“. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten, was so viel wie eine Nein-Stimme wirkte.

„Bedeutender Fortschritt“

Die aus mehreren Organisationen der Zivilgesellschaft bestehende hiesige „Initiative pour un devoir de vigilance“ bezeichnet es als „enttäuschend“, dass die Richtlinie nur noch für rund 0,05 Prozent der EU-Unternehmen gilt. Doch besser eine entschärfte Richtlinie als keine, sagen die Befürworter. Die Initiative spricht von einem „bedeutenden Fortschritt beim Schutz der Menschenrechte, des Klimas und der Umwelt vor Schäden durch Unternehmen“.

Nach dem endgültigen Entwurf sollen Unternehmen außerdem dazu verpflichtet werden, einen Klimaplan zu erstellen, der eine Strategie beinhaltet, wie die Firma zur Erreichung des 1,5-Grad-Klimaziels beiträgt. Bei Verstößen drohen Geldstrafen bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes, bei vorsätzlicher und fahrlässiger Verletzung ist auch eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen und eine Entschädigung für die Betroffenen vorgesehen.

Es sei eine historische Entscheidung, genauer eine „responsabilisation historique des entreprises malgré des affaiblissements déplorables“, so die Luxemburger „Initiative pour un devoir de vigilance“. Der vom Rat und dem Justizausschuss des Europäischen Parlaments angenommene Text muss noch im April im Europaparlament gebilligt werden. Diese Formalität wäre dann die letzte Hürde zu mehr unternehmerischer Sorgfaltspflicht.

* Ab 2027 werden Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten betroffen sein (Umsatz ab 1,5 Milliarden Euro), ab 2028 mit mehr als 3.000 Beschäftigten (Umsatz 900 Millionen Euro) und ab 2029 schließlich mit über 1.000 Beschäftigten.