BrasilienFeuchtsavannen-Region Cerrado droht zerstört zu werden – Indigene wenden sich an EU

Brasilien / Feuchtsavannen-Region Cerrado droht zerstört zu werden – Indigene wenden sich an EU
„Die Menschen in Europa müssen wissen, woher ihr Soja kommt“, erklärt Eliane Xunakalo, Präsidentin des Verbandes der indigenen Völker des Mato Grosso Foto: AFP/Kenzo Tribouillard

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Kaffee, Palmöl, Soja: Ihr Verkauf ist in der Europäischen Union ab Jahresende verboten, wenn für die Produktion Wälder abgeholzt wurden. Die EU will damit Gebiete wie den Amazonas-Regenwald in Südamerika schützen – nicht jedoch die Feuchtsavannen-Region Cerrado südlich des Amazonas, aus der die EU große Mengen Sojaprodukte bezieht. Für die indigenen Völker der Region geht es „ums Überleben“.

Die Menschen in Europa „müssen wissen, woher ihr Soja kommt“, erklärt Eliane Xunakalo. „Sie müssen wissen, welche Folgen das für mein Zuhause hat.“ Die Präsidentin des Verbandes der indigenen Völker des Mato Grosso im Zentralwesten Brasiliens ist mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten nach Brüssel gereist, um sich bei der EU für einen besseren Schutz ihrer Heimat einzusetzen.

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Allein im vergangenen Jahr nahmen die Rodungen in der Region um 43 Prozent zu. Das Soja, das auf diese Weise geerntet wird, wird hauptsächlich zur Rinder- und Schweinemast in Europa verwendet.

Sie fordern „Verbesserungen“ an einem EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten, das den Verkauf von Produkten verbietet, deren Anbaugebiete nach 2020 gerodet wurden. Neben Kaffee, Palmöl und Soja sind davon auch Kakao, Kautschuk und Rindfleisch betroffen. Das Verbot gilt ab Ende dieses Jahres, Unternehmen sollen die Einhaltung mithilfe von satellitengestützten Ortsdaten sicherstellen.

Gebiete wie Eliane Xunakalos Heimat fallen definitionsgemäß jedoch nicht unter das EU-Gesetz: Der Cerrado im Grenzgebiet von Brasilien, Bolivien und Paraguy ist kein Wald, sondern eine Feuchtsavanne. Rodungen, unter anderem für Sojaexporte nach Europa, nahmen in der Region allein im vergangenen Jahr um 43 Prozent zu. In der EU wird das Soja zum großen Teil an Schweine und Rinder verfüttert.

„Die Hälfte des Cerrado ist bereits verschwunden“, warnt Isabel Figueiredo von der Organisation Instituto Sociedade, População e Natureza (Institut für Gesellschaft, Bevölkerung und Natur). Die Gräser und Sträucher der Steppe seien den Monokulturen internationaler Agrarkonzerne gewichen, die Soja und Getreide anbauen. Die Monokulturen verhinderten das Absickern von Regenwasser in tiefere Schichten.

„Eine Frage des Überlebens“

Die Savanne könne „Kohlenstoff speichern, das Klima regulieren und Wasser in alle Ecken Brasiliens liefern“, erklärt Figueiredo weiter. „Es besteht die Gefahr, dass dieses fantastische Ökosystem mit seiner enormen Artenvielfalt kollabiert – dann gäbe es kein Zurück mehr.“ Im Cerrado liegen zudem die Quellen für einen Großteil der Wasserläufe im Amazonas-Regenwald.

Es sei deshalb „eine Frage des Überlebens“, das EU-Gesetz zum Schutz der Wälder auf Gebiete wie den Cerrado auszuweiten, betont Samuel Caetano, Aktivist bei der Organisation Cerrado Network (Netzwerk Cerrado). Unternehmen müssen sich zwar bereits an die Vorschriften in den Anbauländern halten, in Brasilien etwa konzentrieren sich allerdings die meisten Umweltgesetze auf den Amazonas-Regenwald.

Südamerikanische Staaten wie Bolivien und Paraguay befürchten, dass durch das EU-Gesetz kostspielige Ausgaben für die Datensammlung auf die Bauern in ihren Ländern zukommen, die kleine Betriebe nicht leisten können. Die Anforderungen seien „ziemlich anspruchsvoll“, erklärt auch Nicole Polsterer von der Organisation Fern. Die größere Transparenz in den Lieferketten werde den Kleinbauern jedoch zugutekommen.

„Wir hoffen, dass dieses Gesetz in Brasilien weitreichende Auswirkungen hat“, betont Eliane Xunakalo. Die Regelung könne „politischen Druck aufbauen“ und damit etwa für eine schärfere staatliche Überwachung illegaler Rodungen sorgen. Schätzungen zufolge wurde ein Drittel der derzeitigen Anbauflächen im Cerrado ohne Genehmigung gerodet.

Die EU verpflichtet die Unternehmen mit dem Gesetz zudem, sich an die Menschenrechtsgesetze des jeweiligen Anbaulandes zu halten. Für Organisationen wie die von Xunakalo könnte das ein wichtiger Hebel sein: Stehen die Sojaexporte nach Europa auf dem Spiel, dann haben die indigenen Völker ein mächtiges Druckmittel für die Achtung ihrer Rechte auf ihrer Seite.