Frauenbibliothek 30 Jahre weibliche Sicht zwischen zwei Buchdeckeln 

Frauenbibliothek  / 30 Jahre weibliche Sicht zwischen zwei Buchdeckeln 
Die Frauenbibliothek des „Centre d’information et de documentation femmes et genre“ (CID) wird dieses Jahr 30 Jahre alt. Mittlerweile ist sie auf 31.000 Dokumente, Sachbücher, Belletristik, Kinderbücher, CDs und zwei Archive luxemburgischer Musikerinnen angewachsen.  Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Nur jeder fünfte Pressebeitrag beschäftigt sich mit Frauen. Außerdem sinkt die Zahl der Journalistinnen. Diese Fakten hat das jüngste „Global Media Monitoring Project“ (GMMP) aus dem Jahr 2020 in einem Land zutage gefördert, das stolz auf seine pluralistische Medienlandschaft ist. Das „CID – Fraen an Gender“ ist einer der luxemburgischen Initiatorinnen der Studie und kämpft seit 30 Jahren dafür, dass der feministische Blick auf die Welt gleich viel wert ist.  

Wenn Colette Kutten (70) zurückblickt, haben die viel zu zaghaften Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung eine Ursache, die vieles erklärt. Kinder werden von klein auf in Stereotype verpackt, deren Rollen klar definiert sind. Die Mitgründerin des CID unterrichtet 40 Jahre lang Deutsch im „Lycée technique“ in Düdelingen. Als 13-14-Jährige einen Aufsatz zum Thema „mein Leben mit 35“ schreiben, bestätigen die Resultate diese These.

Die Jungen fahren dann „dicke“ Autos, haben ein Haus und einen wichtigen Posten wahlweise beim Staat oder in der freien Wirtschaft. Die Mädchen sehen sich in Teilzeit arbeitend, weil sie sich zusätzlich um Kinder und Haushalt kümmern. Diesen scheinbar alternativlosen Vorgaben wollen die CID-Frauen von Anfang an entgegenwirken. Ihre Mission ist die Revolte gegen Stereotype wie diese und die Förderung junger Frauen und Mädchen.

„Sie haben wenig Vorbilder und in Grundschulbüchern sind alternative Frauenbilder praktisch nicht präsent“, sagt Kutten. Abgesehen davon, dass die ehemalige Lehrerin mit ihrer Berufswahl genau ins Klischee passt, bewegt sie früh die Frauenfrage. Schon vor dem CID ist sie im „Mouvement pour la libération des femmes“ (MLF) aktiv. „Es hat mich persönlich geärgert, dass Frauen und Männer mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen werden, dass Frauen weniger Rechte hatten und vorgeschrieben bekamen, wie sie zu leben hatten“, sagt sie.

Berufliche Karriere nicht vorgesehen 

In Lebensplanungen wie dieser ist für Frauen eine berufliche Karriere nicht vorgesehen. Als die militante, eher linkslastige Politik des MLF nicht mehr ankommt, kommt die Idee zu einer Frauenbibliothek auf. Mit Büchern zum Thema, die nicht in jeder Bibliothek stehen, will das CID mobilisieren, sensibilisieren, etwas bewegen. Mit 700 gespendeten Büchern geht es 1992 in einer Zeit los, in der es Facebook noch nicht gibt, geschweige denn das World Wide Web oder „Me too“. Der Anfangsbestand ist eine bunte Mischung.

Amerikanische Vorreiterinnen wie Germaine Greer oder Kate Millett machen den Anfang. Europäische Pendants wie Simone de Beauvoir, Belletristik und Sachbücher ergänzen. Eine gezielte Einkaufspolitik mit einem fest eingeplanten Budget wie heute ist damals unmöglich. Rund 8.000 Euro hat Kathrin Eckhart (54), die seit 20 Jahren die CID-Bibliothek betreut, mittlerweile jährlich zur Verfügung, um die Bibliothek „à jour“ zu halten. Gerade hat sie das Buch der Mitgründerin des „Centre for Feminist Foreign Policy“, Kristina Lunz, angeschafft, das den Titel „Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch“ trägt.

Das Werk „Endométriose“ von Peggy Favez trägt dem aktuellen Schwerpunkt des CID zu dieser Frauenkrankheit Rechnung. Die Bibliothek wächst im Laufe der Jahre auf rund 31.000 Medien an: Fachbücher, Romane, 18.000 Bücher, darunter Kinderbücher, Zeitschriften, CDs und Partituren luxemburgischer Komponistinnen finden sich in den Regalen. Die CID-Spezialsammlung „Gender und Musik“ beherbergt seit 2003 Werke und Archive luxemburgischer Komponistinnen, beginnend mit Helen Buchholz (1877-1953) und Lou Koster (1898-1973).

Nur langsame Fortschritte – wenn überhaupt 

Eigene Forschungsbeiträge wie  „Wenn nun wir Frauen auch das Wort ergreifen“ vervollständigen das Angebot. Der Sammelband entsteht 1997 im CID und ist eines der meist ausgeliehenen Bücher der Bibliothek. Es bilanziert die Darstellung luxemburgischer Frauen in der Geschichtsschreibung zwischen 1880 und 1950. Für Aktivistinnen wie CID-Mitgründerin Kutten war das Buch überfällig. „In der Geschichtsschreibung sind Frauen unsichtbar, Geschichte wird offiziell von Männern gemacht.“ Das aktuelle Zeitgeschehen zeigt gerade unfreiwillig die Tragik solcher Feststellungen.

Im Folgeband „Mit den Haien streiten“ von 2018 kommen Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen und Feministinnen zu Wort. Zwischen den beiden Forschungsarbeiten des CID liegen gut 20 Jahre. Den Titel des jüngsten Buches liefert ein Zitat von Colette Flesch (DP), Ministerin, EU-Politikerin und langjährige Bürgermeisterin der Hauptstadt, über die es in dem Buch einen Beitrag gibt. Die Feministin ist zu ihrer Zeit eins der wenigen Vorbilder im Land.

Frauen waren eigentlich nicht in der Politik vorgesehen. „Deswegen kommen wir auch bis heute mit unseren Anliegen nur so langsam weiter“, sagt Kutten. Gerade auf der politischen Bühne aber fallen Entscheidungen, die Frauen betreffen. Abgesehen davon, dass sie dort nach wie vor unterrepräsentiert sind, fällt auch sonst die Bilanz für die Zeit zwischen den beiden Büchern eher ernüchternd aus. Das zeigt nicht nur das letzte Monitoring für die Medienbranche. Zwar hat sich dank der Quote in vielen Bereichen einiges getan, anderes aber scheint in Stein gemeißelt zu sein.

Immer noch gehen die meisten Teilzeitjobs an Frauen, die „Care“-Arbeit bleibt an ihnen hängen, sie werden schlechter bezahlt als Männer und trauen sich allgemein weniger zu. Einen Unterschied gibt es zwischen den beiden Büchern dann aber doch. 1997 hätten viele wahrscheinlich bei dem Wort „Genderfrage“ verständnislos den Kopf geschüttelt. Heute ist nicht nur der Begriff Allgemeingut, wenn es um die gleichen Rechte von Männern und Frauen in der Praxis geht, sondern auch seine Bedeutung. Ob das Potenzial für substanzielle Veränderungen birgt, muss sich zeigen.

Frauen in den Medien

Das „Global Media Monitoring Project“ (GMMP) nimmt für sich in Anspruch, die längste systematische Forschungsarbeit und gründlichste Studie der Welt zum Thema Gender in den Informationsmedien zu sein. Die punktuelle weltweite Erhebung gibt es seit 2005. Alle fünf Jahre wird an einem Tag die Genderfrage am Beispiel der Berichterstattung analysiert. Für den GMMP wurde 2020 der 29. September gewählt. In Luxemburg wurden die Nachrichten von 18 Medien (vier Zeitungen, vier Radiokanäle, ein Fernsehkanal, fünf Nachrichtenwebsites, vier Twitter-Accounts Nachrichtenseiten) untersucht. Die Datenerhebung führte zu einer Stichprobe von 200 Artikeln oder Berichten aus 53 Zeitungsartikeln, 29 Radioberichten, 14 Fernsehberichten, 62 Internetartikeln und 42 Tweets. Die Stichprobe umfasst Informationen über 372 Personen in den Nachrichten, die von 152 Journalisten berichtet wurden. Für Luxemburg kommen die Verfasser der quantitativen Studie zu dem Schluss, dass Frauen und ihre Themen nur 20 Prozent aller Nachrichten ausmachen und noch viel Besorgnis erregender: Die Zahl der Journalistinnen geht im Land zurück. Zu dem Zeitpunkt kommt der Anteil der Journalistinnen auf gerade mal ein Drittel. Das ist ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu 2015, wo ihr Anteil noch 39,1 Prozent betrug.

Endometriose

Im März und Mai finden Veranstaltungen zum Thema Endometriose statt. Sie beleuchten die verschiedenen Aspekte dieser Krankheit wie Ursachen, Symptome, Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Die Sensibilisierungs- und Informationsveranstaltung wird gemeinsam mit den Gemeindeverwaltungen Düdelingen und Bettemburg sowie den Vereinen CID-Fraen an Gender, Centre LGBTIQ + Cigale, „Centre national de référence pour la promotion de la santé affective et sexuelle“ CESAS und der „Association luxembourgeoise des amis de la fondation Louvain“ ALAF organisiert. Mehr Infos unter https://cid-fg.lu