Montag27. Oktober 2025

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Covid-19Omikron als Best-Case-Szenario:  „In anderen Zeiten wäre das eine normale Erkältung“

Covid-19 / Omikron als Best-Case-Szenario:  „In anderen Zeiten wäre das eine normale Erkältung“
Die Zahl der Menschen, die wegen Covid auf einer Intensivstation betreut werden müssen, war zuletzt auf einem stabilen, niedrigen Niveau Foto: dpa/Nathan Denette

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Mit den tragischen Entwicklungen in der Ukraine scheint die Pandemie in den Hintergrund zu rücken. Gleichzeitig werden die Maßnahmen gelockert, was im Ausland Experten dazu veranlasst, vor einer möglichen Zunahme der Infektionszahlen zu warnen. In Luxemburg bleibt man indessen gelassen: Virologe Claude P. Muller geht sogar von einem Best-Case-Szenario aus.

Frau L. ist frustriert: „Das kann doch nicht sein! Die können doch nicht meine kranke Mutter einfach so vor die Tür setzen, ohne dass sich jemand um sie kümmert!“, echauffiert sich die Anruferin im Gespräch mit dem Tageblatt. Sie hat gerade von Mitarbeitern des „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ (CHEM) erfahren, dass ihre Mutter aus dem Krankenhaus entlassen werden soll, obschon sie immer noch mit Covid-19 infiziert sei. „Sie hat immer noch Atembeschwerden und kann sich kaum auf den Beinen halten“, erklärt die Betroffene.

Ihrer Auffassung nach sei es noch zu früh, die Mutter aus der Pflege zu entlassen. Die alte Frau sei weiterhin auf Betreuung angewiesen – die man ihr zu Hause aber nicht bieten kann. Denn: „Mein Mann und ich sind selbst an Covid erkrankt“, erklärt die Tochter mit rauer Stimme. Man habe nicht mal die Möglichkeit, die Frau aus dem Krankenhaus abzuholen: „Mal abgesehen davon, dass wir beide mit Fieber im Bett liegen, müssen wir uns an die Quarantäne halten“, meint die Betroffene verzweifelt. Einen Krankenwagen könne sie auch nicht nutzen.

Der Arzt sei indessen der Meinung, dass der Gesundheitszustand der Frau eine ambulante Pflege zu Hause zulasse. „Dass sich hier gerade niemand um sie kümmern kann, scheint die Mitarbeiter des CHEM nicht zu interessieren“, so die Tochter. „Die wollen Platz schaffen für andere Covid-Patienten“, so ihre Mutmaßung. Das Krankenhaus stoße wohl an seine Grenzen. Dieser Vorfall zeige, dass die Pandemie immer noch auf dem Vormarsch sei und die Maßnahmen doch nicht so früh hätten gelockert werden dürfen.

Übergang zur endemischen Situation

Fakt ist: Seit einem Monat sind Infektionszahlen und Impfraten nur noch Nebensache. Die Pandemie ist relativiert worden angesichts der Tragödie in der Ukraine. Bilder von Masken und Beatmungsmaschinen sind Aufnahmen von zerstörten Schulen, brennenden Panzern und verstörten Kriegsflüchtlingen gewichen. Millionen Kriegsflüchtlinge suchen Schutz im Ausland. Gleichzeitig werden europaweit die Covid-Maßnahmen gelockert – was Virologen und Epidemiologen im Ausland dazu veranlasst, vor den Gefahren zu warnen, die weiterhin von dem Virus ausgehen. Denn: Die Pandemie ist noch nicht ausgestanden.

Tatsache aber ist auch, dass die Zahlen der neu Infizierten weltweit stabil bleiben. Auch rechnen Experten damit, dass sich die Lage im Frühling und Sommer weiter entspannen wird. Die Luxemburger Gesundheitsbehörden reagieren entsprechend zuversichtlich: Die aktuellen Entwicklungen seien „beruhigend“, wie eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums gegenüber dem Tageblatt bestätigt. „Auch wenn die Infektionen leicht steigen, so bleibt doch die Zahl der Krankenhausaufenthalte stabil. Das gilt insbesondere für die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen“, so die „Santé“-Mitarbeiterin.

So befanden sich am Mittwoch vier Personen in Intensivpflege, während die Zahl der Covid-Patienten auf den Stationen von Dienstag auf Mittwoch sogar leicht von 42 auf 37 gesunken ist. Natürlich handelt es sich nur um eine Momentaufnahme. Große Unterschiede wurden zuletzt aber keine mehr festgestellt.

Auch was die Zahl der Inzidenzen respektive Neuinfektionen angeht, sind Schwankungen nicht weiter besorgniserregend, wie Professor Claude P. Muller feststellt. „Was zählt, ist die Zahl der Personen, die in den Krankenhäusern versorgt werden, insbesondere jene der Patienten in Intensivpflege“, so der Virologe. Die Inzidenzrate sei weniger aussagekräftig, da inzwischen ein großer Unterschied bestehe zwischen der Anzahl der Neuinfektionen und der Zahl jener Menschen, die auch wirklich medizinisch versorgt werden müssten. Und bei den aktuellen Zahlen sei nicht davon auszugehen, dass das Gesundheitssystem an seine Grenzen stoße.

Der Verlauf der Krankheit sei bei der gerade überwiegenden Variante relativ mild. Die Mehrzahl der Menschen, die positiv getestet werden, zeigten nur leichte Erkältungssymptome. Damit unterscheide sich das Covid-19-Virus nicht mehr allzu sehr von anderen Corona-Viren, die während der jährlichen Grippe-Saison auftreten und nur leichte Influenza-Symptome bewirken. „In anderen Zeiten wäre das eine normale Erkältung“, betont der Virologe. Dass sich Covid-19 mehr und mehr verhält wie ein saisonales Corona-Virus, sei für ihn eigentlich ein Best-Case-Szenario. „Wenn die meisten Infektionen nur noch zu einer Art Erkältungskrankheit führen, hätte es nicht besser laufen können.“

Für den Experten sei die Pandemie dabei, in eine endemische Situation überzugehen. Einen großen Anteil daran habe die hochgradig übertragbare Omikron-Variante mit mildem Verlauf. Mehr Infektionen mit geringerem Risiko hätten in Kombination mit den Impfungen zu einem verbreiteten Schutz innerhalb der Bevölkerung geführt. „Augenblicklich befinden wir uns in genau jener Situation, die wir uns immer erhofft und uns seit einiger Zeit auch erwartet haben“, so Muller.

Natürlich bestehe immer noch die Gefahr einer gefährlicheren Mutation. „Deshalb müssen wir auch weiterhin wachsam bleiben und uns die Möglichkeiten geben, entgegensteuern zu können“, warnt der Experte. In diesem Zusammenhang spiele die gezielte Impfpflicht bei gefährdeten Menschen eine wichtige Rolle: Damit werden jene Menschen geschützt, die bei einer Infektion Gefahr laufen, in Intensivbehandlung zu kommen und das Gesundheitssystem an seine Grenzen zu führen. „Ziel ist es nicht, die Inzidenzen, also Infektionszahlen niedrig zu halten, sondern die Zahl der Krankenhausaufenthalte“, erklärt Muller.

Die Pandemie verblasst angesichts der Tragödie, die sich gerade in der Ukraine abspielt
Die Pandemie verblasst angesichts der Tragödie, die sich gerade in der Ukraine abspielt Foto: AFP

„Kein Mangel an Krankenhausbetten“

Die aktuelle Situation beweist aber auch, dass die sanitären Maßnahmen von einer Mehrheit angenommen wurde. Die Pandemie sei hierzulande nicht in Vergessenheit geraten, sagt die Sprecherin des Gesundheitsministeriums. So seien in der Öffentlichkeit noch viele Menschen unterwegs, die auf freiwilliger Basis Maske tragen. „Demnach scheint das Bewusstsein für das Virus immer noch weit verbreitet zu sein“, schlussfolgert die Sprecherin.

Auch haben sich die jüngsten Lockerungen nicht weiter negativ auf die Infektionszahlen ausgewirkt: Die aktuelle Infektionswelle sei in weiten Teilen auf die Variante Omikron BA2 zurückzuführen, die um 30 Prozent ansteckender sei als die BA1-Variante. Dies sei aber bereits vor den Beschlüssen der Regierung der Fall gewesen, heißt es auf Seiten der „Santé“.

Was nun den Vorfall mit Frau L. angeht, so betont die Pressestelle des CHEM, dass man sich wegen der ärztlichen Schweigepflicht nicht zu dem Fall äußern werde. Generell aber sei es so, dass einzig und allein der behandelnde Arzt entscheidet, ob eine medizinische Betreuung im Krankenhaus nötig sei oder die betreffende Person entlassen werden kann. Das Krankenhaus stoße auf jeden Fall nicht an seine Grenzen: „Einen Mangel an Krankenhausbetten können wir im Augenblick nicht bestätigen“, so der Sprecher des Escher Spitals. Die Zahl der Patienten sei seit einem Monat stabil. Man wolle dennoch wachsam bleiben.

Man habe jedoch Verständnis für das Anliegen der Betroffenen: „Wir wissen, dass solche Situationen nicht immer einfach sind. Vor allem bei älteren Patienten, die nach ihrem Aufenthalt im Krankenhaus weiter betreut werden müssen“, unterstreicht der Sprecher. Das sei besonders während der Pandemie deutlich geworden. „In solchen Fällen versuchen wir als Krankenhaus, unsere Patienten auch weiterhin zu unterstützen und eine weitere Pflege mit externen Partnern zu gewährleisten. Sei es nun mit Hilfe von Pflegeheimen, Rehabilitationsstrukturen oder häuslicher Krankenpflege. Wir wissen, dass unsere Patienten und ihre Familien oft vor große Herausforderungen gestellt werden.“

Ein Krankenhaus sei jedoch eine akute Struktur. Als solche sei es dem CHEM nicht möglich, Patienten auch dann noch zu pflegen, wenn keine medizinischen Argumente für eine stationäre Betreuung sprechen.

MarcL
25. März 2022 - 12.21

Danke für den Realitätscheck! Ich zahle monatlich Sozialabgaben und dachte immer diese würden mir die genannten "grossen Herausforderungen" ersparen.

HTK
24. März 2022 - 22.23

"Pandemie / „Santé“ meldet am Donnerstag 2.183 Infektionen – vier weitere Todesfälle"

Best case szenario? Alles wird gut. Irgendwann.