LuxemburgEuGH kippt weitere Teile von Polens Justizreform

Luxemburg / EuGH kippt weitere Teile von Polens Justizreform
Die nationalkonservative PiS-Regierung in Polen muss ihre umstrittene Justizreform wieder ändern Foto: Editpress-Archiv

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Die Spannungen zwischen der EU und der nationalkonservativen polnischen Regierung nehmen zu: Das höchste EU-Gericht hat am Montag weitere Aspekte der umstrittenen polnischen Justizreform als nicht vereinbar mit den Grundwerten der Staatengemeinschaft gekippt.

„Die polnische Justizreform vom Dezember 2019 verstößt gegen das EU-Recht“, teilte das Gericht in einer Erklärung mit. „Der Wert der Rechtsstaatlichkeit ist ein integraler Bestandteil der Identität der Europäischen Union.“ Der stellvertretende polnische Justizminister Sebastian Kaleta, ein Hardliner der Regierungspartei PiS, wies das Urteil umgehend als „Farce“ zurück. Streit droht auch um das geplante polnische Gesetz zur Untersuchung russischer Einflussnahme.

Nach Angaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg verstößt unter anderem die Regelung gegen EU-Recht, dass die Mitgliedschaft von Richterinnen und Richtern etwa in Verbänden, Organisationen oder Parteien öffentlich gemacht werden kann. Dabei handele es sich um einen widerrechtlichen Eingriff in die Privatsphäre. Die Richter listeten aber gleich mehrere Punkte der von der PiS umgesetzten Reform als schädlich für die Unabhängigkeit der Justiz auf.

Dem EuGH zufolge untergrub insbesondere die polnische Disziplinarkammer für Richter die Unabhängigkeit der Justiz. Das mit regierungsnahen Vertretern besetzte Gremium konnte missliebige Richter entlassen oder bestrafen. Zwar schaffte Polen die Kammer im Juli 2022 per Gesetz wieder ab. Dieser Schritt allein reicht allerdings nicht aus, um die Gewaltenteilung in Polen zu garantieren, wie die EU-Kommission bereits im vergangenen Jahr feststellte.

Die Klage war von der Europäische Kommission eingereicht worden, die auch den Haushalt der Union verwaltet und die mit der Durchsetzung gemeinsamer Gesetze in allen 27 Mitgliedstaaten beauftragt ist. Die Klage war von Belgien, Finnland, Dänemark, Schweden und den Niederlanden unterstützt worden. Da das Urteil rechtskräftig ist, muss das EU-Mitglied Polen nun die vom EuGH als rechtswidrig eingestuften Elemente seines Justizsystems ändern. Sollte Warschau dies nicht tun, könnte der EuGH weitere Geldstrafen verhängen. Polen zahlt bereits eine Strafe von 500.000 Euro pro Tag, weil es ein im Jahr 2021 getroffenes EuGH-Urteil gegen die Überwachung polnischer Richter nicht vollständig umgesetzt hat. Die EU-Kommission blockiert zudem Warschaus Zugang zu 35,5 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln aus dem Corona-Wiederaufbaufonds und weitere Milliarden sogenannter Kohäsionsmittel, die ärmeren Mitgliedsländern eigentlich helfen sollen, ihren Entwicklungsrückstand aufzuholen.

Weiterer Streit

Und es zeichnet sich bereits der nächste Streit ab: Die Kommission hat ein geplantes Gesetz der nationalkonservativen PiS-Regierung kritisiert, nach dem ein Gremium untersuchen soll, ob die Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) das Land übermäßig dem Einfluss Russlands preisgegeben hat. Das Gremium könnte im September einen ersten Bericht vorlegen – also kurz vor den polnischen Parlamentswahlen. Am Wochenende hatten hunderttausende Menschen in Warschau gegen die Reform demonstriert. Die PiS regiert das Land seit 2015. (Reuters, AFP)