LeserforumMein Hof soll sich diversifizieren, aber die legale Basis fehlt

Leserforum / Mein Hof soll sich diversifizieren, aber die legale Basis fehlt
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Kritik eines Junglandwirts an der aktuellen Agrarpolitik in Luxemburg und in der Europäischen Union.

Mehr Tierwohl, mehr Klimaschutz, keine Überdüngung, weniger Pflanzenschutzmittel … das war das Hauptcredo im Studium und in der Ausbildung. Es bedarf einer nachhaltigeren und effizienteren Landwirtschaft mit den besten Techniken aus der ökologischen und der konventionellen Landwirtschaft. Nun möchte man alles Gelernte in die Tat umsetzen, doch stopp, die Mauer der rechtlichen Bedingungen scheint unüberwindbar. Das Know-how der Fachleute ist dann doch weniger Wert als die Meinung der Politiker.

Die Landwirtschaftsministerin und der aktuelle Premierminister betonen immer wieder in den Medien oder der Presse, sie möchten die Diversifizierung der luxemburgischen Landwirtschaft fördern. Dies erlaube es, Klimaziele zu erreichen, indem der Viehbestand nicht hochgefahren wird, und Luxemburg könnte unabhängiger von Importen werden. Zitat des Premierministers am 1. Februar in der Presse: „Ech géing et traureg fannen, wa mir herno nëmmen nach Saache géingen importéieren an eis eege Produktioun géingen aus iwwerdriwwene Reegele bremsen.“ Irgendwie wollen die zuständigen Minister die betreffenden Regeln dann aber doch nicht verbessern.

Vor ein paar Wochen traf ich mich mit der Landwirtschaftsministerin und den zuständigen Beamten im Ministerium, um in meinem Projekt nach einer Lösung zu suchen. Ich bedanke mich an dieser Stelle dafür, diese Gelegenheit bekommen zu haben, weil dieses Treffen schon unter dem vorherigen Minister hätte stattfinden sollen. Einige Fragen konnten beantwortet werden, aber ein praktikabler Kompromiss mit Einschnitten für beide Parteien in den wichtigsten Punkten konnte leider nicht gefunden werden. Die Kirsche auf der Torte war aber, dass ich eine Woche nach diesem Treffen ein Schreiben erhielt, in dem dann noch Vorgaben genannt werden, die im Gespräch vor Ort überhaupt nicht erwähnt wurden und auch in keinem luxemburgischen oder europäischen Gesetz zu finden sind.

Dies ist meiner Meinung nach kein konstruktiver Umgang. Mein Beitrag zur Diversifikation der luxemburgischen Landwirtschaft soll nämlich eine Kaninchenmast sein. Im Agrargesetz wird sie als Branche mit niedrigem Selbstversorgungsgrad befürwortet. Das Kaninchen ist nach den Wiederkäuern das einzige Nutztier, das die regionalen Ressourcen wie Dauergrünland und Luzerne verwerten kann. Und es kommt noch besser: Das Kaninchen kann mit derselben Menge an Luzerne bis zu fünfmal mehr Fleisch produzieren als ein Wiederkäuer und stößt dabei so gut wie kein Methan aus. Einen effizienteren und nachhaltigeren Verwerter der genannten Ressourcen, der bereits auf der Speisekarte des Menschen steht, gibt es also nicht.

Wie immer im Leben: Kein Vorteil ohne Nachteil. Obwohl das Kaninchen mit dem Nachhaltigkeitsaspekt punktet, ist es die Mimose der Tiere am Bauernhof. Die Hygiene, die richtige Haltung und das Management sind das A und O bei dieser Produktion. Die falsche Haltung führt nämlich zu Krankheiten, die schnell zum Tode der Tiere führen. Und ich rede hier nicht von ein paar Tieren, sondern von bis zu 40 Prozent des Gesamtbestandes eines Betriebes, ehe diese Tiere überhaupt Schlachtalter erreichen. Hierbei handelt es sich um ein Praxisbeispiel aus Betrieben in der Schweiz und wurde in einem wissenschaftlichen Bericht veröffentlicht (Schwarz J. et al). Das Kaninchen muss in einem System gehalten werden, wo es sofort nach dem Koten von seinen Ausscheidungen getrennt wird. Deshalb kommen hier in modernen Ställen perforierte Plastikböden zum Einsatz. Keine andere Technik auf der ganzen Welt wird bis dato deshalb in dieser Branche angewandt. Nur in kleinen Beständen, von deren Zucht der Landwirt alleine nicht leben kann, können die Tiere noch in der Landromantik auf Stroh gehalten werden. Dies ist nicht nur meine fachliche Auffassung, sondern wurde auch in einer Studie von der EFSA wissenschaftlich belegt (Kriz N.).

Seit 2018 ist in Luxemburg eine Gesetzgebung in Kraft, die den Landwirt dazu verpflichtet, dem Kaninchen auf 50 Prozent der verfügbaren Fläche eine nicht perforierte Fläche anzubieten. Dies klingt zunächst gut, weil damit mehr Tierwohl garantiert werden soll, führt aber zu den bereits genannten hohen Sterberaten der Kaninchen. Auf diesen Missstand in der Gesetzgebung wies ebenfalls im Jahr 2018 die Landwirtschaftskammer hin, leider ohne Erfolg. Und hier bleibe ich bei der wissenschaftlichen Meinung: Ein Haltungssystem, das zu hohen Sterberaten führt, ist tierschutzwidrig!

Noch absurder wird es dann aber, dass seit den 2010er-Jahren jedes EU-Mitgliedsland eigene Regeln zur Haltung der Mastkaninchen festgelegt oder nicht festgelegt hat. Das Resultat: Die Richtlinien könnten nicht verschiedener sein, das luxemburgische Gesetz ist unvereinbar mit den Gesetzen seiner Nachbarländer. Das Kaninchen in Deutschland bekommt beispielsweise doppelt so viel Platz wie in Belgien und in einem der Hauptproduktionsländer in der EU, nämlich Frankreich, gibt es gar keine gesetzliche Basis. Gut aber, dass die Landwirte hier den Ruf nach mehr Tierwohl erkannt haben und praktikable Haltungssysteme mit Technikern und Wissenschaftlern entwickelt haben, mit großen Buchten, Außenklimabereichen und Versteckmöglichkeiten für die Kaninchen auf perforierten Böden. In Frankreich wie im Europäischen Parlament wurde das Kaninchen bei der Festlegung von Mindeststandards für die Haltung dieser Tiere einfach vergessen. Im Gegensatz zu den Hühnern, wo es ein Verbot der Batteriehaltung (Käfighaltung) bereits seit 2012 auf EU-Niveau gibt, ist dies bei den Kaninchen nicht der Fall. Gut, dass der Bauer jeden Tag an alle seine Tiere denkt und kein Politiker ist.

Und was macht das Europäische Parlament oder die Kommission jetzt? Salopp gesagt: Sie warten lieber bis nach den Europawahlen, weil sich jetzt lieber keiner mehr die Pfoten an diesem Thema verbrennen will. Die Studie der EFSA aus dem Jahr 2019 können die neuen Delegierten dann nach der Wahl lesen. Dies ist ein perfektes Beispiel von vielen, weshalb sich die Junglandwirte aus Frankreich, Belgien, Luxemburg und Deutschland am 7. Februar in Schengen versammelten und auch ich persönlich dabei war. Wir fordern: „Gleiche Regeln für alle Landwirte in Europa, die vernünftig und umsetzbar sind.“ Dann hätte man schon zwei Fliegen mit einer Klappe: weniger inneneuropäische Konkurrenz und weniger unsinnige Bürokratie.


Quellen:

– Kriz Nicolaus: „EFSA scientific opinions on rabbit welfare“, European Food Safety Agency, 16.1.2020

– Schwarz J., Schädler J., Albini S., Peter-Egli J., Schüpach G., Wiederkehr D.: „Promoting rabbit health and welfare by collection and establishment of reliable health and performance data in the two major Swiss meat rabbit integrations“, World Rabbit Science Association, 3.-5.11.2021, Nantes

Emile Müller
1. März 2024 - 9.50

Das Hauptproblem ist, dass sowohl bei uns als auch in Brüssel nur Kostüm-Pinguine sitzen, die in ihrem Leben noch nie einer seriösen Arbeit nachgegangen sind oder gar eine Fuß in ein Feld gesetzt haben (Da bekommen die schönen 1000€ Schuhe j Flecken). Keiner dieser Minister oder Kommisare hat auch nur im Ansatz eine Ahnung was alles hinter der Landwirtschaft steckt, nehmen aber sinnfreie, politisch motivierte Entscheidungen um sich selbst darzustellen und relevant zu bleiben, anstelle zum Wohl der Menschen zu handeln. Die meisten würden nicht einmal den Unterschied zwischen Kaninchen und Hase kennen.