Corona-KriseOhne Regeln geht es doch nicht: Bettel will Privatpartys einschränken

Corona-Krise / Ohne Regeln geht es doch nicht: Bettel will Privatpartys einschränken
Premierminister Xavier Bettel ärgerte sich bei der gemeinsamen Pressekonferenz über die „unverantwortlichen“ Partygänger.  Foto: Editpress/Tania Feller

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Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – so könnte das neue Motto der Luxemburger Regierung lauten. Nachdem die Zahlen der an Corona erkrankten Personen in den vergangenen Tagen sprunghaft angestiegen sind – am Mittwoch wurden 46 Neuinfektionen gemeldet –, sollen wieder Regeln für das Privatleben eingeführt werden. Zumindest sofern der Staatsrat nicht erneut eine „opposition formelle“ einlegt. 

Premierminister Xavier Bettel (DP) ist verärgert. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen und strenger Stimme wettert er am Mittwochmittag gegen jene Mitbürger, die „unverantwortlich“ Privatpartys mit „100 oder 200 Personen“ veranstaltet hätten. Allein 24 Infektionen seien auf eine einzige Party zurückzuführen. Begonnen hatte er die Pressekonferenz nach dem Regierungsrat noch mit den Worten „Vertrauen ist gut und wichtig“, aber schnell wird klar, dass es nach Sicht der Regierung ohne strenge Regeln im privaten Bereich nicht weitergehen kann. 

Deswegen soll nun Schluss sein mit den „Ratschlägen“ und handfeste Beschränkungen müssen her. Man wolle nun doch einen Gesetzestext ausarbeiten, nach dem private Ansammlungen von über 20 Personen nur unter Befolgen strenger Auflagen stattfinden können. Dazu gehören das Tragen eines Mundschutzes und das Einhalten des Sicherheitsabstands. Wer sich nicht daran halte, müsse mit Strafen rechnen. Bars und Cafés, die die Regeln nicht befolgen, droht Bettel mit dem Entzug der Terrassenerlaubnis und sogar mit der Schließung des Lokals. „Aber das möchte ja niemand.“

Unklar bleibt allerdings, wie die Regierung die Einhaltung der Regeln im privaten Bereich durchsetzen möchte. Das Problem hatte sich schon während dem „état de crise“ gestellt. Wie damals betont Bettel, dass Luxemburg nicht zum „Denunziantenstaat“ verkommen soll. Die Frage, auf welche Weise die Polizei allerdings einschätzen soll, ob nun 20 oder 30 Personen in einem Apartment feiern, bleibt offen. 

Zweiter Anlauf beim Staatsrat

Außerdem ist unklar, ob das gewünschte Gesetz überhaupt Wirklichkeit wird. Ein ähnlicher Zusatz im vor kurzem verabschiedeten Pandemie-Gesetz war an einer „opposition formelle“ des Staatsrats gescheitert. Wieso ein neuer Anlauf nun doch auf Zustimmung stoßen soll, erklärt Bettel nicht weiter. Man „vertraue darauf“, dass der Staatsrat nicht wieder die Handbremse zieht. Sonst seien der Regierung die Hände gebunden. 

Wahrscheinlich hofft Bettel, dass die nun wieder steigenden Infektionszahlen den Staatsrat umstimmen werden. Zwar sprechen sowohl der Premier wie auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) nur von einer „steigenden Tendenz“ und vermeiden es tunlichst, die Bezeichnung „zweite Welle“ auch nur ansatzweise in den Mund zu nehmen. Doch beide sehen die Schuld an der negativen Entwicklung im Privatleben der Bürger. 

Ein Cluster bezeichnet laut Prof. Dr. Ulf Nehrbass vom Luxembourg Institute of Health (LIH) „ein Infektionsherd, der, ausgehend von einer oder mehreren Personen, zu einer Aggregation von neuen Fällen führt, in der eine oder mehrere Infektionsketten initiiert werden, die geografisch und zeitlich begrenzt sind“. Einfach ausgedrückt: Von einem Cluster spricht man, wenn eine oder mehrere Personen an einem Ort mehrere andere Menschen infizieren. Diese fänden sich in der Regel nicht auf der Arbeit oder in der Schule, erklärt Lenert. Dort handele es sich meistens um Einzelfälle. Die Ansteckungen seien auf Kontakte aus dem Privatleben zurückzuführen. In einer einzigen Firma sei es in den vergangenen vier Tagen zu einem Cluster mit zehn positiv getesteten Personen gekommen. Aber eine Verbindung zu der Privatparty mit 24 Infektionen sei nicht auszuschließen, unterstreicht Lenert. Man sei gerade dabei, zwei weitere potenzielle Cluster zu identifizieren. Es handle sich hierbei um einen Kellner und einen Fotografen, die positiv getestet wurden.  

Tracing in Luxemburg

Überhaupt funktioniere das Tracing, also das Aufspüren der Kontakte von infizierten Personen, überall dort sehr gut, wo Personen genau angeben können, wo und mit wem sie in den vergangenen Tagen und Wochen Zeit verbracht haben. Die so identifizierten potenziellen Coronavirus-Träger müssen sich dann testen lassen und in Quarantäne begeben. Dabei lobt Lenert besonders Betriebe und Behörden, die beim Tracing „gewissenhaft“ mitarbeiten würden. Schwieriger werde es, wenn Personen nicht genau sagen können, wo sie waren oder gefeiert haben und wer dort anwesend war. Das stelle das Team vor große Herausforderungen. 

Besagtes Team soll demnächst bis zu 100 Personen umfassen. Das behauptet die Regierung allerdings schon seit mehreren Wochen. Der Kritik, man habe sich, nachdem die nationale Reserve nun nach dem „état de crise“ nicht mehr für das Tracing zur Verfügung steht, nicht genug auf eine zweite Welle vorbereitet, weicht Lenert aus. Man sei dabei, weitere Personen, darunter Staatsbeamte anderer Dienste, auszubilden, um das Team zu verstärken. Luxemburg setze allerdings weiter auf analoges Tracing und schließt den Einsatz einer entsprechenden App aus. 

Das Tracing selbst funktioniere gut, sagt „Santé“-Direktor Dr. Jean-Claude Schmit nach der Pressekonferenz gegenüber dem Tageblatt. Sprachbarrieren gäbe es dank der Kenntnisse der verschiedenen Mitarbeiter kaum: Letztens habe man sogar einem rumänischen Staatsbürger, der in Luxemburg arbeitet, das Verfahren in seiner Sprache erklären können. Die meisten kontaktierten Personen würden sehr positiv auf die Anrufe reagieren und viele Fragen stellen. Ob sich aber alle an die Quarantäne halten, könne Schmit nicht sagen. Sogenannte Superspreader, also Personen, die mehr als zwei oder drei weitere Menschen anstecken, habe man in Luxemburg auch noch nicht ausmachen können. 

Testen, testen, testen

Die steigenden Infektionszahlen seien nicht auf das Large Scale Testing zurückzuführen, betont Lenert. Es würden nicht mehr Kranke gefunden werden, weil mehr getestet würde. Die Zahl der Personen, die sich wegen der typischen Covid-19-Symptome beim Arzt melden, würde stetig ansteigen und derzeit mehr als 70 Prozent der Fälle ausmachen. Erfreulich sei aber, dass sich deutlich mehr Personen am Large Scale Testing in Luxemburg beteiligen. Etwa ein Viertel der Einladungen seien bisher eingelöst worden. Allerdings werden bislang nur zehn Prozent aller Infizierten durch diese Tests aufgespürt.

Dr. Nehrbass vom LIH ist für das Projekt verantwortlich. „Die Haltung der Bevölkerung gegenüber den Tests hat sich deutlich verändert“, findet er. Am Anfang habe wohl die Meinung vorgeherrscht, dass nun das Gröbste vorbei sei und man wieder zurück zur Normalität könne. „Außerdem haben uns viele gefragt: Wieso soll ich mich testen lassen, wenn ich mich doch morgen wieder anstecken könnte?“, sagt Nehrbass und gibt zu: „Wir Forscher haben die Gründe für ein Large Scale Testing vielleicht auch nicht ausreichend erklärt.“ Nun aber würde die Zahl der Personen, die sich testen lassen möchten, stark ansteigen. „Uns rufen sogar einige an, deren Einladungen eigentlich schon abgelaufen sind“, sagt Nehrbass. Man sei deswegen dabei, zu überlegen, ob man die Zeitlimitierungen aufheben soll. 

Seit einigen Tagen wird aber auch Kritik geübt: Die eingesetzten Tests seien nicht präzise genug. Nehrbass hält dies für sehr unwahrscheinlich. Die Tests seien zu über 99 Prozent sicher. Der Experte gibt dem Tageblatt gegenüber außerdem bekannt, dass demnächst mit einer Auswertung der Daten der bisher Getesteten begonnen wird. Dabei wolle man sich an die bestehenden Datenschutzlinien halten, doch es sei wichtig, herauszufinden, welche Altersgruppen sich bisher haben testen lassen. „Uns liegen besonders die Risikogruppen am Herzen. Wir müssen wissen, wie viele von ihnen sich am Large Scale Testing beteiligen.“ Die Daten soll auch für die unterschiedlichen Berufsgruppen ausgewertet werden. Das Wichtigste sei, dass sich so viele Menschen wie möglich daran beteiligen. Oder, wie es Gesundheitsministerin Lenert im dringlichen Ton formuliert: „Bitte lassen Sie sich testen!“

Maskenpflicht

Die Maskenpflicht in Luxemburg bleibt weiter bestehen. Auch das hat Bettel während der Pressekonferenz am Mittwoch angekündigt. Im gesamten öffentlichen Verkehr müsse man eine Maske tragen. Ihm sei zu Ohren gekommen, dass sich immer mehr Bürger nicht mehr an diese Vorschrift halten. Dem müsse sofort Einhalt geboten werden. Auch in öffentlichen Gebäuden bleibt die Maskenpflicht bestehen.

Sorge um Medikamentennachschub
Laut internationalen Medienberichten haben die USA sämtliche verfügbaren Reserven des gegen Covid-19 effizienten Medikaments Remdesivir aufgekauft. Dieses wird von der amerikanischen Firma Gilead hergestellt. Die USA sollen mehr als 500.000 Dosierungen gekauft haben, die gesamte Produktion von Juli und 90 Prozent von dem, was im August und September hergestellt wird. Luxemburg habe aktuell noch eine Reserve des Arzneimittels, das auch hierzulande bei Covid-19-Patienten eingesetzt wurde – mit positiven Ergebnissen. Man habe zudem weitere Dosen bei Gilead bestellt und es sei nicht bekannt, dass diese Abmachungen nun annulliert seien, erklärt Dr. Jean-Claude Schmit.

Reisen ins Ausland
Auf die Frage, ob Luxemburger wegen der steigenden Infektionszahlen eventuell nicht mehr in bestimmte europäische Länder einreisen könnten, reagiert Bettel ausweichend. Man müsse diesen Ländern dann erklären, dass ja in Luxemburg besonders viel getestet würde, und zur Not intervenieren. Eine verwirrende Aussage, da Lenert betont hatte, dass die steigenden Infektionszahlen nichts mit dem Large Scale Testing zu tun hätten. 

Nationale Reserven
Sollte Luxemburg die Infektionszahlen im Griff behalten, dürfte es keine Probleme bei der Versorgung mit medizinischem Material geben, sagt Lenert. Es sei genügend Material vorhanden. Allerdings sei es wichtig, dass man dem aktuellen Trend entgegenwirke, da sich die Einweisungen ins Krankenhaus bisher immer zeitversetzt mit der Erhöhung der Infektionszahlen entwickelt haben. 

jean-pierre goelff
3. Juli 2020 - 16.11

Wann d'Leit eng Grimmel meï gingen iwwerléen,den Corona setzt nämlich nach hannert der Heck,dann misst eisen Premier keng esou schaarf Teïn ustemmen!

Picknicker
2. Juli 2020 - 11.48

@Tom Jo, gesinn dat och esou. Am Moment ass jo mol alles nach vunn der digitaler Welt ofgekoppelt (net ewéi an China), dat ass jo nach gut. Léisst een un d'Allégorie de la Caverne vum Platon denken, well d'Lait carrément nach no den Handschellen froen, well se esou voller Angst sinn, an sech dodurch erlichtert villen.

Riomain K
2. Juli 2020 - 10.58

Wesst dir iwwerhaapt waat een Polizeistaat ass?????? Ech mengen net. An d´Leit sollen sech einfach un bestehend Gesetzer an Regelen haalen. Mir hun z.b. eng greisser Familljenfeier am August vun ons selwer ofgesoot well mir ons einfach Suergen em ons Familljen machen. Ass dach net schweier.....oder?. .... Mee wann een net well dann well een eben net. Een gesonden Menschenverstand seet engem eigentlich daat mir den Moment matt Beschränkungen liewen mussen an op sech selwer oppassen muss. Mee bon, et gin och Leit: NACH MIR DIE SINNFLUT..................

Tom
2. Juli 2020 - 1.45

Wieviel Kontrolle, denn noch.. wenn das so weiter geht gehen wir ja nahezu in einen Polizeistaat und wer eine andere Meinung zu dem Virus vertritt wird schlussendlich auch noch verfolgt werden... Polizeistaat mit totalitären Charakter.. Ich hoffe nur, dass die gesamte Presse obwohl viele ja den Parteien nahe stehen trotz allem in Zukunft die Politik richtig in die Zange nimmt und sich auch wirklich für unsere Grundrechte einsetzt. Zuviel, zulange Macht ohne Kontrolle ist nie gut. MAl schauen ob der Staatsrat folgen wird...hoffe nicht