Montag27. Oktober 2025

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Interview„Hätte nicht gedacht, dass ich so missverstanden werden könnte“: Serge Tonnar reagiert auf Spottlied-Kontroverse 

Interview / „Hätte nicht gedacht, dass ich so missverstanden werden könnte“: Serge Tonnar reagiert auf Spottlied-Kontroverse 
Er habe nur helfen wollen, sagt Serge Tonnar. Die Heftigkeit der Reaktionen nach seinem Beitrag zum Spottlied in den sozialen Medien habe ihn überrascht. Foto: Jean Huot/Editions Binsfeld

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Serge Tonnar nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Sei es in seinen Songs oder in der Öffentlichkeit: Der Luxemburger Musiker scheut nicht davor zurück, seine Meinung kund zu tun. Auch wenn es sich um heiße Eisen handelt. Bei der Kontroverse um das Spottlied, das die Teilnehmer der Proteste gegen die sanitären Maßnahmen am Samstag vor einer Woche Premierminister Xavier Bettel widmeten, ist Tonnar nun aber zwischen die Fronten geraten. Im Tageblatt-Interview verrät der Künstler, was er sich dabei gedacht hat und weshalb ihm die jüngsten Entwicklungen Sorgen bereiten.

Tageblatt: „Den Tonnar gëtt gehaangen op der neier rouder Bréck“ – diese Zeile stammt aus Ihrer persönlichen Feder. Ist das Galgenhumor? Sie wollten doch sicher nicht zur Gewalt gegen die eigene Person aufrufen?

Serge Tonnar: Mit diesen Worten habe ich ein Post auf Facebook eingeleitet, mit dem ich darauf aufmerksam machen wollte, dass dieser Spottgesang der Demonstranten gegen die Covid-Politik der Regierung eigentlich aus dem Volksmund stammt, und nicht spezifisch für diesen Kontext oder gar als Aufruf zum Mord entstanden ist.

Corona ist ein heißes Eisen, die Bevölkerung geteilt. Vor allem in den sozialen Netzwerken löst das Thema hitzige Diskussionen aus. Hatten Sie nicht mit der Kontroverse gerechnet? Oder waren Ihnen die Folgen egal?

Mit Diskussionen hatte ich wohl gerechnet, nicht aber mit persönlichen Angriffen und Verleumdungen. Ich empfand diesen kleinen „Fact-Check“ für nötig, da in einigen Presseartikeln der Gesang als Aufruf zum Mord oder Lynchen interpretiert wurde, ohne dass auf den volkstümlichen Ursprung des Spotts hingewiesen wurde. In französischsprachigen Medien könnte das besonders problematisch sein, da manche Leser den Ursprung wohl nicht kennen. Aber auch jüngere Leute haben diesen Gesang wahrscheinlich nie vorher gehört.

Welche Botschaft wollten Sie eigentlich vermitteln?

Premierminister Xavier Bettel und ich stammen aus der gleichen Generation. In unserer Jugend war der Gesang weit verbreitet, und wurde – zum Beispiel bei den Pfadfindern – häufig und ohne böse Absicht gesungen. Mit dieser Information wollte ich eigentlich zur Deeskalation der Berichterstattung beitragen. Mit dem Hinweis, dass es sich womöglich um einen harmlosen Spott handeln könnte, dachte ich zur Beruhigung der Gemüter beizutragen.

Die Reaktionen auf Ihren Beitrag waren mitunter heftig. Hat Sie das überrascht?

Leider wurden meine Gedanken von einigen Seiten missverstanden, und als Verharmlosung oder gar Billigung von Aufruf zum Hass einer gewaltbereiten Meute interpretiert. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so missverstanden werden könnte. Vor allem da mein bedingungsloser Einsatz für Toleranz und sozialen Frieden und meine Ablehnung gegenüber jeglicher Form von Radikalismus in meinem künstlerischen Schaffen und meinem privaten Engagement bekannt sein dürfte.

Können Sie das Argument mancher Kritiker aber nachvollziehen, dass ein gewisses Benehmen in bestimmten Zusammenhängen nicht mehr mit Folklore oder Traditionen entschuldigt werden kann?

Selbstverständlich! Es ging mir ja nicht darum, irgendein Benehmen zu entschuldigen. Doch Spott- oder Protestlieder des Volkes gegenüber den Mächtigen sollten einer gesunden Demokratie keinen Schaden anhaben können. Im Gegenteil: Sie spielen oft eine Rolle als Ventil für Frust und Wut. Nicht zu entschuldigen sind dagegen Gewalt, Einschüchterung oder Vandalismus, was wir ja auch leider schon miterlebt haben.

War es denn nun letztendlich ein harmloses Spottlied oder doch ein Aufruf zur Gewalt?

Ich kenne die Absichten der singenden Protestteilnehmer nicht, möchte sie aber auch nicht in Schutz nehmen. Eines steht fest: Falls es sich tatsächlich um einen Aufruf zur Gewalt gehandelt haben sollte, will ich das aufs Schärfste verurteilen. Ich bin gegen jede Form von Hass und Aufruf zu verbaler oder physischer Gewalt.

Sie haben sich zuletzt etwas kritischer gegenüber den Maßnahmen der Regierung geäußert. Sie seien kein Freund einer Gesellschaft, die Menschen durch ihren „pharmakologischen Status“ definiere. Dafür wurden Sie in manchen Social-Media-Gruppen von Gegnern der Covid-Politik entsprechend gefeiert …

Ich habe keinen Einfluss darauf, wie, wo und von wem meine Äußerungen gefeiert, übernommen, verfremdet oder falsch interpretiert werden. Ich muss aber das Recht behalten, systemkritische Gedanken führen zu können und bin der Meinung, dass es höchste Zeit wird, dass das Volk seine Verantwortung zurückbekommt. Dabei bin ich weder Impfgegner noch Coronaleugner. Ich bin auch kein Sympathisant irgendwelcher Bewegungen in diesem Lager und habe mehrmals dankend abgelehnt, wenn ich dazu eingeladen wurde, mitzumarschieren oder zu singen. Nach den ersten Protesten habe ich unmissverständlich dazu aufgerufen, nur friedlich und mit klaren Forderungen zu demonstrieren, da man sonst mit den Aussagen und Handlungen der radikalsten Mitläufer identifiziert wird.

Sie haben in einer ersten öffentlichen Reaktion am Montag von einer „Schwarz-Weiß-Stimmung“ gesprochen, von „radikalisierten Fronten“, die gemäßigte Menschen, die den mittleren Weg beschreiten, als Gegner betrachten …

Die aktuelle Denunziationskultur, in der wir alle gleichzeitig als Polizist, Spitzel, Staatsanwalt, Richter und Henker auftreten, sollte ein Grund für Besorgnis sein. Nicht zuletzt, da sie sich nun auch gegen moderate Menschen richtet, die sich für Dialog und Deeskalation einsetzen. Leider scheinen viele ihren Humanismus über Bord zu werfen und auf beiden Extremen sind radikale Tendenzen zu erkennen. Da ich mich bis heute aber geweigert habe, Partei zu ergreifen und in dieser sensationsgierigen Eskalation mitzumischen, werde ich von beiden Seiten oft missverstanden und öffentlich angegriffen oder verleumdet. Ich kann die Unterstellungen gegenüber meiner Person nicht akzeptieren und möchte auch unmissverständlich vor den Methoden warnen, die zuletzt dafür benutzt wurden.

Ich habe keinen Einfluss darauf, wie, wo und von wem meine Äußerungen gefeiert, übernommen, verfremdet oder falsch interpretiert werden.

Serge Tonnar, Musiker

Sie haben Ihre privaten Konten in den sozialen Netzwerken vorübergehend „auf Eis gelegt“, zuvor wollten Sie die Kommentarfunktion deaktivieren. Ist das nicht ein Signal an Ihre Kritiker, dass Sie zwar Dialog predigen, selbst aber keinen zulassen?

Ich muss, als öffentliche Person, die Kommentare unter meinen Beiträgen moderieren – also aufpassen, dass keine Überschreitungen, persönliche Angriffe oder „Hate Speech“ aufkommen. Dazu gehört eben auch ab und zu die Kommentarfunktion zu deaktivieren, wenn zu viel Hass aufkommt oder das schiere Volumen der Reaktionen nicht mehr zu verwalten sind. Das ist ähnlich wie in den Medien, wo auch moderiert werden muss, und die Kommentarfunktion nicht überall aktiviert wird. In den letzten Monaten ist aber selbst mir der Gegenwind zu aggressiv geworden und ich brauche eine Pause, um mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren und mich selbst und meine Familie, die oft mit leiden muss, zu entlasten. Ich möchte mich in der ganzen Angelegenheit jetzt aber nicht in eine Opferrolle versetzen, ebenso wenig wie in eine Täterrolle. Ich werde weiterhin meinen eigenen Weg gehen, wo Diskussion, konstruktive Kritik, Empathie und Sorge nach sozialem Frieden im Mittelpunkt stehen werden. Dabei wünsche ich mir, dass die Leute wieder miteinander reden, und sich nicht ständig gegenseitig verurteilen.

Gronk
15. Februar 2022 - 12.48

Freier hat ech dem Tonnar seng Musek an Texter ganz gudd fonnt an hun esouguer 2 CDen vun him.

Mee dei lescht Zäit danzt en emmer erem op der berühmter "Rasierklinge". Bon, vun sengem Jong net ze schwätzen; daat as e Clown.

BerGuy
15. Februar 2022 - 9.52

Den Här Tonnar wees schon wat hien vun sech get, en wou esou iwwerhieflech an arrogant optrëtt wärt jo wëssen wat e mécht an wat fir Konsequenzen kennen kommen.

Filet De Boeuf
14. Februar 2022 - 20.19

Und ich hab' gelernt, dass man auch ohne den Mund aufzumachen nicht intelligenter wird. Die selbe Masche haben auch die Reichen, die einem erzählen, man hätte es doch gut. Man muss ins Ausland auswanderen und kriegt noch erzählt, man hätte es doch gut.

Mucki Winkler
14. Februar 2022 - 18.57

Herr Tonnar soll sich bei der Grünen Partei melden, dort sind ja alle Meinungen willkommen.

ARM
14. Februar 2022 - 16.20

Ein schöner Fallrückzieher Herr Tonnar aber am Tor vorbei.

AntilopenGang
14. Februar 2022 - 15.33

Juristisch wär' die Grauzone erreicht
Doch vor Gericht machte ich es mir wieder leicht
Zeig' mich an und ich öffne einen Sekt
Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt

bullicamper
14. Februar 2022 - 11.10

Herr Tonnar,
Sie sind doch mittlerweile viel zu erfahren mit den Medien, als dass ich Ihnen Ihr Erstaunen abkaufen mag.
Es handelt sich hier um nichts anderes als die neueste Tonnar-Effekthascherei-Methode.
Wenn die Ihnen zugeteilte Aufmerksamkeit Ihnen nicht mehr genügt muss aufs Stereotyp der Provokation zurückgegriffen werden um auf sich, Sie und auch Ihr Sohn (F*ck Lëtzebuerg, f*ck de Keup, ...), aufmerksam zu machen.
Billig , billig !
Wenn es die Qualität der Kunst nicht mehr tut, dann heiligt auch schon mal der Zweck die Mittel ?
Tradition scheint es denn auch mittlerweile bei Ihnen als Familienkünstlerunternehmen zu sein sich aus den sozialen Medien weinerlich zu verabschieden wenn man mal selbst angegangen wird, wie z.B. "Beef" zwischen Künstlern.

HTK
14. Februar 2022 - 10.03

"....Köpfchen ins Wasser und Schwänzchen in die Höh..." ist ein Kinderlied und wird heute noch gesungen.Aber überträgt man den Text auf den Premier,dem man vorher das Auto zerkratzt hat usw.,dann bekommt er eine andere Bedeutung. Nur ein Beispiel von vielen. Als Kind sagte man mir schon ich sollte nachdenken bevor ich den Mund aufmache. Aber nichts gegen Humor und Satire.Das Leben wäre ja sonst langweilig.