Streit um RechtsstaatBerlin kommt Ungarns Regierungschef Orban entgegen

Streit um Rechtsstaat / Berlin kommt Ungarns Regierungschef Orban entgegen
EU-Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova fand in einem Interview die richtigen Worte gegenüber dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban, was diesen selbstredend verärgert Foto: John Thys und Ludovic Marin/various sources/AFP

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Ungarns Premier Orban fordert den Rücktritt von EU-Kommissarin Vera Jourova. Das Europaparlament will mehr Härte gegen Orban. Der ungewöhnlich hitzige Konflikt könnte auch das neue EU-Budget in Mitleidenschaft ziehen.

Aufruhr im Europaparlament, Empörung in der EU-Kommission: Der Streit um den Rechtsstaat in Ländern wie Ungarn oder Polen eskaliert und droht, auch das neue EU-Budget und den „historischen“ Corona-Hilfsfonds zu beschädigen. Für den größten Paukenschlag sorgte der ungarische Premierminister Viktor Orban. Er verlangt den Rücktritt der Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, die für die Grundwerte und den Rechtsstaat zuständig ist.

„Indem die Vizepräsidentin Ungarn eine ’kranke Demokratie’ nannte, hat sie Ungarn und die ungarischen Menschen beleidigt“, schrieb der rechtsnationale Politiker in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Diesewies Orbans Forderung jedoch umgehend zurück. Eine Sprecherin verwies gestern in Brüssel darauf, dass Jourova das „vollste Vertrauen“ der Kommissionschefin habe. Einen Rücktritt schloss sie aus.

Doch damit ist der Streit nicht beendet, im Gegenteil. Orban hat nämlich noch eine weitere Front aufgemacht – und mit einem Veto gegen das neue EU-Budget und den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfsfonds gedroht. Auch hier geht es um Demokratie und Rechtsstaat. Am Wochenende hatte der deutsche EU-Vorsitz einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der diese beiden Themen mit dem künftigen EU-Budget und Finanzhilfen aus Brüssel verknüpft. Geld aus dem Gemeinschaftshaushalt soll demnach künftig nur noch fließen, wenn die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat gewahrt werden. Wer die europäischen Grundwerte verletzt, soll dies mit Kürzungen bezahlen.

Doch der Entwurf des deutschen Ratsvorsitzes ist gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission deutlich abgeschwächt. Kürzungen bei den EU-Hilfen wären demnach nur noch möglich, wenn sich Verstöße gegen den Rechtsstaat direkt auf die Mittelverwendung auswirken. Orban müsste sich das Geld aus Brüssel also unter Umgehung aller EU-Regeln selbst in die Tasche stecken und die ungarische Justiz daran hindern, einem solchen Missbrauch nachzugehen. Und das müsste dann auch noch auffliegen.

Schleichender Abbau

Ein allgemeiner, schleichender Abbau von Rechtsstaat und Demokratie fällt hingegen nicht mehr unter den neuen Rechtsstaats-Mechanismus. Selbst offensichtliche Interessenskonflikte werden darin nicht mehr erfasst. Zudem wurden die Hürden für Strafen deutlich erhöht. Bisher war geplant, dass ein Vorschlag für Kürzungen schon dann als angenommen gilt, wenn der Ministerrat ihn nicht binnen einem Monat mit qualifizierter Mehrheit abweist oder verändert. Nun ist vorgesehen, dass über jede Sanktion vor dem Inkrafttreten abgestimmt werden muss – und eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist.

Damit wird es wesentlich schwerer, Ungarn, Polen oder andere autoritäre EU-Länder abzustrafen. Eine qualifizierte Mehrheit wird nämlich nur erreicht, wenn mindestens 15 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen. Dem Europaparlament passt die ganze Richtung nicht. Die deutsche Regierung sei Orban viel zu weit entgegengekommen, kritisieren Abgeordnete aller Fraktionen. Dies sei ein Zeichen von „Feigheit und Prinzipienlosigkeit“.

Besonders scharf geht der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund mit dem deutschen EU-Vorsitz ins Gericht. Die Abgeordneten würden von Berlin vor die Wahl gestellt, entweder zuzustimmen und das Corona-Programm zu retten – oder aber für den Rechtsstaat einzutreten. „Aber man kann das eine nicht für das andere opfern“, sagte Freund. Der Vorschlag sei „im Grunde eine Unverschämtheit“.

Für Unmut sorgt auch, dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zwar auf Orban zugegangen ist, aber nicht zu Kompromissen mit dem EU-Parlament bereit scheint. Ob die Abgeordneten nun ihre Drohung wahrmachen und das EU-Budget verzögern oder ablehnen, ist jedoch noch offen. Die Verhandlungen gehen weiter – unter Hochdruck und mit wüsten Beschimpfungen.

winston
30. September 2020 - 8.22

Esou Leit wei den Orban hun neischt op der politescher Bühn ze sichen.Dat ass een Diktator genau wei den Lukaschenko.An dann esou engem Fatzbeidel nach entgeintkommen?Do geseit een dass EU an den leschten Otemzich leit.