BulgarienSprachloser Sieger: Kaum Freude bei Ex-Premier Borissow über Pyrrhussieg seiner Gerb-Partei

Bulgarien / Sprachloser Sieger: Kaum Freude bei Ex-Premier Borissow über Pyrrhussieg seiner Gerb-Partei
Bojko Borissow, ehemaliger Ministerpräsident von Bulgarien, betritt ein Wahllokal, um seine Stimme abzugeben Foto: Visar Kryeziu/AP/dpa

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Ausgelassen feierten seine Fans auf dem Sofioter Witoscha-Boulevard das vermeintliche Comeback von Bulgariens Seriensieger. Der aber kann sich nicht so richtig freuen.

„Wir wollen Bojko, wir wollen Bojko“, skandierten die mit Bussen aus der Provinz herangekarrten Anhänger der rechten Gerb-Partei den Namen ihres bulligen Bugbilds. Gerb-Chef und Wahlsieger Bojko Borissow hatte sein magerer Triumph hingegen die Sprache verschlagen. „Danke an alle, die uns unterstützt haben“, so seine wortkarge Facebook-Botschaft in der Wahlnacht.

Mit 25,34 Prozent hat seine Gerb-Partei bei der vierten Parlamentswahl in 18 Monaten ihre im letzten Jahr verlorene Position als stärkste Kraft im Balkanstaat zurückerobert. Doch nicht nur wegen der fehlenden Aussicht auf eine stabile Regierungsmehrheit vermag sich der langjährige Ex-Premier über den Pyrrhussieg kaum zu freuen.

Der Urnengang hat den rasanten Schwund seiner lange als sehr loyal geltenden Wahlklientel bestätigt. Machten bei der Parlamentswahl 2017 noch 1,14 Millionen Wähler bei Gerb ihr Kreuz, ist deren Zahl in fünf Jahren um über die Hälfte geschrumpft: Nicht nur die Partei, sondern auch Ex-Leibwächter Borissow haben den Zenit ihrer Popularität längst überschritten.

Von 2009 bis 2021 hatte der Karate-Kämpfer als Regierungschef das Politparkett beim ärmsten EU-Mitglied mit kurzen Unterbrechungen als Premier dominiert. Seine Anhänger priesen den hemdsärmligen Hobby-Kicker lange als tatkräftigen Macher. Seine Kritiker warfen ihm nicht nur einen ebenso schroffen wie selbstgefälligen Amtsstil vor, sondern machten ihn auch für die florierende Korruption und Vetternwirtschaft im Balkanstaat verantwortlich.

Wegen Korruptionsverdacht wurde der 63-Jährige im März selbst kurzzeitig verhaftet, aber nach einer Nacht hinter Gittern wieder freigelassen. Er hege keine Revanchegelüste, hatte Borissow bei seiner Stimmabgabe am Sonntag versichert. Doch seine insgeheime Hoffnung, sich mit seinem Erzrivalen Kiril Petkow, dem Chef der Antikorruptionspartei PP, auf die Unterstützung für ein proeuropäisches Technokratenkabinett verständigen zu können, hat durch die Wahl einen gehörigen Dämpfer erhalten.

Begrenzte Koalitionsmöglichkeiten

Einerseits hat die PP mit 20,2 Prozent der Stimmen nicht gar soviel Boden eingebüßt wie zuvor erwartet. Andererseits schloss Ex-Premier Petkow noch in der Wahlnacht ein Bündnis mit der Gerb kategorisch aus. Die Gerb habe eine „große Auswahl“, schlug er Borissow stattdessen spöttisch ein Bündnis mit der als Oligarchenpartei verrufenen DPS (13,74 Prozent) und der nationalistischen „Wiedergeburt“ (10,17 Prozent) vor: „Es wäre unverantwortlich für die erste Kraft, bei all diesen Kombinationsmöglichkeiten keine Regierung zu bilden.“

Tatsächlich sind für den Gerb-Chef die Koalitionsmöglichkeiten für eine proeuropäische Regierung begrenzt: Neben der „Wiedergeburt“ sitzen mit der sozialistischen BSP (9,3 Prozent) und dem „Bulgarischen Aufstieg“ (4,6 Prozent) nun gleich drei ausgesprochen prorussische Parteien im Parlament. Scheitert die Regierungsbildung, sind erneute Neuwahlen im Frühjahr unausweichlich: Es wären die fünften Parlamentswahlen in zwei Jahren.