DeutschlandWegen des Flüchtlingskompromisses droht ein neuer Koalitionskrach – die Positionen der Parteien

Deutschland / Wegen des Flüchtlingskompromisses droht ein neuer Koalitionskrach – die Positionen der Parteien
In Deutschland kam es in mehreren Städten, wie hier in Berlin, nach dem Brand im Lager Moria zu Solidaritätskundgebungen Foto: John MacDougall/AFP

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Der Koalitionskompromiss, 1.553 anerkannte Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen, ist gerade mal drei Tage alt. Schon ringt die Große Koalition wieder darum, ob angesichts der Lage vor Ort nicht mehr Menschen ins Land geholt werden müssen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans meinte gestern: „Ginge es nach der SPD, könnten Bundesländer und Städte ungehindert helfen und Flüchtlinge aufnehmen. Aber CDU und CSU blockieren hier.“ Neuer Krach droht. Wer will jetzt was?

CDU/CSU: In den Unionsparteien ist man sich einig – der Kompromiss gilt. Man beherzige den Grundsatz von Humanität und Ordnung. „Die SPD sollte der Versuchung widerstehen, in einen Wettbewerb der Zahlen einzutreten“, droht CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Auch warnt die Union davor, mit der „Moralkeule“ andere Länder weiter unter Druck zu setzen. Das erschwere eine solidarische Lösung in Europa. Die Abgeordneten, die anfangs deutlich mehr Menschen aufnehmen wollten, sind nun nicht mehr zu vernehmen. Die Kritik in der Unionsfraktion macht sich jetzt am deutschen Alleingang fest. Mehr Flüchtlinge sollen überhaupt nur dann geholt werden, wenn es ein europäisches Konzept gibt.

SPD: Eine „hohe vierstellige Zahl“ an Schutzbedürftigen wollte Parteichefin Saskia Esken in Deutschland aufnehmen. Daraus ist nichts geworden. Diese Vorgabe soll bei den Verhandlungen mit der Union auch keine Rolle gespielt haben. In der SPD wird der Kompromiss kritisch gesehen, zumal die Menschen des auf Lesbos abgebrannten Camps Moria weitgehend außen vor bleiben. Es heißt: Eine Priorisierung derer, „die da dringend weg müssen“, wäre besser gewesen. Den Ton bei diesem Thema gibt derzeit Kanzlerkandidat Olaf Scholz an. Auch er weiß, wie polarisierend die Debatte werden könnte. Deswegen bremst er. Demgegenüber möchte Walter-Borjans das deutsche Engagement ausweiten. Er sucht den Konflikt mit der Union.

AfD: Ihre Position ist sehr klar: Sie lehnt es ab, Migranten aus Griechenland nach Deutschland zu holen. „Das Einfliegen von Migranten aus Moria schafft weitere Anreize, Flüchtlingslager weltweit in Brand zu stecken und so ein Ticket nach Deutschland zu erpressen“, betont AfD-Vize Stephan Brandner. Der Regierung wird von der AfD vorgeworfen, die Fehler in der Flüchtlingskrise 2015 zu wiederholen.

Hoffen auf eine europäische Lösung

FDP: Die FDP lehnt den deutschen Alleingang ab, stattdessen brauche es einen  „kraftvollen Versuch“ für eine europäische Lösung, so Parteichef Christian Lindner. Er will zudem einen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Gemeinden veranstalten. Erst nach einem solchen Treffen könne abgeschätzt werden, welche Kapazitäten Deutschland überhaupt habe und welchen Regelungsbedarf es noch gebe.

Linke: Die Bundesregierung soll nach dem Willen der Linken Bundesländern und Kommunen erlauben, möglichst viele Flüchtlinge aus den Lagern aufzunehmen. Das sei „problemlos machbar“, so Parteichef Bernd Riexinger. Selbst wenn einige der Bewohner das Feuer in Moria gelegt hätten, „das Aufbegehren gegen menschenverachtende Umstände ist absolut verständlich und legitim“, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Ulla Jelpke.

Grüne: Die Grünen sehen in der Aufnahme von 408 Familien nur ein „Scheinangebot“. Um signifikant Druck aus der Lage vor Ort zu nehmen, sei „eine schnelle Aufnahme“ von 5.000 Menschen erforderlich, so Fraktionschefin Göring-Eckardt. Laut der Parteivorsitzenden Annalena Baerbock muss sogar über diese Zahl hinausgegangen werden. Auch die Grünen hoffen auf eine europäische Lösung.