Café Belge et Excelsior – Wimpy II – Kofferpaan – Pub on the top170 Jahre Wirtshaus an der place d’Armes

Café Belge et Excelsior – Wimpy II – Kofferpaan – Pub on the top / 170 Jahre Wirtshaus an der place d’Armes
Café Belge Jentgen Foto: François Scharff-Vaniere/Photothèque de la Ville de Luxembuourg

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Nr. 15 an der place d’Armes ist ein geschichtsträchtiges Haus. Dort, wo heute Qosqo zu Hause ist, erinnert man sich gerne an Chi-Chi’s, vielleicht auch an Wimpy, Kofferpaan, Pub on the Top. Dass sich hier während Jahrzehnten das Café Belge & Restaurant Excelsior befand, weiß kaum jemand mehr. Ein kurzer Rückblick in die Wirtshausgeschichte sei gestattet.

1852 wird das Café Belge an der place d‘Armes als Wirtshaus erstmals genannt. Es gehörte dem Möbelhersteller Theodor Michaelis, welcher im gleichen Haus seine Werkstatt und sein Geschäft eingerichtet hatte. Die Wirtsstube wurde von seiner Frau Madeleine geführt. Im Haus wohnte Chef-Kommandant Zierold der preußischen Garnison. Die „Kommandantur“ der Garnison (heute „Cour des comptes“), die Hauptwache (Cercle-Cité) und das „Genie-Militaire“ (Postgebäude) lagen nur wenige Schritte von seiner Wohnung entfernt. Nur zehn Tische befanden sich in der damaligen Schankstube. Die Gäste saßen auf geflochtenen Stühlen und gepolsterten Bänken. Die Wände waren mit Spiegeln verziert. Zur hygienischen Ausstattung gehörten Gästetische und Schanktisch mit Marmorplatten. Die, wie damals üblich, deftige Küche bot Leberknödel und Sauerkraut. Bordeauxweine, Salvator- und Franziskanerbier wurden hier gerne getrunken. Ein Billardtisch stand den Gästen zur Verfügung, damals eine sehr volkstümliche Sportart.

20 Wirte für 170 Jahre Wirtshaus

Wer denkt, an einer solch erstklassigen Lage wäre es einfach, ein Wirtshaus zu führen, irrt. Nicht weniger als 20 verschiedene Wirte hatten sich in 170 Jahren Wirtshausgeschichte hier niedergelassen. Diese Geschäftsführer verließen das Haus, um Hotels in Fremdenverkehrszentren wie Echternach, Mondorf oder gar in Thionville (F) zu übernehmen. Andere gründeten ein eigenes Schanklokal im Bahnhofsviertel. Auch der Eigentümer der Immobilie wechselte. Der Weinhändler Fritz Grégoire hatte das Anwesen von den Erben Michaelis gekauft. Die Aktiengesellschaft Brasserie de Diekirch, anschließend Jos Giver, Bierlieferant in Luxemburg, erstanden das Haus am Paradeplatz. 1924 war Architekt Paul Funck (cf. Sternberg-Geschäftshaus sowie Palais Municipal, Banque Internationale am Boulevard Royal, jeweils in Zusammenarbeit mit seinem Vater) Inhaber des Gebäudes geworden, bevor das Eigentum an die ehemalige Brauerei Henri Funck überging.

Der Neubau von 1906 ist bis heute erhalten

Jos Giver hatte das auf das 17. Jahrhundert zurückführende zweistöckige Haus 1906 niederreißen lassen, um ein Hotel mit 24 Zimmern zu errichten. Mit Tagesmenü und deftigen Speisen zu niedrigen Preisen wurde das nun 30 Tische und 80 Gäste umfassende Restaurant weitergeführt. Der Hotelbetrieb wurde jedoch kurz nach dem Ersten Weltkrieg eingestellt; die Zimmer wurden als Amtsstuben umgenutzt, eines davon wurde als Nähstube vermietet. Der Versammlungssaal im ersten Stockwerk wurde weiter betrieben. Diese Aufteilung des Gebäudes blieb bis 1969 erhalten.

Rechtsanwalt Max Metz, Begründer des Motoclub Luxemburg, und Mitbegründer des ersten Automobilclubs in Luxemburg hatte hier seine Kanzlei eingerichtet. 1933 richtete Victor Bodson seine Amtsstube im Hause Café Belge ein. Bodson (1902-1984) hatte Recht in Straßburg und in Montpellier studiert. 1934 wurde er als Vertreter der Arbeiterpartei in die Abgeordnetenkammer gewählt. Die Versammlungen der Arbeiterpartei im Café Belge stehen wahrscheinlich in Zusammenhang mit Bodsons beruflicher Adresse. Am 6. April 1940 war Bodson zum Justizminister ernannt worden. Zusammen mit der Großherzogin und den Regierungsmitgliedern war er 1940 nach dem Einfall der Deutschen ins Exil gegangen. Nach dem Krieg bekleidete Bodson die Ämter des Transport- und Justizministers. Von 1964 bis 1967 leitete er die Abgeordnetenkammer als Vorsitzender. 1967 vertrat Bodson die luxemburgische Regierung bei der Europäischen Kommission.

Das Hotel Niedner
Das Hotel Niedner © François Mersch, Le Luxembourg à la Belle Epoque

Die Internationale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem führt Bodson als „Gerechter unter den Völkern“. Der Luxemburger Minister gilt als Retter mehrerer jüdischer Familien in Luxemburg. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der damalige Wirt des Café Belge et Excelsior (1919-1939), Charles Baum, am 5. September 1940 die gesamte Einrichtung seines Café-Restaurants wegen Geschäftsaufgabe verkaufte, um nach Amerika fliehen zu können. Am selben Tag wurden die Rassengesetze in Luxemburg veröffentlicht. Der Verkauf war also im voraus geplant gewesen. Erst am 12. September 1940 verlangte die Gestapo, dass alle noch in Luxemburg verbliebenen Juden das Land innerhalb von zwei Wochen zu verlassen hatten. Könnte es sein, dass Bodson Baum einen Hinweis gegeben hätte, rasch zu handeln?

Café und Krieg

Die Armistice vom 11. November 1918 hatte Luxemburg in eine tiefe wirtschaftliche und politische Krise gestürzt. Das Land musste aus dem Zollverein mit Deutschland austreten und seine Wirtschaft neu ausrichten. Der Ausschank deutscher Biere war unmittelbar gestoppt, es wurde nur noch das einheimische Henri-Funck-Bier gereicht. Wesentlicher ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass bereits eine Woche nach der Armistice, und dann noch kurz vor der Unterzeichnung des Versailler Vertrages, Luxemburger Geschäftsleute ihre Wertpapiere im Café Belge öffentlich versteigerten, um ihr Kapital in Cash umzuwandeln.

Am 21. November 1918 zogen unter General John Joseph Pershing (1860-1948) 1.500 amerikanische Soldaten in Luxemburg ein. Das Café Belge, das als Sitz des American Club diente, pries sich damals in der Presse als „Restaurant for American soldiers – English spoken“ (l’Indépendance luxembourgeoise 5/12/1918). Charles Baum unterstützte unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg die Initiativen zur Errichtung von zwei Denkmälern zu Ehren der für Longwy gefallenen Soldaten. Dies erklärt, weshalb die „Anciens combattants d’Alsace et de Lorraine“ gerne bei ihm im Café Belge einkehrten.

Spanischkurse im Café

Das Café Belge steht ebenfalls für Migrationsgeschichte. Ab 1924 versammelte sich hier die „Société de secours espagnole“. Sie setzte sich aus spanischen Bürgern zusammen, welche sich infolge des Ersten Weltkrieges und der damit verbundenen wirtschaftlichen Probleme in Luxemburg niedergelassen hatten. Man fand sie vorwiegend im Industriegewerbe, in der Landwirtschaft und im Handel. Um die Beziehungen zwischen Luxemburg und Spanien zu fördern, organisierte der „Club espagnol“ im Café Belge Sprachkurse nach der Berlitz-Methode. Bälle und Konzerte im Café Belge et Excelsior sollten ebenfalls die Beziehungen zwischen beiden Ländern bekräftigen. Könnten sich hier auch Luxemburger getroffen haben, welche sich als Freiheitskämpfer im spanischen Bürgerkrieg 1936 beteiligten? Hier bleibt noch ein Forschungsfeld offen. Belgier werden von den Quellen nur kaum als Kunden erwähnt.

Eigentliches Clubhouse der Stadt

Das Café Belge & Restaurant Excelsior fungierte ab 1889 bis 1965 faktisch als Clubhouse der Stadt Luxemburg. Der erste Verein, der sich hier niederließ, hieß „Elo ass et esou“, die letzte Eintragung war die „Centrale du chien d’agrément“. Insgesamt 20 Vereine wurden hier gegründet oder hatten hier ihren Sitz. Zu den bedeutendsten Vereinen gehörten die „Société de gymnastique“, der nationale Schachspieler-Verband, der „Automobile club“, der Swimming Club, die Fechtvereine „Escrime“ und „Fleuret“, die „Fédération luxembourgeoise de natation et de sauvetage“, der „Mouvement européen“, die „Association des étudiants et des diplômés universitaires en sciences économiques, commerciales, politiques et sociales“. Die Teilnahme Luxemburgs an den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam wurde hier diskutiert.

Im Café Belge trainierten die Luxemburger Teams, welche an den Schacholympiaden in Tel Aviv und Havanna teilnahmen. Auch als sozialer, kultureller Treffpunkt spielte das Café Belge ab 1864 eine Rolle, als erstmals die Sängergesellschaft Böhmen hier auftrat. Die Jury zum Wettbewerb „Gedichte und Lieder“ traf sich hier 1938. Wohltätigkeitskonzerte fanden hier statt, Künstler auf Tournee traten hier auf. Das kulturelle Angebot gegenüber mehreren Wirtshäusern im Bahnhofsviertel oder in der Oberstadt bleibt im Vergleich zu diesen allerdings bescheiden. Auch nur selten trafen oder bildeten sich hier Berufssyndikate. Die günstige Lage am Paradeplatz und der Versammlungssaal im ersten Stockwerk lockten über Jahrzehnte Notare, welche hier Haus- oder Möbelversteigerungen veranstalteten. Besonderer Kunde war die Verwaltung „Ponts & chaussées“, welche zwischen 1946 und 1963 Fallobst staatlicher Straßenbäume zum Niedrigstpreis öffentlich versteigern ließ.

„Wimpy“ und „Kofferpaan“ läuten eine neue Ära ein

Ende der 1960er Jahre findet ein starker Wandel im Wirtshausgewerbe statt. Die öffentliche Bekämpfung von Alkoholismus, der Ruf nach Versammlungsorten ohne Konsumzwang, die Sorge um die Gefahrensicherheit der Lokale erklären die Entstehung von kommunalen Kulturzentren. Das Vereinsleben verlagerte sich nun in diese neuen Räumlichkeiten. Gleichzeitig veränderte sich jedoch auch die Luxemburger Gesellschaft und damit das Vereinsleben allgemein. Zusammen mit der Entwicklung des Finanzplatzes wird die Stadtbevölkerung und Kundschaft des Hauses am Paradeplatz internationaler. Sie ist an die Hotellerie-Standards in Großstädten gewöhnt. Für die lokalen Wirtshäuser verlangt dieser Wandel ein Umdenken.
So bricht auch am Paradeplatz, 1970, mit der Eröffnung des „Wimpy-Ville“ eine neue Ära heran. „Wimpy“ war die erste Franchise-Marke in Luxemburg.

„Kofferpaan“ 1977, place d’Armes
„Kofferpaan“ 1977, place d’Armes © Marcel Tockert/Photothèque de la Ville de Luxembourg

Das von der Gesellschaft „Happy Snacks“ eingerichtete zweite Hamburger-Restaurant in Luxemburg richtete sich an eine junge und berufstätige Kundschaft. Der Name „Wimpy“ erinnert an Mr. J. Wellington Wimpy, die Hamburger-süchtige Cartoon-Figur aus der Comic-Serie „Popeye“. Eine vollautomatische Kücheneinrichtung erlaubte es, 411 Hamburger, aber auch Pizzas oder Pommes frites in nur einer Stunde herzustellen. Die Werbung an der Fassade des 107 Gäste umfassenden Restaurants war bewusst leuchtend und jugendlich gestaltet. Das Restaurant „Kofferpaan“, welches im selben Jahr im selben Haus öffnete, wurde zuerst als Bierstube mit deftiger Küche geführt. Kennzeichnend war der aus der Brauerei Henri Funck stammende Sudkessel aus dem Jahre 1900, der als Schanktisch diente.

1976 erfolgte eine Vergrößerung und Umbau der Küche, um sich auf die „Nouvelle cuisine française“ einzustellen. 1979 wurde ein weiterer Saal für Banketts, Geschäftsdinner und Familienfeste dem Restaurant hinzugefügt. Im oberen Stockwerk des Hauses befand sich das „Pub on the Top“ mit Waffensammlungen und Abbildungen von Schlachtszenen an den holzbekleideten Wänden. Kupferne Wandlaternen spendeten ein gedämpftes gelbliches Licht. Die vornehme Kassettendecke und die mit blassbraunem Leder überzogenen Stühle und Schemel schufen einen exquisiten Rahmen zum lauschigen Verweilen. Ende der 1980er Jahre nannte sich das Lokal kurz „Orangerie“.

Von 1989 bis 2019 befand sich „Chi-Chi’s“, das erste mexikanische Restaurant Luxemburgs, in den ehemaligen Räumlichkeiten Wimpys. 2020 eröffnete hier das latino-amerikanische Restaurant „Qosqo“ mit seiner Chill Lounge. 170 Jahre Wirtshausgeschichte zeigen, wie sich ein typisches Stadtlokal zum Treffpunkt einer internationalen und touristischen Gesellschaft wandelt.

„Chi-Chi’s“, das erste mexikanische Restaurant Luxemburgs
„Chi-Chi’s“, das erste mexikanische Restaurant Luxemburgs © Jean-Pierre Fiedler/Photothèque de la Ville de Luxembourg

Quellen:
– https://www.yadvashem.org/righteous/stories/bodson.html

– Charles Baum 90 Jahre alt, in Luxemburger Wort, N° 162, 11 juin, Luxembourg, 1971, p. 10

– Notoriété internationale, in D’Lëtzeburger Land 11 septembre, Luxembourg,1998, N° 37, p. 7

– Philippart, Robert L., Café Belge et Excelsior – Wimpy II – Kofferpaan – Pub on the Top, 170 ans d’histoire gastronomique à la place d’Armes, in Horesca, N° 3-5, Luxembourg, 2022

– Chronique de „d’Kofferpân“, in d’Lëtzeburger Land, N° 49, 4 décembre 1970, p. 6