KommentarGroßbritannien: Das Experiment „Trussonomics“ ist gescheitert

Kommentar / Großbritannien: Das Experiment „Trussonomics“ ist gescheitert
Großbritanniens neuer Finanzminister Jeremy Hunt (M.) spricht im britischen Unterhaus, während (Noch-)Premierministerin Liz Truss (r.) hinter ihm zuhört Foto: House of Commons/PA Wire/dpa

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Was ist, stöhnen nicht nur die Briten, aus den britischen Konservativen geworden? Eine der ältesten und erfolgreichsten politischen Parteien der Welt bietet zurzeit ein Schauspiel, für das das Wort „Farce“ oder „Chaos“ eine Untertreibung wäre. Nicht nur, dass in London schon fast italienische Verhältnisse herrschen: In den letzten sechs Jahren erlebte man vier verschiedene Regierungschefs und in den letzten vier Monaten vier verschiedene Finanzminister. Es ist vor allem die hanebüchene Inkompetenz, mit der sich die Torys blamieren, die Beobachter verzweifeln lässt.

Erst 40 Tage ist Liz Truss Premierministerin, aber steht jetzt vor einem Scheiterhaufen. Das Programm, mit dem sie ins Amt gekommen war, ist grandios gescheitert. Sie wolle die Steuern massiv senken, hatte sie versprochen, um damit das Wachstum anzukurbeln, was wiederum die Mindereinnahmen kompensieren sollte. Es war eine Milchmädchenrechnung. Ihr Programm basierte auf der sogenannten „Trickle-down-Theorie“, nach der eine Entlastung der Reichen dazu führt, dass deren Wohlstand zu den unteren Gesellschaftsschichten „herunterrieselt“ und damit Wirtschaftswachstum schafft. Die Theorie gilt allgemein als diskreditiert. Das hielt Truss nicht davon ab, „Wachstum, Wachstum, Wachstum“ zum Kern ihrer Wirtschaftspolitik zu erklären und an den umstrittenen Steuersenkungen festzuhalten. Dass genau diese in einer Wirtschaftskrise das falsche Mittel sind, weil sie die Inflation anheizen, die Staatsfinanzen ruinieren und eben nicht zwangsläufig zu Wachstum führen – dieses Argument ignorierte sie.

Die internationalen Finanzmärkte haben es nicht ignoriert. Sie reagierten rabiat, ließen das Pfund auf einen historischen Tiefststand zum Dollar fallen und trieben die Zinsen, die das Schatzamt für britische Staatsanleihen zahlen muss, in die Höhe. Das hat in der Folge dazu geführt, dass auch die Zinsen für Privat-Hypotheken in die Höhe schossen. Viele Briten stehen jetzt vor der Herausforderung, mehrere Tausend Pfund im Jahr zusätzlich für die Finanzierung ihrer Immobilie finden zu müssen. Am Sonntag klagte der respektierte Tory-Abgeordnete Robert Halfond, dass „die Regierung wie libertäre Dschihadisten aussieht, die das Land wie Labormäuse behandeln“.

Vertrauen in Konservative ist gründlich dahin

Am Montag musste der frisch gebackene Finanzminister Jeremy Hunt die Reißleine ziehen und das Steuerpaket von Truss stornieren. Seine Ankündigungen laufen auf eine vollständige Rücknahme des Haushalts hinaus, mit dem Kwarteng und Truss eine neue Wirtschaftspolitik für Großbritannien einläuten wollten. „Trussonomics“ ist somit offiziell gecancelt. Das marktliberale Experiment hat den Kontakt mit der Realität der Märkte nicht überlebt. Es mag mit dem Programm vorbei sein, aber großen Schaden hat es dennoch angerichtet. Das Vertrauen der Finanzmärkte ist erschüttert, wofür der britische Staat zahlen muss, mit höheren Zinssätzen für seine Verschuldung. In nur 40 Tagen Truss sind die Briten ein gutes Stück ärmer geworden.

Im Königreich haben stets diejenigen Parteien Wahlen gewinnen können, denen die Bürger Wirtschaftskompetenz zutrauen. In der Vergangenheit waren das in der Regel die Konservativen. Nach dem Scheitern des Truss-Experiments ist dieses Vertrauen gründlich dahin. Ob sich die Konservativen davon erholen können, bleibt dahingestellt. Aber mit einer Premierministerin, die Liz Truss heißt, wäre ein Comeback unmöglich.

JJ
18. Oktober 2022 - 13.12

Ist das Vertrauen in Konservative nicht auch in anderen Ländern dahin? Konservatismus heißt doch am Ende nichts anderes als Stillstand. Wir wollen bleiben was wir sind!? Man stelle sich vor das wäre die Devise vor 2 Millionen Jahren gewesen.Wir säßen heute noch auf den Bäumen. Wenn "Großmäuler" Minister-oder Präsidentenposten bekleiden können,ohne eine Ahnung zu haben von dem was sie tun,dann wäre die Baumlösung vielleicht gar nicht so abwegig.