Neue StudieWie umweltschädlich Plastik wirklich ist

Neue Studie / Wie umweltschädlich Plastik wirklich ist
Saubermachen an einem pakistanischen Strand: Forscher haben sich die Produktion von Plastik angeschaut und ziehen eine düstere Bilanz Foto: AFP/Asif Hassan

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Wissenschaftler haben nachgewiesen, wie schädlich Plastik wirklich ist. Dabei geht es um mehr als überfüllte Deponien, Plastikflächen im Meer oder Mikroplastik in Meerestieren. Jetzt rückt der Dreck, den die Plastik herstellende Industrie produziert, in den Fokus.

Wissenschaftler der ETH Zürich haben nachgewiesen, dass sich die negative Bilanz von Plastik auf die Umwelt seit 1995 verdoppelt hat. Die Studie, in der jüngsten Ausgabe von Nature Sustainability veröffentlicht, führt dies auf die steigende Plastikproduktion vor allem in den Ländern zurück, die ihre Energie aus Kohlekraftwerken beziehen.

„Bislang ging man vereinfachend davon aus, dass die Produktion von Plastik ungefähr gleiche Mengen an fossilem Brennstoff erfordert, wie als Rohstoff – meistens Erdöl – in Plastik enthalten ist“, sagt Livia Cabernard, Doktorandin am Institute of Science, Technology and Policy (ISTP) der ETH Zürich. Nur hatte man das relative Gewicht der Produktion gegenüber der Entsorgung bislang deutlich unterschätzt. In vorherigen Untersuchungen war der Energieaufwand für die Produktion und den Vertrieb von Plastikartikeln unerwähnt geblieben. Doch nur wenn man diesen hinzuzieht – davon sind die Studienautoren überzeugt –, kann man den wirklichen Kohlenstofffußabdruck der weltweiten Plastiknutzung errechnen.

Die Studie blickte insbesondere auf Chinas Transportsektor, die indonesische Elektronikindustrie und das indische Bauwesen. „Der kunststoffbezogene Kohlenstofffußabdruck in diesen Bereichen hat sich seit 1995 um das 50-fache gesteigert“, erklärt Cabernard, Hauptautorin der aktuellen ETH-Studie.
Vor allem ist jedoch der deutlich gestiegene Bedarf an Plastikartikeln in der westlichen Welt dafür verantwortlich, dass die Umweltbilanz in den Herstellerländern des Fernen Ostens Negativrekorde erzielt.

Westlicher Konsum belastet Asiens Umwelt

Der Plastikbedarf in den Industrienationen des Westens – insbesondere Europas, der USA, Kanada und Australiens – wächst ständig. Statistischen Angaben zufolge hat sich die Nachfrage in den vergangenen Jahrzehnten vervierfacht. Dabei wird der Bedarf der Industrieländer im Wesentlichen aus Importen gedeckt. Etwa 85 Prozent, so zeigt die aktuelle Studie auf, der in den genannten Ländern genutzten Plastikartikel werden in Schwellenländern wie China, Indien, Indonesien und anderen asiatischen Staaten produziert. Ein Fünftel des produzierten Kunststoffs wird für die Herstellung von Haushaltsartikeln genutzt, jeweils 14 Prozent nutzen die Bereiche Elektronikindustrie, Automobilbau sowie Bauwesen.

2015, so die Autoren, hatte der Kohlenstofffußabdruck von Kunststoffen einen Wert von zwei Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten erreicht. Das entsprach 4,5 Prozent der gesamten Treibhausgasemission jenes Jahres. Die interessante Erkenntnis der ETH-Forscher ist, dass nur vier Prozent dieser Summe vom Verbrennen oder Entsorgen der Kunststoffe generiert wurden. 96 Prozent der Emissionen entstanden hingegen bei der Produktion von Plastikartikeln.

Benötigte Energie aus Kohle

Für die Herstellung der Kunststoffe, so ermittelten es die Schweizer Forscher, wurde in den Jahren 1995 bis 2015 doppelt so viel Energie aus fossilen Brennstoffen verbrannt, als an Rohstoffen für die Produktion der Plastikartikel benötigt wurde. Insbesondere die kohlebasierte Energieproduktion in China und anderen asiatischen Staaten belastete die Umwelt.

Der Studie zufolge wurden 67 Prozent der benötigten Energie zur Kunststoffproduktion aus Kohlekraftwerken, 23 Prozent aus Erdöl- und zehn Prozent aus Erdgaskraftwerken gewonnen. Daraus entstand nicht nur eine enorme CO2-Emission, sondern auch eine hohe Feinstaubbelastung. Wird Kohle verbrannt, entstehen feinste Partikel, die sich in der Luft anreichern. Solcher Feinstaub ist stark gesundheitsschädigend. Da immer mehr Kohle in der Plastikproduktion verwendet wird, nehmen auch die negativen Folgen für die Gesundheit zu.

Klimaziele in Gefahr

„Die Nachfrage nach Kunststoffen ist im letzten halben Jahrhundert mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 8,4 Prozent gestiegen. Sie hat sich zwar inzwischen auf etwa vier Prozent pro Jahr verlangsamt, aber es gibt immer noch viel Raum für eine weitere Steigerung der Nachfrage, insbesondere in Entwicklungsländern. Daher denke ich, dass ein Anstieg von 40 Prozent in den nächsten 15 Jahren keine unrealistische Prognose ist“, erklärt Sangwon Suh, Professor für Industrielle Ökologie, Klimaschutz und Ökobilanzierung an der Bren School of Environmental Science and Management (University of California).
Wird dieser Bedarf aus der bislang praktizierten Produktion gedeckt, sind die Klimaziele des Pariser Abkommens in keinem Fall erreichbar.