JustizministerinNach Eierwürfen und „Spaziergängen“: Gesetzesänderung soll Privatsphäre besser schützen

Justizministerin / Nach Eierwürfen und „Spaziergängen“: Gesetzesänderung soll Privatsphäre besser schützen
 Symbolbild: Pixabay

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Eierwürfe, „Spaziergänge“, gepostete Telefonnummern: Gegner der Corona-Maßnahmen dringen in die Privatsphäre von Politikern und Journalisten ein. Das Justizministerium will dem mit einer Gesetzesänderung entgegenwirken. Zudem sollen Polizisten mehr Befugnisse bei Ermittlungen im Netz erhalten – und einige Strafen härter ausfallen. 

Es ist schon dunkel, als die Kamera angeschaltet wird. „Wir gehen auch heute spazieren“, sagt die Frau im Bild. Dann nennt sie eine Straße. „Hier wohnen, wenn wir richtig liegen, Frau Lenert und Herr Kox“, sagt sie. „Wir haben uns gedacht, dass es wichtig ist, dass sie uns spazieren gehen sehen.“ Man müsse noch etwas den Berg hochlaufen, um zur richtigen Hausnummer zu gelangen. Die Frau nennt eine Hausnummer. „Dann werden wir wahrscheinlich eine kleine Kerze vor die Tür stellen.“ Das kurze Video postete sie in einem sozialen Netzwerk. 

Gegner der Corona-Maßnahmen waren am Dienstagabend vor den Privathäusern der Luxemburger Minister Paulette Lenert und Henri Kox aufgetaucht. Vor Lenerts Haustür stellten sie eine Kerze. Nicht zum ersten Mal, wie die Politikerin am Mittwoch gegenüber dem Tageblatt sagte. „Ich habe Verständnis dafür, wenn man vor einem Ministerium oder der Chamber demonstriert“, sagte Lenert. „Aber wenn das in die Privatsphäre geht, dann ist das nicht angenehm.“

Auch Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) zeigt sich über diese Entwicklung besorgt. „Ich finde das wirklich problematisch“, sagt sie am Donnerstagabend gegenüber dem Tageblatt. „Die Familie hat damit nichts zu tun.“ Zudem gebe es den moralischen Aspekt, dass die demokratische Auseinandersetzung nicht im privaten Bereich stattfinden sollte – sondern im öffentlichen, zum Beispiel vor einem Ministerium.

Die Grünen-Politikerin Sam Tanson ist seit September 2019 Justizministerin
Die Grünen-Politikerin Sam Tanson ist seit September 2019 Justizministerin Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Bei Corona-Protesten am 4. Dezember hatten Demonstranten Eier auf das Privathaus von Premierminister Xavier Bettel geworfen und das Auto seines Mannes zerkratzt. Auch vor dem Haus von Corinne Cahen tauchten Corona-Gegner auf. Die Familienministerin musste mitsamt ihrer Familie das Gebäude verlassen. Die Gegner der Corona-Maßnahmen versuchen aber nicht nur, Politiker einzuschüchtern. Auch das Haus eines Journalisten sei mit Eiern attackiert worden, sagt Tanson. Und: „Ich weiß, dass eine Reihe von Journalisten exponiert wurden, mit Handynummern und Adressen.“

Dazu gibt es ein prominentes Beispiel: Im Dezember hatte der ADR-Abgeordnete Roy Reding die Handynummer eines Tageblatt-Journalisten in einer Impfgegner-Gruppe auf Telegram veröffentlicht – ein No-Go, über das sogar die Chamber diskutierte. „Es ist inakzeptabel, dass die Nummer eines Journalisten in einem Kontext geteilt wird, in dem man davon ausgehen muss, dass diese dafür genutzt wird, um den Journalisten zu stigmatisieren“, sagte Premier- und Medienminister Xavier Bettel in seiner Rede vor dem Plenum.

Das Justizministerium arbeitet vor dem Hintergrund eines besseren Schutzes der Privatsphäre an einer Gesetzesänderung, bestätigt Tanson am Donnerstag. Ihr schwebt eine Regelung vor, wie sie in Frankreich seit August des vergangenen Jahres gilt. Seitdem steht im Hexagon unter Strafe, Informationen über das Privatleben einer Person preiszugeben, die es ermöglichen, diese Personen zu identifizieren und zu lokalisieren und ihr Schaden zuzufügen. „Es muss nicht sein, dass dieser Schaden später auch realisiert wird – aber der Sinn sollte sein, dass man sich nicht einfach einen Spaß daraus macht“, sagt Tanson. Sie habe das Video der „Spaziergängerin“ gesehen. „Das war schon ein wenig provokativ, ganz genau wurden die Straße und die Hausnummer genannt.“

Die Gesetzesänderung könnte schon bald auf den Instanzenweg gehen. „Ich denke, dass wir es innerhalb von ein paar Wochen vorlegen können“, sagt Tanson. „Dann hängt es davon ab, wie schnell wir ein Gutachten vom Staatsrat bekommen und das Gesetz verabschiedet werden kann.“ Neben dem Umgang mit Privatadressen sollen noch drei weitere Dinge anders geregelt werden. Beim Straftatbestand der Rebellion sollen die Strafen in Zukunft härter ausfallen können. Und auch, wenn auf Polizeibeamte gehustet oder gespuckt wird. „Das hat im aktuellen Covid-Kontext eine ganz besondere Notation“, sagt Tanson. Zudem soll es Polizisten vereinfacht werden, sich für Ermittlungen unter einem Pseudonym in soziale Netzwerke einzuklinken. Bis jetzt sei das nur bei der Verfolgung von schwerwiegenden Verbrechen wie Terrorismus oder Staatsgefährdung möglich gewesen. „Wir müssen das auf andere Delikte ausweiten, damit das auch in anderen Fällen gemacht werden kann“, sagt Tanson.

„Punktuelle Anpassungen“

Es gebe viele Problematiken, die mit der Verbreitung und Nutzung der sozialen Medien einhergehen und die sich auch im aktuellen Strafrecht widerspiegeln, sagt die Ministerin. Aber hier bestehe Handlungsbedarf. „Wir haben eine Analyse gemacht, was in der Praxis momentan fehlt oder nicht genügend präsent ist, um der Polizei im aktuellen Kontext mehr Mittel zu geben“, sagt Tanson. Ein Demonstrationsgesetz bekäme man nicht von heute auf morgen auf den Instanzenweg, weil es viele unterschiedliche Fragen und Ressorts berühre. Die geplanten Gesetzesänderungen seien deshalb zwar nur „punktuelle Anpassungen“, die das Problem an sich nicht lösen werden. „Aber hier sind wir der Meinung, dass wir nachbessern können und nachbessern müssen.“  

Die Polizei habe schon viele Möglichkeiten zu agieren und unter Beweis gestellt, dass sie das auch kann. „Es ist sehr vielschichtig, das Problem – es geht um das Politische, Gesellschaftliche, und die Stimmungslage“, sagt Tanson. „Das kriegen wir nicht mit vier Texten in den Griff.“ 

Gunstick
28. Januar 2022 - 14.48

Ein anti-doxxing paragraph kann aber auch die Pressefreiheit betreffen. Konkretes Beispiel: Wer wird entscheiden ob es OK ist, die Anführer der Demonstrationen mit Namen und Foto zu nennen? Meist sind die ja froh, genannt zu werden, aber die Schwurbler willen das nicht. Und könnten dann das Gesetz zu ihren Gunsten benutzen. In Deutschland werden z.B. schon Schwurblervideos von Twitter gelöscht weil die nicht vom Tweetschreiber sondern vom Scjwurbler gefilmt sind.