SozialpolitikBrüssel will höheren Mindestlohn

Sozialpolitik / Brüssel will höheren Mindestlohn
EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit stellte gestern den Vorschlag der Kommission zu den Mindestlöhnen in Brüssel vor Foto: AFP/Pool/Virginia Mayo

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Die EU-Kommission setzt sich für höhere Mindestlöhne und eine bessere Tarifbindung in allen Mitgliedstaaten ein. Dies geht aus dem Entwurf für eine neue EU-Richtlinie hervor, den die Behörde am Mittwoch in Brüssel vorlegte.

Verbindliche Vorgaben oder Eingriffe in die nationalen Lohnfindungs-Systeme seien jedoch nicht geplant, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte. Sie wolle „einen Rahmen für Mindestlöhne, der die nationalen Traditionen und die Tariffreiheit der Sozialpartner uneingeschränkt achtet“, so die Kommissionschefin. Einen EU-weiten Mindestlohn werde es mit ihr nicht geben.

Vielmehr setzt die EU-Kommission auf eine bessere Tarifbindung und eine striktere „Governance“. Die zuständigen Behörden und Sozialpartner sollen künftig verstärkt darauf achten, dass Mindestlöhne ein würdiges Leben ermöglichen und regelmäßig an Produktivitäts-Fortschritte angepasst werden. So will die EU-Behörde verhindern, dass Arbeitnehmer in die Armutsfalle geraten.

„Es darf nicht sein, dass Menschen, die einer Arbeit nachgehen, Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen“, erklärte Sozialkommissar Nicolas Schmit. Der Mindestlohn müsse fair und angemessen sein – als Richtwert gelten 60 Prozent des Medianlohns in einem Land. Allerdings wurde diese Zahl nicht zu einem verbindlichen Ziel gemacht; der Vorschlag bleibt im Kern unverbindlich.

Damit ist offen, ob das Ziel der „Aufwärts-Konvergenz“ – also steigender Löhne – erreicht werden kann. Bisher überspringen nur zwei EU-Länder (Portugal und Bulgarien) die 60-Prozent-Schwelle, auch Luxemburg liegt darunter. Gegen ein verbindliches Ziel hatten sich die Arbeitgeber gestemmt. Auch Schweden sagte Nein – das Land kennt keinen Mindestlohn, sondern setzt auf Tarifverträge.

EU-Staaten haben Mindestlöhnen bereits zugestimmt

Die geplante EU-Richtlinie wurde denn auch gegenüber ersten Entwürfen deutlich entschärft. Sozialdemokraten und Grüne reagierten enttäuscht. „Ohne klare, europaweite Messlatte wird es nicht die erhoffte Konvergenz und Angleichung der Löhne in Europa geben“, kritisierte die sozialdemokratische Europaabgeordnete Gaby Bischoff. Der Vorschlag aus Brüssel sei wichtig, greife aber zu kurz. Auch die Arbeitgeber sind mit dem Entwurf nicht zufrieden. Die EU-Kommission habe ein „rechtliches Monster“ vorgelegt, kritisierte Markus J. Beyrer vom Dachverband „Business Europe“. Viele Unternehmen kämpften wegen Corona jetzt schon ums Überleben, so Beyrer. Sie könnten sich keine „gefährlichen Experimente mit Mindestlöhnen auf EU-Ebene“ leisten.

Hinter der harschen Reaktion steht ein Grundsatzstreit um die Rechtsgrundlage. Die Arbeitgeber bestreiten, dass die EU für die Lohnfindung zuständig sei. Sozialkommissar Schmit hält dagegen: „Die Gewährleistung angemessener Mindestlöhne ist in Grundsatz 6 der europäischen Säule sozialer Rechte schwarz auf weiß festgehalten“, erklärte der Luxemburger. Die EU-Staaten hätten dem zugestimmt. „Wir zählen also auf ihr anhaltendes Engagement.“