USAOberstes US-Gericht erlaubt strengere Abtreibungsgesetze – erster Bundesstaat verbietet Abtreibungen

USA / Oberstes US-Gericht erlaubt strengere Abtreibungsgesetze – erster Bundesstaat verbietet Abtreibungen
„Pro-Life“-Anhänger umarmen sich: Nach dem Urteil jubeln die Konservativen Foto: AFP/Mandel Ngan

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Republikanern und religiöse Konservative in den USA jubeln. Seit Jahren haben sie auf dieses Ziel hingearbeitet. Jetzt hat das Oberste US-Gericht den Weg für strengere Abtreibungsgesetze freigemacht. Ein erster Bundesstaat hat schon reagiert.

Das Oberste Gericht der USA hat nach fast 50 Jahren das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt. Abtreibung werde nicht von der Verfassung geschützt, schrieb der konservative Richter Samuel Alito für die konservative Mehrheit am Supreme Court. Mit der Entscheidung können nun in zahlreichen Bundesstaaten strenge Abtreibungsgesetze bis hin zum weitgehenden Verbot in Kraft treten.

Das Urteil sorgte bei Republikanern und religiösen Konservativen, die seit Jahrzehnten auf diese Entscheidung hingearbeitet hatten, für Jubel. „Wir begrüßen diese historische Entscheidung, die unzählige unschuldige Leben retten wird“, schrieben die führenden Republikaner im US-Kongress, Kevin McCarthy, Steve Scalise und Elise Stefanik, in einer gemeinsamen Erklärung. Demokraten und Frauenrechtler zeigten sich entsetzt. „Dieses grausame Urteil ist empörend und herzzerreißend“, sagte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.

In einem Grundsatzurteil hatte der Supreme Court 1973 im Fall Roe v. Wade (Roe gegen Wade) landesweit Abtreibungen bis zur Lebensfähigkeit des Fötus, also etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche, ermöglicht. Damals leitete das Gericht ein bundesweites Recht auf Abtreibung aus dem Recht von Frauen auf Privatsphäre ab. „Roe war von Anfang an ungeheuerlich falsch“, schrieb Alito. „Die Argumentation war außerordentlich schwach, und die Entscheidung hat schädliche Folgen gehabt.“

Dieses grausame Urteil ist empörend und herzzerreißend

Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses

Sechs der neun Richter am Supreme Court bestätigten ein Gesetz aus Mississippi, das die Abtreibung nach der 15. Schwangerschaftswoche verbietet. Der Richter John Roberts wollte aber nicht so weit gehen, das Grundsatzurteil von 1973 zu kippen, sodass das Votum zur Aufhebung von Roe v. Wade mit fünf zu vier Stimmen knapper ausfiel.

Die liberalen Richter übten scharfe Kritik am Urteil der konservativen Mehrheit. Es „hat zur Folge, dass eine Frau vom Moment der Befruchtung an keine nennenswerten Rechte mehr hat“, schrieben Stephen Breyer, Sonia Sotomayor und Elena Kagan in einer gemeinsam verfassten abweichenden Meinung. „Der Staat kann sie zwingen, eine Schwangerschaft zu Ende zu bringen, selbst wenn dies mit hohen persönlichen und familiären Kosten verbunden ist.“

Erste Verbote

Republikanische Präsidenten hatten immer wieder versprochen, nur Richter zum Obersten Gericht zu ernennen, die das Recht auf Abtreibung kippen würden. Donald Trump gelang es während seiner vierjährigen Amtszeit, drei konservative Richter zu ernennen, wodurch sich das Gericht nach rechts bewegte. Sechs der neun Richter gelten als konservativ. Alle drei von Trump ernannten Richter – Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett – stimmten für die Aufhebung von Roe v. Wade.

Obama: Aufruf zu Protesten

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hat zum Widerstand aufgerufen. „Heute hat der Oberste Gerichtshof nicht nur fast 50 Jahre Präzedenzfälle rückgängig gemacht, er hat die persönlichste Entscheidung, die jemand treffen kann, den Launen von Politikern und Ideologen überlassen – und die grundlegenden Freiheiten von Millionen von Amerikanern angegriffen“, schrieb Obama bei Twitter.
Obama teilte zudem einen Bild mit einem Text: „Schließt euch den Aktivisten an, die seit Jahren Alarm schlagen beim Zugang zu Abtreibungen, und handelt. Steht mit ihnen bei einem örtlichen Protest“, hieß es dort. Seine Frau Michelle Obama schrieb: „Ich bin untröstlich für die Menschen in diesem Land, die gerade das Grundrecht verloren haben, fundierte Entscheidungen über ihren eigenen Körper zu treffen.“ Der Richterspruch müsse ein Weckruf vor allem für junge Menschen sein.

Nach dem Urteil des Obersten Gerichts kann jeder der 50 Bundesstaaten über ein regionales Recht auf Abtreibung entscheiden. 13 von ihnen haben bereits Gesetze erlassen, die nach dem nun erfolgten Wegfall der bundesstaatlichen Regelung die Abtreibung stark einschränken. Es gilt als wahrscheinlich, dass letztendlich 26 der 50 Bundesstaaten das Abtreibungsrecht stark beschneiden werden.

Missouri ließ dann auch nicht lange auf sich warten und hat als erster US-Bundesstaat nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs in den USA Abtreibungen verboten. „Missouri ist seit gerade eben der Erste im Land, der Abtreibungen wirksam ein Ende setzt“, erklärte der Justizminister des Staates im Mittleren Westen, Eric Schmitt, am Freitag auf Twitter. Ein Gesetzentwurf der Demokraten für ein Recht auf Abtreibung auf Bundesebene war Mitte Mai im Senat gescheitert.

Die heiß geführte Debatte um Abtreibung dürfte auch bei den Kongresswahlen im November ein wichtiges Thema sein. Umfragen zufolge spricht sich die Mehrheit der Amerikaner für ein Recht auf Schwangerschaftsabbrüche aus. „Die Rechte der Frauen und aller Amerikaner stehen im November auf dem Stimmzettel“, sagte Pelosi.