„De Bettel gëtt gehangen op der neier, rouder Bréck, well en ass komplett verréckt“ – Gleich mehrere Male ertönten diese Worte am Samstag während des ansonsten friedlichen Protestmarsches des neuen Bürgerkollektivs gegen die sanitären Maßnahmen über die rote Brücke zur Philharmonie. Zuvor hatten sich um die 150 Demonstranten am Glacis gesammelt, wo sich auch die Anhänger der „Saturday for Liberty“ eingefunden hatten, die bereits seit fast zwei Jahren in verschiedensten Formen gegen die sanitären Auflagen des Staates protestieren.
Während Letztere erneut am Glacis blieben, um den Reden ihrer Wortführer zu lauschen, begab sich die Mehrheit der Demonstranten nach 14.45 Uhr auf einen Protestmarsch in Richtung place de l’Europe. Dabei forderten sie mehrmals „Liberté, liberté“, „Wir wollen keinen sanitären Pass“ und „Finger weg von unseren Kindern“. Auf den Treppen der Philharmonie wurden ebenfalls kurze Reden gehalten, bei denen auch ein Kind zum Einsatz kam, das auf Aufforderung eines Erwachsenen seine Freiheit einforderte.
Das Bürgerkollektiv ist ein heterogener Zusammenschluss mehrerer Gruppierungen, die ein Ende der sanitären Maßnahmen fordern. Zu den führenden Mitgliedern gehören Personen, die bereits im Vorfeld mit ihrer Kritik an der Covid-Politik der Regierung aufgefallen waren, sei es durch ihre Teilnahme an nicht genehmigten Protesten oder wegen verstärkter Aktivitäten in impfkritischen Gruppen auf den sozialen Netzwerken.
Gegründet wurde das Bürgerkollektiv unter anderem, um die Proteste in geregelte Bahnen zu leiten. Davor waren nicht angemeldete Demonstrationen in Luxemburg-Stadt regelmäßig aus dem Ruder gelaufen, entweder weil sich die Teilnehmer nicht an die ausgewiesene Protestzone hielten oder vereinzelte Beteiligte auf Konfrontationen mit den Ordnungskräften aus waren. Seitdem die Veranstaltung aber offiziell gemeldet und von Organisatoren umrahmt wird, gehören Ausschreitungen der Vergangenheit an. So auch am Samstagnachmittag, der erneut friedlich verlaufen ist.

Bündnispartner singen ein Volkslied
Auch innerhalb der sogenannten Querdenker-Bewegung sind die Proteste zumindest in ihrer aktuellen Form nicht ganz unumstritten. So stoßen sich die Organisatoren der „Saturday for Liberty“ etwa an der Einrichtung einer Protestzone. „Wir haben uns diesen Platz nicht ausgesucht, wir wurden dorthin gezwungen“, sagt beispielsweise Co-Organisator Jean-Marie Jacoby. Damit werde das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt.
„Bündnispartner für dieselben Ziele“ nennen sich die „Saturday for Liberty“ und das Bürgerkollektiv in einer gemeinsamen Erklärung. Informationen des Tageblatt zufolge sind aber nicht alle Anhänger des Bürgerkollektivs mit diesem Zusammenschluss einverstanden. Die Rhetorik der Wortführer der „Saturday for Liberty“ sei einer der Gründe. Andere Sympathisanten der Bewegung stören sich am Umstand, dass das Bürgerkollektiv an der Protestroute festhält und mit den Behörden zusammenarbeitet. Auf der roten Brücke sei man fernab der Öffentlichkeit, so die Kritik. Dort werde man nicht gehört.
Dass die Zahl der Teilnehmer in den letzten drei Wochen kontinuierlich abnimmt, führen die Organisatoren aber nicht auf Unstimmigkeiten zurück, sondern auf die aktuelle Infektionswelle. Viele Anhänger seien aktuell mit Covid infiziert oder müssten wegen eines Kontakts mit einem Covid-Patienten in Quarantäne bleiben.
In den sozialen Netzwerken sorgt indessen das eingangs erwähnte Volkslied für Diskussionen, das die Protestteilnehmer auf Premierminister Xavier Bettel umgedichtet hatten. Der Luxemburger Text folgt der Melodie des amerikanischen Patriotenlieds „Battle Hymn of the Republic“, dessen Refrain wohl auch vielen Luxemburgern ein Begriff sein dürfte: „Glory, glory Hallelujah!“.
Es handele sich dabei um einen Aufruf zu einer Gewalttat, eine regelrechte Morddrohung, so mehrere Kritiker. Mit dergleichen habe das Lied aber nichts zu tun, argumentiert hingegen Volksbarde Serge Tonnar auf Facebook. Das Lied stamme aus dem Volksmund und werde benutzt, um den jeweiligen Adressaten auf die Schippe zu nehmen. Um zu verhindern, dass jemand sich selbst zu ernst nimmt, so Tonnar.
Man dürfe heute nicht mehr alles mit einem Bezug zur Vergangenheit oder mit Gewohnheit entschuldigen, meint indessen der Grünen-Politiker Christian Kmiotek. Vereinzelte Sympathisanten dieser Bewegung seien bereits mit Morddrohungen aufgefallen. „Das ist also der Kontext, und nicht Folklore“, betont Kmiotek.
Battle Hymn of the Republic
Das von Serge Tonnar angedeutete „Luxemburger Volkslied“ basiert auf der Melodie einer patriotischen Hymne aus der Zeit des US-amerikanischen Bürgerkriegs von 1861 bis 1865: der „Battle Hymn of the Republic“.
Die Weise der „Battle Hymn“ stammt aus dem Süden der Vereinigten Staaten und wurde im 18. Jahrhundert – damals noch unter dem Titel „Oh Brothers“ – bei religiösen Zusammenkünften am Lagerfeuer gesungen. Aus dieser Zeit stammt der bekannte Refrain „Glory, glory Hallelujah“, der wohl auch vielen Lesern ein Begriff sein dürfte und bis heute erhalten geblieben ist.
Später wurde der Text umgedichtet, um des Abolitionisten John Brown zu gedenken. „John Brown’s Body“ war dem Kampf gegen die Sklaverei in den amerikanischen Südstaaten gewidmet, bevor Schriftstellerin Julia Ward Howe den Text während des amerikanischen Bürgerkriegs Anfang 1862 zur bekannten Version umdichtete.
Heute wird das Lied unter dem Titel „Battle Hymn of the Republic“ oder dem geläufigeren „Mine Eyes Have Seen The Glory“ immer noch bei bedeutenden patriotischen Ereignissen in den USA gespielt, wie etwa bei der Beerdigung des US-Präsidenten Ronald Reagan.
Achtung, Spaziergänger!
Abschließend betont die Polizei aber auch, dass keine weiteren Zusammenkünfte in der Hauptstadt registriert worden seien. Damit dürften die Ordnungskräfte wohl auf Meldungen in den sozialen Medien anspielen, wonach Kritiker der Covid-Politik vereinzelte „Spaziergänge“ in der Hauptstadt geplant hatten, fernab der gemeldeten Veranstaltungen. Entsprechende Aufrufe wurden vor allem in den einschlägigen Telegram-Gruppen geteilt.
Geteilt wurde der Aufruf unter anderem von jener jungen Frau, die beim Besuch der Impfgegner am vergangenen Montag vor den privaten Domizilen der Minister Lenert und Kox aufgefallen war. Unter dem Vorwand eines Spaziergangs zur Stärkung der Gesundheit sollten sich Gruppen am Samstag um 14 Uhr an verschiedenen Punkten der Hauptstadt treffen. Diskretion sei angebracht, man dürfe nicht mehr als zehn Leute sammeln. Erst im Zentrum sollte man „aufeinandertreffen“, um dann „zusammen spazieren zu gehen“, heißt es in der Einladung. Mit der Organisation aber wollte die Betroffene nicht zu tun haben.
Die Polizei hatte im Vorfeld angegeben, auf sämtliche Entwicklungen vorbereitet zu sein. Man habe die sozialen Netzwerke im Blick, das Aufgebot sei entsprechend vorbereitet. Letztendlich aber sind die Spaziergänger, sofern sie überhaupt unterwegs waren, gar nicht aufgefallen.
De Maart

















De Peters an de Jacoby sin zwou Witzfiguren. Leider zeihen dei Zwee Individuen un, dei hirer Rhetorik voll a ganz verfall sin an sech radikaliseien.