ForumWenn Zynismus Werte ersetzt – die Außen- und Europapolitik der neuen CSV-DP-Regierung

Forum / Wenn Zynismus Werte ersetzt – die Außen- und Europapolitik der neuen CSV-DP-Regierung
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Premierminister Luc Frieden gab in einem Interview mit Politico Europe am 16. Januar zu Protokoll, dass er sich vorstellen könne, zwischen der EU und dem ungarischen Regierungschef Orbán im langjährigen Streit über die Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und von EU-Grundwerten vermitteln zu können. Außerdem sagte unser Premier Politico, dass er durchaus auch Verfehlungen aufseiten der EU sehe in diesem Streit und dass er manchmal schockiert sei, wie wenig man in der EU auf die Anliegen von Mitgliedstaaten hören würde.

Diese ungeheuerlichen Äußerungen kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem Putin-Freund Orbán es immer dreister treibt: die Blockade wichtiger europäischer Projekte wie die Beitrittsgespräche mit der Ukraine, das Finanzierungspaket für die Ukraine oder auch noch der EU-Haushalt, alles zum Zweck, die EU zu diskreditieren und die Herausgabe der eingefrorenen EU-Subventionen zu erpressen. Außerdem ist Orbán offensichtlich das trojanische Pferd Russlands in der EU und bestrebt eine internationale Allianz der rechtsextremen Bewegungen unter seiner Leitung.

Neben der klaren Selbstüberschätzung des Premiers, wenn er sich als Retter in der Not beim wohl größten politischen und institutionellen europäischen Problem dieser Zeit sieht: Wo bitte liegt hier das Verständnisproblem, welches eine Reise nach Budapest rechtfertigen würde?

Ist es Naivität – wovon man nicht ausgehen sollte – oder ist es Zynismus?

Letzteres liegt viel näher und reiht sich in andere rezente Positionierungen unseres Premiers ein.

Handelspolitik

Ich kann mich noch gut an jene Versammlung im Wirtschaftsministerium erinnern, im Mai 2022, als der damalige Präsident der Handelskammer Luc Frieden meine Aussagen über eine auf Werte basierende Handelspolitik scharf kritisierte. Das normalerweise sehr sachliche „Trade and Investment Board“ wurde so unüblicherweise zur Tribüne eines Schlagabtauschs zwischen dem amtierenden Minister und dem damaligen Vorsitzenden der Handelskammer über die Ausrichtung des Luxemburger Außenhandels. Mein Tenor war und ist, dass in einer zusehends polarisierten Welt für ein kleines Land wie Luxemburg der Ruf ein höheres Gut sei und ein starkes Augenmerk auf Menschenrechte, Umgang mit Oppositionellen und Respekt gegenüber demokratischen Abläufen zentral sei, auch in der Programmierung von Handelsmissionen. Der damalige Vorsitzende der Handelskammer Luc Frieden, der offensichtlich nicht mit der Politik abgeschlossen hatte, argumentierte, dass Luxemburg überall hinreisen und sich auch auf eine schnelle Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit Russland vorbereiten müsse, wenn der Krieg denn beendet sei. Wohl bemerkt, diese Sitzung fand im Frühling 2022 statt, als der Krieg eben gerade ein paar Monate alt war und die ganze Welt unter dem Schock des russischen Angriffs stand.

Die Maxime des Vorsitzenden der Handelskammer und zukünftigen Premiers lautete: Handel zu jedem Preis, auch mit international geächteten Regimes und auch wenn dies eine komplette Abkehr von langjährigen Prinzipien unserer Außenpolitik bedeutet, wie die einer frauenfreundlichen Außenpolitik oder auch die Verteidigung von Menschenrechten sowie einer ambitionierten, ebenfalls auf Werten basierenden Entwicklungszusammenarbeit.

Israel – Naher Osten

Zynismus als Kompass in der Außenhandelspolitik: Das gleiche Prinzip findet auch in der Stellung gegenüber Israel im Nahost-Konflikt Anwendung. Am Ende des Neujahrsinterviews auf RTL am 18. Dezember 2023 antwortete Premier Frieden, dass er sich nicht anmaßen würde, Israel, der „einzigen Demokratie in der Region“, zu sagen, wann es mit der Bombardierung Gazas aufhören sollte. Jedes Land solle sich verteidigen können, im Respekt des internationalen Rechts, sagte der Premier.

Er sagte dies zu einem Zeitpunkt, wo bereits mehr als 21.000 Menschen, darunter vor allem Kinder und Frauen, der kollektiven Bestrafung durch die israelische Armee zum Opfer gefallen waren, in einem Krieg, in welchem es schon lange nicht mehr um die Verteidigung Israels nach den Gräueltaten des 7. Oktobers geht, wo UNO-Resolutionen, die mit dem Votum Luxemburgs angenommen wurden, aber auch die gesamte internationale Gemeinschaft, mit Ausnahme der USA, Israel zu einem sofortigen Feuerstopp auffordern, im Angesicht der ungeheuerlichen humanitären Katastrophe in Gaza, aber auch der zunehmenden Anspannungen in den besetzten Gebieten.

Wo der Außenminister, wahrscheinlich unter dem Eindruck seiner Reise nach Israel und ins Westjordanland, mittlerweile zumindest eingesteht, dass die Antwort Israels „disproportioniert“ ist, und beide Seiten zu einer Feuerpause auffordert, verbietet sich der Premier jegliche solche Aussage und verharrt in seiner Nibelungentreue gegenüber den USA.

Auch im Angesicht einer humanitären Katastrophe ist der Zynismus Leitfaden bei dieser Regierung.

Europa-Politik

Neben der Orbán-Episode gibt es noch weitere Indizien dafür, dass Luxemburgs neuer Premier das Verhältnis zur EU als ein rein transaktionelles ansieht, weit entfernt vom Narrativ der leidenschaftlichen Pro-Europäer, welches unser Land zu Recht seit Gründung der EU vor 70 Jahren begleitet.

Angefangen mit dem Satz im Regierungsprogramm, dass Luxemburg auf Einstimmigkeit in Steuerfragen beharren wird. Die starre Haltung von Finanzminister Frieden Ende der 1990er-Jahre in Bezug auf die Abschaffung des Bankgeheimnisses, welche unserem Land einen kaum wiedergutzumachenden Reputationsschaden und bis heute den Ruf eines Steuerparadieses einbrachte, kommt in Erinnerung. Diese stumpfe Waffe im Jahr 2023 in eine luxemburgische Regierungserklärung zu schreiben, ist, erstens, eine Kampfansage an die EU und, zweitens, eine Verkrampfung auf das obsolete Geschäftsmodell der Steuernischen.

Das zweite Indiz für diese transaktionelle und rückwärtsgewandte EU-Politik ist die Aussage des Premiers in der außenpolitischen Kommission des Parlaments auf meine Frage hin, dass die Luxemburger Regierung einer gemeinsamen Verschuldung der EU für gemeinschaftliche Projekte im Rahmen der grünen Transition negativ gegenüberstehe. Offensichtlich sehen Premier Frieden und Finanzminister Roth Luxemburg eher im Lager der „frugalen“ EU-Staaten. Die bahnbrechende Entscheidung zu einer gemeinsamen Verschuldung mit „NextGenEU“, um den Aufschwung der EU nach der Pandemie zu finanzieren, welche eine Blaupause für die Finanzierung der nachhaltigen Transition hätte sein können, wird somit wohl ein „one off“ bleiben. Und Luxemburg ist bei den Bremsern.

Letztes Indiz: In einer Rede bei der Einweihung des luxemburgischen Produzenten von Solarpanels „SolarCells“ am 19. Januar sagte Frieden in einem Nebensatz, dass er nicht an die „strategische Autonomie“ der EU glaube und wir auch in Zukunft, wie in den vergangenen 20 Jahren, auf Importe aus China angewiesen sein werden. Untertext: und das ist auch gut so. Diese Äußerung steht den europäischen und Luxemburger Bestrebungen, infolge der Pandemie, aber auch der geopolitischen Spannungen der letzten Jahre, sämtliche Lieferketten kürzer und regionaler zu gestalten und sich in strategischen Bereichen wieder eine industrielle Kapazität zu geben (Halbleiter, Elektroautos, Erneuerbare Energie, Medikamente und medizinisches Material beispielsweise) diametral entgegen. Sie missachtet außerdem die große Lektion des russischen Kriegs, sich nicht in eine komplette Abhängigkeit von autokratischen Regimes zu begeben.

Eine Vertiefung des europäischen Projekts verlangt eine strategische Industriepolitik ebenso wie einen stärker integrierten Binnenmarkt. Wenn ein Land daran zu gewinnen hat, dann ist es Luxemburg.

Dieser Rechtsruck in der Außen- und Europapolitik ist nicht erstaunlich, wenn man das politische Werk des Premierministers kennt. Niemand kann behaupten, dass dies nicht während dieser Wahlkampagne hinlänglich thematisiert wurde (siehe zum Beispiel Max Leners, „Das politische ABC des Luc Frieden“, Red. und Herausgeber Max Leners, September 2023, www.maxleners.lu) oder dass man an die Mähr des #NeieLuc geglaubt habe. Der Koalitionspartner DP, der den Außen-, Handels- und Kooperationsminister stellt, muss sich die Frage gefallen lassen, wie man von heute auf morgen von einer mitte-linken, wertebasierten Außen- und Europapolitik zu einer rechten, rein opportunistischen umschwenken kann. Es sei denn, man hat eigentlich keine anderen Werte, als nur dabei sein zu wollen. Auch die Wähler aus der bürgerlichen Mittelschicht, die diese rechte neoliberale Koalition an die Macht getragen haben, können nicht behaupten, dass sie nichts von deren Ausrichtung in der Außenpolitik gewusst hätten.

Nach knapp zwei Monaten im Amt ist der radikale Bruch der neuen Regierung mit der Außen- und Europapolitik unter Verantwortung vom früheren Außenminister Asselborn, aber auch mit der Außenhandelspolitik und Entwicklungszusammenarbeit unter meiner Verantwortung, vollzogen. Die neuen Leitlinien unserer Außenpolitik lauten Zynismus und Opportunismus. Luxemburg wird daran nichts zu gewinnen haben.

Franz Fayot ist LSAP-Abgeordneter
Franz Fayot ist LSAP-Abgeordneter Foto: Editpress/Julien Garroy
SheWhoWillnotBeNamed 34
26. Januar 2024 - 19.53

Für die weniger Bemittelten unter den Kommentatoren, die sich gegenseitig glauben unterstützen zu müssen : " zynisch=auf grausame, beleidigende Weise spöttisch; gefühllos, mitleidlos " ( Duden).

liah1elin2
26. Januar 2024 - 13.10

@hewhocannotbenamed Bin Ihrer Auffassung, die meisten Kommentare haben Stammtisch-Niveau und sind sinnfrei von Inhalten. Habe nichts gegen unterschiedliche Meinungen, nur sollten diese faktenbasiert sein um sich darauf einlassen zu können. Aufeinander rumtrampeln ohne Argumente ist armselig. Die Trolle erwähnte ich vor Monaten schon, besser ist es nicht geworden. Weiterhin viel Erfolg?

de Schéifer vun Ettelbréck
25. Januar 2024 - 13.44

@HeWhoCannotBeNamed/ Tun was Sie nicht lassen können. Mit Ihnen trete ich jedenfalls nicht in einen sinnlosen Wettstreit. Dazu sind mir meine Zeit und meine Energie zu wertvoll. Also nörgeln Sie weiter inhaltlos rum!

HeWhoCannotBeNamed
25. Januar 2024 - 12.51

@de Schéifer : ach, Sie dürfen inhaltslos rumnörgeln, aber andere dürfen das nicht? Danke, nein, ich werde weiterhin Kommentare kommentieren.

de Schéifer vun Ettelbréck
25. Januar 2024 - 10.47

@HeWhoCannotBeNamed/ Beschränke Sie sich gefälligst auf Ihren eigenen Kommentar zu einem Artikel und respektieren Sie die Meinung anderer!

HeWhoCannotBeNamed
25. Januar 2024 - 7.35

Friedens Zynismus wird am Stammtisch der 't'-Kommentatoren weitergeführt : keine Argumente, lediglich Verweise (oder eher 'Pöbelei') auf die Fehler der Opposition. Man könnte meinen, Putins Trolle hätten die Kommentarspalte hier übernommen...

carlocoin
24. Januar 2024 - 19.42

Här Fayot, et ass armséileg.

JJ
24. Januar 2024 - 19.00

"der damalige Präsident der Handelskammer Luc Frieden ..:" Frieden tritt damit in die Stapfen des Herrn Würth der sagte: " Gefühlsduselei hat in der Wirtschaft nichts verloren." Aber klar doch. Gewinn macht man nicht mit Streicheleinheiten. Frieden bringt seine ganze Erfahrung aus dem Londoner Bankuniversum mit. Welch ein Glück für uns. Aber abwarten....Schwarz/Blau hat uns schon einmal auf die Füsse getreten.Damals hieß es: " Fanger ewech vum Index." Oder noch so ein schöner Satz,diesmal von Warren Buffet,seines Zeichens Milliardär und erfolgreicher Investmentzocker.Auf die Frage wie es um arm und reich stehe war seine Antwort: " Das fragen sie noch? Wir sind im Krieg.Der Krieg reich gegen arm.Und wir,die Kaste der Reichen werden diesen Krieg gewinnen." Nur,dass wir wissen wie der Hase läuft.

den trottinette josy
24. Januar 2024 - 13.02

Fayot hat schon als Minister geschwafelt. Jetzt sollte er mal die Füsse still halten " On l' assez vu"!

Emile Müller
24. Januar 2024 - 11.22

Ein Franz Fayot erklärt uns die Welt.... Man (also die LSAP) ist und war tolerant und steht für ein weltoffendes Luxemburg der Moral, sprich in zeiten der absoluten Globalisierung soll man bitte nur mit jenen Reden und Handel betreiben die einem "moralische" gefallen... Sollen die anderen doch zusehen wo sie bleiben und wenn sie sich zusammen tun haben wir halt die nächste Krise, Block gegen Block, das ist sicherlich das Beste für die Welt, aber hey die LSAP hat eben die Moral gefressen.... auch die Aussage warum er (also ein Franz Fayot) nicht verstehe warum man nach Budapest reisen müsste um einen Dialog mit einem EU-Mitgliedsstatt zu suchen ist einfach nur der Höhepunkt des eifentlichen Zynismus hier. Haben die Ungern etwas keine 5000€ Weinflaschen die man auf solchen Reisen saufen kann, welches ja alles ist, was ein Franz Fayot aufzuweisen hatte, außer Unmengen an Spesen nichts gewesen! Zum Glück hat eine L(SA)P nichts mehr in einer Regierung zu sagen!

luxmann
24. Januar 2024 - 9.10

Viel geschwafels von einem ex minister, der seinen abtritt aus der regierung nicht verdauen kann. Ausser der berechtigten kritik an der pro israelischen haltung Friedens erhaelt dieser forumsbeitrag nicht viel sinnvolles.

fraulein smilla
24. Januar 2024 - 7.46

Fayot sollte mal die EU Vertraege durchlesen ,dann wuesste er das eine gemeinsame Verschuldung ,eine gemeinsame Haftung fuer Schulden gegen diese verstoesst .Nach 20 Jahren Herz Jesu Aussen und Kooperationspolitik ist Luxemburg endlich in der Realpolitik angekommen .