„Wir verlieren zu viel Zeit“SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im Interview über AstraZeneca und Patente

„Wir verlieren zu viel Zeit“ / SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im Interview über AstraZeneca und Patente
„Vier Wochen reichen als minimaler Abstand“: Karl Lauterbach über AstraZeneca-Impfungen Foto: dpa/Kay Nietfeld

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach begrüßt eine Freigabe des Impfstoffs AstraZeneca für alle. Auch könne der Abstand zwischen der ersten und zweiten Impfung verringert werden, so Lauterbach im Gespräch mit unserer Redaktion.

Tageblatt: Herr Lauterbach, ist eine Freigabe von AstraZeneca für alle richtig?

Karl Lauterbach: Die Aufhebung der Priorisierung und die Freigabe für die unter 60-Jährigen sind richtig. Denn wir haben das Problem, dass der Impfstoff bei Älteren zwar eingesetzt werden soll, aber viele Termine nicht wahrgenommen werden. Dadurch verlieren wir zu viel Zeit im Kampf gegen das Virus.

Was Sie beschreiben hat aber etwas mit dem schlechten Ruf und den damit verbundenen Ängsten zu tun.

Das stimmt. Die Studienlage zeigt zwar bei den Jüngeren ein etwas erhöhtes Risiko einer Hirnvenenthrombose. Aber die Gefahr ist sehr überschaubar und im Verhältnis zum Nutzen der Impfung vertretbar. Das gilt auch für jüngere Frauen. Gleichwohl muss das jede und jeder Einzelne für sich entscheiden. Ich habe den Wirkstoff jedenfalls selbst auch genommen.

AstraZeneca hat eine sehr gute Schutzwirkung, gerade auch nach der ersten Impfung wirkt der Impfstoff schon sehr zuverlässig

Bleiben Sie dabei, AstraZeneca ist wirksamer als andere Impfstoffe?

Er spielt auf jeden Fall in der gleichen Liga wie andere Impfstoffe. Das habe ich immer gesagt. AstraZeneca hat eine sehr gute Schutzwirkung, gerade auch nach der ersten Impfung wirkt der Impfstoff schon sehr zuverlässig. Allerdings gilt auch: In der Praxis macht es keinen Unterschied, welchen Impfstoff man genommen hat, um die Erkrankung und einen schweren Verlauf zu verhindern.

Sollte man den langen Zeitraum zwischen der ersten und zweiten Impfung, der mitunter bei zwölf Wochen liegt, verkürzen?

Das kann man machen. Vier Wochen reichen als minimaler Abstand. Solche frühen Termine können in vielen Impfzentren ja auch vereinbart werden.

Wird denn der Wettkampf um freie Impftermine nun noch einmal verschärft?

Wenn AstraZeneca für die Priorisierung nicht mehr vorgesehen ist, ist es umso wichtiger, dass sie in den Impfzentren und bei den Ärzten trotzdem weiter umgesetzt wird. Besonders muss die Priorisierung bei Biontech und Moderna eingehalten werden. Ansonsten würden wir in der dritten Welle, in der wir uns immer noch befinden, unnötig viele schwere Fälle riskieren.

Die USA wollen jetzt den Patentschutz auf Impfstoffe aussetzen, die EU ist gesprächsbereit. Wie sinnvoll ist ein solcher Schritt?

Ich habe mich über die Ankündigung der USA gefreut. Hoffentlich kommt man mit der Europäischen Union zu einer gemeinsamen Lösung. Ich glaube aber nicht, dass ein solcher Schritt große Unterschiede bei der Produktion der Impfstoffe machen würde, die sehr komplex ist. Auch sind die Unternehmen bereits beteiligt an Projekten, ärmere Länder zu versorgen. Wichtig ist vor allem, dass Impfstoff beispielsweise auch in Indien produziert wird. Und zwar in einem Volumen, dass er für jeden erhältlich ist.