Außenministertreffen in BukarestDer Blick der NATO auf drohende künftige Konflikte

Außenministertreffen in Bukarest / Der Blick der NATO auf drohende künftige Konflikte
Luxemburg war durch Jean Asselborn beim NATO-Außenministertreffen in Bukarest vertreten, der sich hier mit seiner slowenischen Amtskollegin Tanja Fajon und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ablichten lässt Foto: Andrei Pungoveschi/AFP

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Das Transatlantik-Bündnis macht der Ukraine keine Hoffnung auf einen schnellen Beitritt. Wichtiger sei es derzeit, ihr beim Überleben zu helfen. Zudem blickt die NATO auf weitere gefährliche Szenarien nach Russlands Krieg gegen die Ukraine.

Natürlich dreht sich bei diesem NATO-Außenministertreffen in Bukarest vordringlich alles um die Ukraine. Doch der lange von der NATO nicht für möglich gehaltene russische Angriffskrieg hat die Sensibilität für mögliche weitere Konflikte und Herausforderungen geschärft. Vor allem sprechen die NATO-Mitglieder über die aktuellen Bedrohungen für Moldawien und Georgien, den russischen Druck auf Bosnien, aber auch über die brisanten Entwicklungen der Beziehungen zu China.

Nach außen hin geben sich die Bündnisvertreter anschließend betont gelassen. „Natürlich werden wir den Handel und das wirtschaftliche Engagement mit China fortsetzen“, beruhigt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er verweist zugleich lediglich darauf, dass man unter dem Eindruck der im Krieg gegen die Ukraine entdeckten Gas-Abhängigkeit von Russland zu dem Schluss gekommen sei, sich künftig Abhängigkeiten stärker bewusst zu sein, die Verwundbarkeit zu verringern und „die Risiken zu managen“.

Das ist hinreichend unkonkret und lässt nicht erkennen, welche möglichen Szenarien von Kriegen und Konflikten die Außenminister soeben hinter verschlossenen Türen im Bukarester Protz-Bau aus Zeiten der Ceausescu-Diktatur tatsächlich erörtert haben. Einiges lässt US-Außenminister Antony Blinken mit einem doppelten Dementi durchblicken, wenn er erläutert, es gehe nicht darum, die „NATO nach Asien zu bringen“; man wolle „keinen Nuklearkrieg“. Allein diese Wortwahl weist auf die Brisanz, die der schnellen militärischen Aufrüstung Chinas, dem Streben nach Einfluss und der damit verbundenen Systemrivalität beigemessen wird. Konkret folgt daraus, sich bei allen Geschäften mit China im Klaren zu sein, dass jede Lieferung von Technologie letztlich auch in die militärische Aufrüstung fließe.

Verteidigungsbereitschaft forcieren

Blinken verweist auf die neue NATO-Strategie, die bereits im Frühsommer erstmals auch China als konkrete Bedrohung erwähnte. Schon damals schaute die NATO mit Sorge auf die immer enger werdende Partnerschaft Chinas mit Russland und auf das „breite Spektrum an politischen, wirtschaftlichen und militärischen Instrumenten“, das China einsetze, um seinen „weltweiten Fußabdruck und seine Machtprojektion zu vergrößern“. China untergrabe die regelbasierte Ordnung, schade mit Cyberoperationen und Desinformationskampagnen der Sicherheit des Bündnisses. Blinken fasst es jetzt zusammen in der Mahnung, Chinas Vorgehen sei „relevant für die Sicherheit der Alliierten“.

Die NATO sei zwar ein Europa-Nordamerika-Bündnis, hält Stoltenberg fest, doch die Herausforderungen seien globaler Natur. Langfristig stelle China eine Herausforderung für die Interessen, die Werte und die Sicherheit der NATO dar, erläutert der Generalsekretär. Und damit wechselt er zu den mittelfristigen Herausforderungen, dem russischen Druck auf Bosnien, Georgien und Moldawien, deren Außenminister ebenfalls am zweiten Tag des Ministertreffens in Bukarest mit am Tisch sitzen. Dabei sei die Absicht unterstrichen worden, die schon laufenden Anstrengungen für die Verbesserung der Sicherheitsstrukturen und der Verteidigungsbereitschaft der Länder zu forcieren. Also: Fähigkeiten, Reformen und Ausbildung zu verstärken. Denn diese Lektion habe die NATO aus dem russischen Krieg gegen die Ukraine gelernt: Nicht zu lange warten, frühzeitig die Solidarität entwickeln und nicht erst, wenn die Dinge auf dem falschen Weg seien.

Aufnahmebegehren abtropfen lassen

In Bukarest haben diese Worte einen besonderen Nachhall. Genau hier entschied der NATO-Gipfel 2008, dem Beitrittsbegehren von Georgien und der Ukraine nur grundsätzlich nichts in den Weg zu stellen, tatsächlich aber auf die lange Bank zu schieben, um Russland nicht zu provozieren. Doch Putin griff bereits im Sommer desselben Jahres Georgien an, hat bis heute ständig einsatzbereite Truppen auf dessen Territorium stationiert. Ähnlich verhält es sich mit dem Ukraine-Nachbarn Moldawien, dem Russland erst im September mit einem militärischen Eingreifen drohte, sollte die Sicherheit der von Separatisten beherrschten Region bedroht sein. Das erinnert stark an das Drehbuch für den Krieg gegen die Ukraine.

Deren Aufnahmebegehren im Schnellverfahren ließen die NATO-Außenminister nach dem Muster des Gipfels von 2008 abtropfen, indem sie den gleichen Wortlaut wie damals wählten. Zugleich versicherten sie, der Ukraine gegen das „barbarische“ (Blinken) Vorgehen Russlands gegen die zivile Energieversorgung noch mehr beizustehen. Mit Transformatoren, mit Generatoren, mit Luftabwehr. Stoltenberg versuchte auf Nachfrage, daraus auch eine Verbindung zum Beitrittswunsch zu entwickeln. Hier gehe es nun um ein Vorgehen „Schritt für Schritt“. Je mehr moderne Waffen die Ukraine jetzt erhalte, desto schneller könne dann später der Beitritt erfolgen. Erst einmal gehe es darum, dass in dem Krieg Russlands die Ukraine obsiege. Denn „wenn die Ukraine den Krieg nicht als unabhängiger und souveräner Staat übersteht, liegt auch die Frage der Mitgliedschaft nicht mehr auf dem Tisch“.

Aktuelle Ukraine-Hilfe der NATO-Staaten

Die NATO-Partner verabredeten eine dreifache Unterstützung der Ukraine:
1. Humanitäre Hilfspakete für die Bevölkerung werden angesichts der winterlichen Witterung verstärkt.
2. Equipment zur Wiederherstellung der Strom- und Wasserversorgung soll binnen Tagen geliefert werden.
3. Die Abwehrfähigkeiten gegen die fortgesetzten russischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur sollen ausgeweitet werden.