Armee30 Jahre Friedensmissionen: Luxemburger Soldaten sind in aller Welt im Einsatz

Armee / 30 Jahre Friedensmissionen: Luxemburger Soldaten sind in aller Welt im Einsatz
Die KFOR gehört zu den aufwendigsten Missionen Luxemburgs: In 18 Jahren werden mehr als 1.200 Soldaten im Kosovo eingesetzt Foto: SIP

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30 Jahre ist es dieses Jahr her, dass die Luxemburger Armee erstmals an einer friedenserhaltenden Mission im Auftrag der Vereinten Nationen mitgewirkt hat. Der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien war damals der Auslöser für den Einsatz einer internationalen Truppe, die allein darauf ausgerichtet war, den Frieden in der Region zu sichern.

Seit diesem ersten Einsatz im Jahr 1992 haben sich 1.500 weitere Soldaten aus Luxemburg freiwillig in Krisenregionen begeben, um dort die Zivilbevölkerung zu schützen und beim Wiederaufbau vom Krieg zerrissener Infrastruktur zu helfen. All diesen Militärs wurde in der vergangenen Woche bei einer feierlichen Zeremonie in Mersch gedacht.

Politik und Armeeführung stehen deutlich hinter diesen Friedensmissionen. Für Luxemburg sei dies eine gute Gelegenheit, Verantwortung auf dem internationalen Parkett zu übernehmen, wie Verteidigungsminister François Bausch und General Steve Thull stets betonen. Dass die Luxemburger Armee angesichts ihrer Größe und ihrer Möglichkeiten eine etwas besondere Stellung im Gefüge der internationalen Partnerschaften einnimmt, liegt auf der Hand. Dafür plädiert der Chef des Generalstabs auch für sinnvolle Investitionen und realistische Kooperationen.

Mit einer blinden Herangehensweise, etwa was die Zwei-Prozent-Marke der NATO angeht, setze die Armee nur ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, wie General Thull im März dieses Jahres gegenüber dem Tageblatt betonte. „Luxemburg versucht vielmehr, genau jenen Anforderungen nachzukommen, die konkret gebraucht werden und auch Sinn ergeben“, so der „Chef de l’Etat-Major“ im Interview. Als kleine Armee könne man nicht in sämtlichen Feldern eine Rolle übernehmen. „Dafür aber ist die Luxemburger Armee in den Feldern, in denen sie aktiv ist, ein glaubwürdiger Partner, auf den absolut Verlass ist.“

Im Laufe der letzten 30 Jahre ist die Luxemburger Armee deutlich gewachsen, während auch Strukturen und Ausrüstung weitaus modernisiert wurden, um den aktuellen Herausforderungen in Europa und in aller Welt gerecht zu werden. So wurden unter anderem Bestrebungen vorangetrieben, die Einheiten in Aufklärungsmissionen zu spezialisieren, was der Truppe auf internationaler Ebene inzwischen viel Respekt einbringt.

Die größten Ausmaße aber hatte zweifelsohne die KFOR-Mission im Kosovo, wo zwischen 1999 und 2017 im Rahmen von 52 Kontingenten insgesamt 1.200 Soldaten aus Luxemburg an Handlungen beteiligt waren. Weitere internationale Friedensmissionen folgten in Afghanistan und Libanon, während vereinzelte Offiziere zu Einsätzen in afrikanische Staaten wie die DR Kongo und Mali entsendet wurden. Ein Überblick.

Auch wenn in 30 Jahren kein Luxemburger Soldat bei Friedensmissionen im Ausland zu Schaden kam, müssen sie und ihre Familien viele Opfer erbringen
Auch wenn in 30 Jahren kein Luxemburger Soldat bei Friedensmissionen im Ausland zu Schaden kam, müssen sie und ihre Familien viele Opfer erbringen Foto: Editpress/Alain Rischard

Jugoslawien

Nach dem Fall des Kommunismus und der Renaissance des Nationalismus in Osteuropa Ende der 1980er Jahre stürzt Jugoslawien in eine tiefe politische und wirtschaftliche Krise. 1991 zerbricht das Land an den ethnischen Konflikten, die offen ausgetragen werden. Die Folge ist ein mörderischer Bürgerkrieg zwischen den unterschiedlichen Gemeinschaften, die allesamt Dominanz und Unabhängigkeit anstreben.

Am 7. Juli 1991 kommt das Brioni-Abkommen zustande, das einen friedlichen Weg aus der Krise aufzeichnen soll. Um die damit einhergehende Waffenruhe zu kontrollieren, werden mehrere Beobachter aus der EU, Kanada, der damaligen Tschechoslowakei und Schweden in die Region entsendet. Zwischen Juli 1991 und April 1992 nehmen auch zwölf Offiziere und ein Unteroffizier der Luxemburger Armee an der Mission teil. Im Tandem verbringen sie jeweils einen Monat in Kroatien.

Im Februar 1992 beschließen die Vereinten Nationen, eine „United Nations Protection Force“, kurz UNPROFOR, in den von serbischen Truppen gehaltenen Gebieten von Bosnien und Herzegowina sowie Kroatien zu stationieren. Vier Monate zuvor hatte die Luxemburger Regierung bereits entschieden, auch an künftigen Friedensmissionen in Jugoslawien teilzunehmen. Zwischen April 1992 und August 1993 werden 40 Luxemburger Militärangehörige in drei Rotationen einem belgischen Bataillon angegliedert, das im Ostsektor zusammen mit einem russischen Bataillon über die Waffenruhe wacht und die Entwaffnung der lokalen Paramilitärs vorantreibt.

Das Mandat ist zunächst auf zwölf Monate begrenzt, wird aber bis zum Abschluss des Daytoner Abkommens im Spätherbst 1995 immer wieder verlängert. Die nachfolgenden internationalen Truppen in Bosnien und Herzegowina, wo im Frühling 1992 erneut blutige Konflikte ausbrechen und bis Dezember 1995 fast 100.000 Zivilisten ums Leben kommen, tragen zunächst den Namen IFOR (Implementation Force) und ab Dezember 1996 die Bezeichnung SFOR (Stabilization Force). Im Dezember 2004 übernimmt dann die EUFOR (European Union Force) das Kommando der Internationalen Streitkräfte in Bosnien und Herzegowina.

Das Kommando der IFOR übernimmt die NATO. In Spitzenzeiten sind bis zu 60.000 Soldaten in Bosnien-Herzegowina stationiert, um die beiden Konfliktparteien voneinander zu trennen. Dabei helfen auch Luxemburger Soldaten, die erneut einer belgischen Einheit zugeordnet werden und einer internationalen Transportkompanie angehören, die von Januar bis Dezember 1996 in Sarajevo stationiert wird.

Nach dem Ende der IFOR im Dezember 1996 bleibt das bereits entsandte Luxemburger Kontingent vor Ort, um seine Mission unter dem Mandat der SFOR weiterzuführen. Sein Auftrag ist es, den anfangs noch zerbrechlichen Frieden zu wahren. Zunächst noch im Rahmen der Transportkompanie, bevor dem belgisch-luxemburgischen Kontingent im April 1998 neue Missionen unter britischer Führung anvertraut werden. Hauptaufgabe ist es, militärische Präsenz im Südwesten des Landes zu zeigen und einen Wiederausbruch des Konfliktes zu verhindern. Zwischen Januar 1997 und Januar 2000 werden neun Rotationen vom Herrenberg in den Osten Europas entsendet.

In der ehemaligen Provinz Kosovo flammen 1998 blutige Kämpfe zwischen der serbischen und der albanischen Bevölkerung auf. Die NATO sieht sich gezwungen, Luftangriffe auf die serbischen Truppen zu fliegen, die bis dahin für schwere Verluste in der Zivilbevölkerung verantwortlich zeichnen. Serbien zieht sich zurück und stimmt dem Aufbau einer internationalen Verwaltung in der Provinz zu.

Die „Kosovo Force“, kurz KFOR, wird am 19. Juni 1999 ins Leben gerufen, mit zunächst rund 50.000 Soldaten. Im August stoßen auch Luxemburger Soldaten hinzu, die wieder belgischen Einheiten angegliedert werden. Nur wenige Monate später kommt erstmals auch eine spezialisierte Aufklärungseinheit der Luxemburger Armee im Kosovo zum Einsatz. Es folgen dutzende Rotationen in unterschiedlichen Kapazitäten, bevor auch die Luxemburger Beteiligung am 15. Oktober 2017 mit der Rückkehr des 52. Kontingents endet. Bis dahin werden fast 1.200 Luxemburger Soldaten im Kosovo eingesetzt.

Mit dem 52. Kontingent kehren im Oktober 2017 die letzten Luxemburger Soldaten aus dem Kosovo zurück
Mit dem 52. Kontingent kehren im Oktober 2017 die letzten Luxemburger Soldaten aus dem Kosovo zurück Foto: Editpress/Alain Rischard

Afghanistan

Infolge der Attentate vom 11. September 2001 marschieren amerikanische Truppen im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“ in Afghanistan ein, um die Taliban-Regierung im Land zu stürzen, das als Hort des internationalen Terrorismus gehandelt wird. Im Dezember 2001 wird die „International Security Assistance Force“ (ISAF) der Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Im August 2003 übernimmt die NATO das Kommando der ISAF. In dieser Zeit wächst die Truppenstärke auf über 130.400 Einsatzkräfte. Ziel ist es, der neuen Regierung dabei zu helfen, die Sicherheit im Land herzustellen. Diese übernimmt ab 2011 wieder die Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Die ISAF endet im Dezember 2014. Von Juli 2003 bis September 2012 sind auch Luxemburger Truppen in Afghanistan im Einsetz. Sie werden belgischen Einheiten angegliedert, um die Sicherheit der Militärzone am internationalen Flughafen der Hauptstadt zu gewährleisten. Anschließend werden die Luxemburger Einheiten bis April 2014 mit der Sicherheit der Airbase in Kandahar betraut. Insgesamt werden in dieser Zeit 35 Rotationen aus Luxemburg mit rund 270 Militärs nach Kabul und Kandahar entsandt.

Im Januar 2015 wird die Mission „Resolute Support“ ins Leben gerufen, um die afghanischen Truppen und Sicherheitskräfte bei der Ausbildung zu unterstützen. Zwischen Juni 2015 und Mai 2021 sind auch Luxemburger Militärs in Masar-e Scharif stationiert. Nach dem Rückzug der Vereinten Nationen übernehmen am 15. August 2021 wieder die Taliban die Kontrolle in Kabul. Die Luxemburger Armee beteiligt sich an der groß angelegten Evakuation von Bürgern mit Verbindungen zum Großherzogtum und Belgien sowie Afghanen, die wegen ihrer Mitarbeiter an internationalen Bemühungen ins Visier der Taliban geraten sind.


Libanon

Nach dem israelischen Angriff auf Libanon wird im März 1978 die „United Nations Interim Force in Lebanon“, kurz UNIFIL, auf die Beine gestellt. Ihre Mission ist es, den Rückzug der israelischen Truppen zu überwachen und wieder Ruhe ins Land zu bringen. Im Juli 2006 kommt es erneut zum Konflikt zwischen den zwei Staaten. Daraufhin wird die UNIFIL-Mission noch ausgebaut, mit dem Ziel, den Konflikt im Keim zu ersticken, die Bevölkerung mit Hilfsgütern zu versorgen und Flüchtlinge bei der Rückkehr in ihre Heimat zu beschützen. Zwischen Oktober 2006 und Oktober 2014 nimmt die Luxemburger Armee mit mehreren Soldaten an der UNIFIL teil, erneut im Rahmen einer belgisch-luxemburgischen Einheit.

Großherzog Henri unterstützt „seine“ Soldaten mit regelmäßigen Besuchen vor Ort
Großherzog Henri unterstützt „seine“ Soldaten mit regelmäßigen Besuchen vor Ort Foto: SIP/Nicolas Bouvy

Afrika

Luxemburger Militärangehörige werden in Afrika vor allem im Rahmen von EU-Missionen eingesetzt – zehn am Stück nach 2006. Im Juni 2005 startet beispielsweise die „EU Security Sector Reform Mission“ (EUSEC RDC) in der Demokratischen Republik Kongo. Die Soldaten sind in Kinshasa stationiert. Ihre Aufgabe ist es, die Regierung beim Aufbau einer wirksamen Verteidigungsstruktur zu unterstützen, etwa mit der Eingliederung verschiedener militärischer Gruppierungen und einer Modernisierung der Armee-Verwaltung. Das Mandat wird nach 2009 ausgebaut, um im Juni 2015 eingestellt zu werden. Luxemburg nimmt zwischen April 2006 und September 2014 mit 26 Rotationen an der Mission teil. Ein Luxemburger Offizier im Ruhestand wird von Oktober 2012 bis Juni 2015 sogar mit der Leitung betraut. Im Rahmen der Parlamentswahlen wird im Juli 2006 auch die EUFOR RDC ins Leben gerufen, um den Wahlprozess militärisch zu schützen. Aus Luxemburg werden ein Offizier und ein Unteroffizier in die Kommandostruktur der Mission berufen.

Zwischen Januar 2008 und März 2009 sorgen Truppen der „EU Military Operation in Eastern Chad and North Eastern Central African Republic“ (EUFOR Tchad/RCA) für die Sicherheit und Unterstützung der Zivilbevölkerung sowie den Schutz des UN-Personals. Im Mittelpunkt stehen vor allem Flüchtlinge und Vertriebene des Darfur-Krieges. Luxemburg beteiligt sich ab April 2008 an der Mission und entsendet drei Rotationen innerhalb des nächsten Jahres. Die EU zieht sich im März 2009 zurück und übergibt den Vereinten Nationen die Verantwortung über die Folgemission MINURCAT.

Die „Europäische Trainingsmission in Mali“ (EUTM) geht indessen auf den Konflikt im Norden des westafrikanischen Landes im Jahr 2012 zurück. Die europäischen Staaten beschließen, die „Forces armées et de sécurité du Mali“ mit einer ständigen Präsenz im Kampf gegen islamistische Milizen in der Region zu unterstützen. Ziel ist es, die malischen Streit- und Sicherheitskräfte auszubilden und in ihrer Mission planerisch zu begleiten. In Kampfhandlungen sollen die europäischen Staaten allerdings nicht eingreifen.

Luxemburg beteiligt sich mit bis zu 27 Soldaten und Offizieren, die alle vier Monate nach dem Rotationsprinzip ausgetauscht werden. Zwischen März 2013 und April 2020 werden 24 Unteroffiziere aus Luxemburg im Camp Koulikoro als Ausbilder eingesetzt. Wegen ihrer Expertise in Aufklärungsmissionen werden die Luxemburger Streitkräfte im November 2020 mit der Sicherheit der europäischen Einrichtungen betraut. Doch die Lage bleibt brenzlig, weswegen manche EU-Partner einem Ende der Mission ins Auge fassen. Luxemburg wird bis Ende 2022 mit Militärs vor Ort präsent bleiben. Die Zukunft der Mission ist aber ungewiss.

Luxemburg entsendet immer noch Soldaten nach Mali, doch die Zukunft der EUTM ist ungewiss
Luxemburg entsendet immer noch Soldaten nach Mali, doch die Zukunft der EUTM ist ungewiss Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Litauen

2014 stürzt Russland mit der Annexion der Krim eine ganze Region in die Krise. Um die verbündeten baltischen Staaten und Polen zu schützen, stellt die NATO 2017 die „Enhanced Forward Presence“ (eFP) auf die Beine. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wird die Mission auf Bulgarien, Ungarn, Rumänien und die Slowakei ausgedehnt. Luxemburger Kontingente werden in einem multinationalem Bataillon unter deutschem Kommando in Litauen eingesetzt. Dafür werden die Militärs aus dem Großherzogtum erneut in eine belgische Einheit integriert.

Mit der Teilnahme an Friedensmissionen beweist Luxemburg, dass man sich auf das Land als Partner verlassen kann<br />
Mit der Teilnahme an Friedensmissionen beweist Luxemburg, dass man sich auf das Land als Partner verlassen kann
 Foto: Editpress/Alain Rischard