LeserforumDie Politik der trockenen Herzen

Leserforum / Die Politik der trockenen Herzen
 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Innenminister Léon Gloden behauptet, man müsse die Frage des Bettelns juristisch und nicht moralisch betrachten. Dabei ist es genau umgekehrt. Das Ethische muss dem Rechtlichen vorausgehen und es bestimmen. Eine Gesellschaft, in der das Rechtliche vor dem Ethischen kommt, droht schnell in Unrecht abzugleiten. Beim Recht geht es ja vor allem um Gerechtigkeit. Ob etwas gerecht ist, kann aber nur gemäß ethischen Kriterien entschieden werden.

In einem Gemeinwesen, das sich als ein moralisches und dazu freiheitliches versteht, muss Betteln, sei es explizit oder implizit, als Grundrecht gelten. In einem liberalen Staat muss Betteln erlaubt sein. In totalitären Staaten, das zeigt auch die Geschichte, egal wie sie ansonsten ideologisch ausgerichtet sind, ist Betteln untersagt. Dort werden Bettler gewaltsam von der Straße entfernt, in Arbeitslager oder sogar Zuchthäuser gesperrt. Noch ist Luxemburg recht weit von solchen Maßnahmen entfernt. Aber auch hier gilt: „Wehret den Anfängen“.

Es mag den Launen des elektoralen Kalenders geschuldet sein, dass gerade jetzt, also recht kurz nach der Bildung der neuen Regierung, die repressiven Maßnahmen gegen Bettler ergriffen wurden, doch sollte man nicht vergessen, dass es auch kurz vor Weihnachten geschah, also dem einstigen Fest der Nächstenliebe, das ja jetzt vor allem das Fest eines frenetischen „tout-commerce“ und eines Konsums „tous azimuts“ geworden ist.

Man mag sogar räsonieren, dass diese Maßnahmen durchaus demokratisch seien, da sicherlich die meisten Bürger damit einverstanden seien. Doch damit würde sich die schwierige Frage stellen, ob stets alles, was die Mehrheit will, unbedingt richtig ist.

Die CSV erbringt ein weiteres Mal den Beweis, dass vom großen C, vom einstigen christlichen Geist und zugleich auch vom sozialen, nicht mehr viel übrig bleibt. Das, was L. Gloden tut, ist aber nicht nur Verrat am christlichen Ethos. Es ist auch eine Pervertierung des gesellschaftlichen Auftrags der Polizei und der Justiz. Was soll etwa mit einem Polizisten geschehen, der im Umgang mit Bettlern eher auf sein Gewissen als auf den ministeriellen Erlass hört? Wird er gerügt? Strafversetzt?

Betteln ist durchweg, wenn auch nicht immer, ein Flehen um lebensnotwendige Hilfe, ein verzweifeltes Sich-an-die-Gemeinschaft-Wenden, ein letzter Ausweg. Was die „Aggressivität“ anbelangt: Gibt es Fälle in Luxemburg, wo Leute von Bettlern mit Gewalt beraubt worden sind?

Wenn es gilt, höhere Werte zu bewahren, muss eine freiheitliche Gesellschaft auch etwas, was von vielen oder gar den meisten als störend, ja belästigend empfunden wird, aushalten können. Man sollte die moralische Qualität, die Menschlichkeit einer Gesellschaft an der Art, wie sie mit den Bedürftigsten und Verzweifeltsten umgeht, messen.

Es geht um die Grundwerte eines gesitteten Zusammenlebens, Werte, die es auch schon größtenteils vor dem Christentum gab. Vielleicht ist L. Gloden nicht bewusst, dass er mit seinem kaltherzigen Vorgehen die meisten christlichen Tugenden mit Füßen tritt, vor allem Demut, Liebe, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Sanftmut, dass er  zudem die Werte Freiheit, Würde, Solidarität, Gleichheit, wie sie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt sind, ignoriert. Statt auf die Wurzeln der Probleme einzugehen, sich zu bemühen, mit humanen Mitteln Remedur zu schaffen, versucht er, sie mit eisernem Besen unter den Teppich zu kehren.

rowohlfart
16. Januar 2024 - 10.19

Bravo @liah1elin2/ !

liah1elin2
6. Januar 2024 - 21.40

@Leila Ihren Argumenten kann ich folgen und es stimmt früher gab es wenig Bettler hier und in anderen Ländern. Das was wir heute auf der Straße sehen ist eben eine Folge des grenzenlosen Wachstums und Neoliberalismus. In diesen Boomjahren wurde schlicht vergessen, vorsorglich soziale Strukturen aufzubauen und zwar überall. Und da Politik ganz selten vorausschauend ist, aber aufgrund der diversen Wirtschaftskrisen hätte wissen müssen, dass ein soziales Elend folgen wird, wurde, wie immer, nichts getan. Jetzt stehen die Verlierer auf unseren Strassen, überall in Europa. Die Regierung hatte doch in ihrem Programm geschrieben, viele Situationen zu analysieren und dann zu kommunizieren, warum nicht bei einem so brisanten Thema? All diese Leute haben es verdient, würdig behandelt zu werden, was ja dem Großteil der Bevölkerung egal ist. Deshalb auch mein Eindruck der Kälte in Luxemburg. Wünsche Ihnen ein gutes 2024, geschätzte Leila

Leila
6. Januar 2024 - 15.38

Mit Sicherheit ist Luxemburg nicht kälter geworden, sondern früher gab es kaum Bettler und Obdachlose hier, also kann man nicht vergleichen. Dass viele Bettler nicht hier wohnen, sondern angekarrt werden, ist unbestreitbar, ich habe mal morgens am place d'arme gesehen, wie sie von jemandem auf ihre Plätze dirigiert wurden - Frauen und Männer. Sollte der Staat auch für sie aufkommen? Dann würden es immer mehr werden. Es gibt schon Genügende, die hier im Elend leben.

JJ
6. Januar 2024 - 14.17

"dass vom großen C, vom einstigen christlichen Geist und zugleich auch vom sozialen, nicht mehr viel übrig bleibt." Sollen wir einmal über die Ethik des Christentums debattieren? Lieber nicht. Aber zum Thema Bettelverbot. Auch dort müsste man sagen können:"Wehret den Anfängen". Juristen lernen,dass Gefühle und Rechtsprechung nichts miteinander zu tun haben dürfen. Mitleid hat in der Gesetzgebung keinen Platz. Da geht es um richtig oder falsch. Das ist wie mit der Schwangerschaft. Man ist es oder nicht.Ein bisschen schwanger gibt´s nicht.

Jeremi
6. Januar 2024 - 9.49

Verschidde gehirlos Kommentare.

den tutebatty
5. Januar 2024 - 19.51

@Freddy/ Lieber etwas mehr Verstand als eine trockene Leber.

Beat Mosimann
5. Januar 2024 - 16.46

@liah1....Da bin ich voll mit ihnen einverstanden. Alles gute für 2024 aus ZRH. MfG

liah1elin2
5. Januar 2024 - 14.46

Mitmenschen in Not zu helfen ist in unserer Familie seit Jahrzehnten vorhanden. Das ist weniger Gutmenschentum, als die Pflicht sich um seine Mitmenschen zu kümmern. Dass die Politik Kaltherzigkeit vor Menschlichkeit stellt ohne wirksame Hilfe und Unterstützung anzubieten, ist leider in vielen Ländern so. Dabei kommt ihnen das Desinteresse grosser Teile der Bevölkerung zu Gute. Was für ein kaltes Land Luxemburg doch geworden ist.

liah1elin2
5. Januar 2024 - 13.51

@Phil Und jetzt, Problem gelöst so nach dem Prinzip aus den Augen, aus dem Sinn. Diesen armen Leuten den letzten Rest an Würde nehmen und sie zerbrechen lassen, aussortieren und entsorgen? Wie zynisch, kaltherzig und eiskalt Ihre Aussagen doch sind!!!

kassnic840
5. Januar 2024 - 11.46

All Heschert säi Gesiicht ass méi agreabel ze kucken wéi d'Gesiicht vun bestemmten iwerhieflechen Mönschen!

Phil
5. Januar 2024 - 2.06

Rumlungern verboten! Diesbezüglich gibt es eine juristische Basis, die braucht Herr Gloden nur anzuwenden.

benschul
4. Januar 2024 - 14.30

Grober J.-P. Kann Armut strafbar sein? Aus meiner Sicht nicht, dann eher übertriebener Reichtum wo nicht nachzuweisen ist, aus welchen Quellen er entstanden ist. Armut ist aber unbequem und das Spiegelbild einer Menge von Fehlern unserer sogenannten "Volksvertreter." Es ist erschreckend, wie wenig Mitgefühl in unserer Gesellschaft ist.

benschul
4. Januar 2024 - 14.18

Herr Clesse. Egal war andere schreiben, ich teile Ihre Meinung zu 100 %. Es kann doch nicht sein, dass in einem Land wie Luxemburg, wo wegen schwacher Leistung abgesetzte Minister noch zwei Jahre lang ihr Gehalt weiterbeziehen, die Bettler als unerwünschter Abfall der Wirtschaft angesehen und dementsprechend entsorgt werden. Ich weiß nicht in welcher finanziellen Lage die Gegner der Bettler sich befinden. Ich stehe ihnen auf jeden Fall bedeutend näher als denjenigen die vergessen, dass es sich um Menschen handelt. Das ist meine Meinung, egal wie der Giscard es sehen würde. Ich wäre auch bereit, eine Bettlersteuer zu zahlen.

Freddy
3. Januar 2024 - 17.48

"Die Politik der trockenen Herzen"? Lieber ein trockenes Herz als eine trockene Leber Herr Clesse.

den tutebatty
3. Januar 2024 - 11.14

@Grober J-P/ Bravo, kann Ihnen nur voll zustimmen. A propos Giscard d'Estaing, war da nicht etwas mit Diamanten? Oder hat er die etwa unters Volk verteilt?

Grober J-P.
3. Januar 2024 - 10.31

Frage: Ist Betteln eine Straftat? Bitte um eine ehrliche, fundierte Antwort. A propos Giscard: Er war bekannt als der Samariter in Frankreich.

fraulein smilla
3. Januar 2024 - 9.55

Herr Cleese ,auch fuer Sie gilt das Zitat von Valérie Giscard d'Estaing " Vous n'avez pas le monopole du coeur "