EditorialWas Wahrheit wert ist: Die Politik muss in Sachen KI mehr als nur regulieren 

Editorial / Was Wahrheit wert ist: Die Politik muss in Sachen KI mehr als nur regulieren 
Fake News in unvorstellbarer Quantität und Qualität: KI-gesteuerte Bots auf Twitter Foto: AFP

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Das weltweit erste umfassende Gesetz zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) hat vergangene Woche einen großen Schritt in Richtung Realität gemacht. Am Dienstag stimmten im Europäischen Parlament die beiden Ausschüsse für Binnenmarkt und bürgerliche Freiheiten mit einer deutlichen Mehrheit für den sogenannten „AI Act“ – so auch die beiden Abgesandten aus Luxemburg, Marc Angel (LSAP) und Isabel Wiseler-Lima (CSV). Nun fehlt nur noch die Zustimmung des gesamten Plenums im April und das Gesetz könnte im Sommer in Kraft treten.

Im Grunde geht es beim „AI Act“ darum, KI-Systeme in unterschiedliche Risikogruppen einzustufen und demnach unterschiedlich streng zu regulieren. Während „harmlose“ Systeme wie Spamfilter im Mailprogramm unberührt bleiben sollen, werden Hochrisikosysteme wie „Social Scoring“ (Klassifizierung von Menschen auf Grundlage von Verhalten, sozioökonomischem Status oder persönlichen Merkmalen) verboten. Doch da fängt der Streit schon an. Zu den KI-Systemen mit unannehmbarem Risiko zählte das EU-Parlament ursprünglich auch sogenannte „biometrische Echtzeit-Fernidentifizierungssysteme“, beispielsweise: Gesichtserkennung. Jedoch setzten die Mitgliedstaaten vergangenen Dezember weitreichende Ausnahmen durch. So darf die Polizei im aktuellen Entwurf des „AI Act“ in schwerwiegenden Fällen und nach gerichtlicher Genehmigung mit Gesichtserkennungstechnologie nach Verdächtigen fahnden. Grund genug für einige, vor allem linke Abgeordnete, gegen das Gesetz zu stimmen.

Am Beispiel „AI Act“ zeigt sich auch ein Grundproblem der politischen Regulierung von Technologie. Als der erste Entwurf 2021 vorgestellt wurde, existierten heute populäre KI-Systeme wie ChatGPT noch gar nicht. Diese sogenannten generativen Basismodelle wurden erst nachträglich eingearbeitet – unter Protesten von Deutschland und Frankreich, die sich gegen allzu restriktive Regeln stellten. Wohl auch, weil sie als Heimstätte von zwei großen Basismodell-Herstellern eine Innovationsbremse fürchteten.

Und Luxemburg? CSV und DP erwähnen KI neun Mal in ihrem Koalitionsvertrag. Zwar geht es an einer Stelle um ethische Fragen und an einer anderen um Forschung – sieben von neun Erwähnungen stehen jedoch in einem Business-Kontext: Dynamisierung der Wirtschaft, Vereinfachung administrativer Prozesse, Innovationsförderung bei Start-ups. Das ist zu eng gedacht für eine Technologie, die nicht nur unsere Arbeitswelt umkrempeln, sondern auch „eine Welt des erkenntnistheoretischen Chaos einläuten“ könnte, wie Harald Staun am Wochenende in der FAS schrieb.

Was bedeutet Wahrheit noch in Zeiten von KI-generierten Texten, Bildern und Videos, die jeden Tag weniger als solche erkennbar sind? Das Potenzial für Desinformationskampagnen zur Destabilisierung liberaler Demokratien ist enorm. Fake News in unvorstellbarer Quantität und Qualität. Und selbst wenn diese mit großem Aufwand überprüft und widerlegt werden könnten, schreibt Staun: „Der Effekt – oder vielleicht auch das Ziel – der Verbreitung solcher Manipulationen ist weniger, dass die Menschen die Lügen glauben, sondern irgendwann gar nichts mehr.“ Wir sind gesellschaftlich nicht vorbereitet auf die Disruption, die diese Technologie auf der ganzen Welt mit sich bringen wird. Die Politik muss sich dieses Themas annehmen. Sie muss nicht nur regulieren, sie muss aktiv und massiv bilden und aufklären – über alle Generationen und Lebensbereiche hinweg. Das Thema KI gehört, um es mit einem Lieblingswort Luc Friedens zu sagen, „transversal“ angepackt – und nicht in erster Linie als Geschäftsmodell oder Potenzmittel zur Effizienzsteigerung.

luxmann
23. Februar 2024 - 6.36

Dass jemand ,der die westlichen mainstream medien manchmal liest oder schaut, an gar nichts mehr glaubt ist nun wirklich der verdienst der unausgegorenen qualitaet dessen, was diese medien dem konsumenten unterjubeln.