Ortsbesuch (3)Die Tourismushochburg Berdorf ist im Wartezustand

Ortsbesuch (3) / Die Tourismushochburg Berdorf ist im Wartezustand
In der Gemeinde Berdorf liefert Bürgermeister Joé Nilles persönlich. Im direkten Kontakt mit Kunden selbstverständlich auch mit Mundschutz. Foto: Privat

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Berdorf im Osten des Landes: Wandergebiet mit bizarren Felsformationen, zählt zu jenen Gemeinden, denen der Ausnahmezustand besonders zu schaffen macht. Seit eh gehören Reisende aus nah und fern zur Ortschaft. Jetzt bleiben sie aus. Doch im Ortskern wird an der Zukunft gearbeitet. Neue Betreuungs- und Freizeitstrukturen entstehen. Bürgermeister Joé Nilles hofft auf ein baldiges Ende der Krise oder zumindest auf Lockerungen, die irgendeine Form des Tourismus zulassen.

In Berdorf gilt, was überall im Lande gilt. Auch in der Majorzgemeinde im Osten muss der Bürgermeister liefern. Und das tut Joé Nilles: „A lass, seet di Al“, sagt er, lacht, packt die Thermoboxen mit den bestellten Gerichten ins Auto und fährt los. Der 36-Jährige ist nämlich nicht nur Bürgermeister, sondern seit 2015 auch noch Betreiber des „Trail-Inn Natur & Sporthotel“ in Berdorf.

Was Übernachtungen anbelangt, herrscht tote Hose. Wanderer und Biker bleiben fern. Doch in der Küche dreht es rund – also, so gut es halt eben geht, mit reduziertem Personalbestand – auch wenn im Restaurant zwar jede Menge Platz ist, aber keiner hereinkommen darf. Gekocht wird nämlich für die lokale Bevölkerung. Mittags und abends, an fünf Tagen die Woche. So macht Joé Nilles aus der Not eine Tugend. Dass er in Berdorf geboren ist und seit Ende 2017 auch Bürgermeister der Gemeinde ist, scheint von Vorteil. Er kennt die Leute und weiß auf Anhieb, wer wo wohnt. So geht’s schneller und das Essen bleibt warm.

Während der Bürgermeister die Bestellungen ausliefert, kommen Wanderer vorbei. Zwei, um genau zu sein. Ein Mann und eine Frau. Bei der aktuellen Wetterlage wären es in normalen Zeiten sicher viel mehr, auch dank der guten Anbindung an die Busstrecke Luxemburg-Echternach. 

Berdorf muss, früher, wirklich gute Zeiten als eines der touristischen Zentren des Landes gehabt haben. Zwei große Hotels im Ortskern zeugen davon. Eines aber hat heute definitiv geschlossen. Das andere, das Hotel Kinnen, harrt scheinbar der Dinge, die da kommen mögen.

Tourismus nützt allen

Joé Nilles ist gerne Bürgermeister, das sieht man ihm an: „Das hat sich so ergeben.“ Dass die 13 Stunden „Congé poltique“ nicht ausreichen, um der Arbeit als Gemeindevater vollumfänglich nachzukommen, verhehlt er nicht, beklagt sich aber auch nicht.

Bereits als 15-Jähriger sorgt er während der Touristensaison für Stimmung auf den Campingplätzen der Ortschaft. Eigentlich ist das auch heute noch sein Anliegen, und das aus gutem Grund: „Wenn wir investieren, um Touristen zufrieden zu machen, dann machen wir das ja auch, um die Ortschaft mit Leben zu erfüllen, was dann wiederum der ganzen Bevölkerung zugutekommt.“  Gesunder, nachhaltiger Tourismus als Qualitätssteigerung für alle. Darauf setzt Joé Nilles, als Geschäftsmann und als Bürgermeister.

Mit diesem Konzept will er die Nachwehen der aktuellen Krise angehen. Die Chancen stehen gut, meint er: „Wenn es wieder losgeht, werden die Menschen zuerst wohl eher die weitläufige Natur aufsuchen statt die Enge der Städte. Dann dürften sie in Berdorf genau richtig sein.“ 

Die Ortschaft ist Ausgangspunkt vieler Wanderwege durch die Region Müllerthal – durch die „Kleine Luxemburger Schweiz“. Besonders der 112 Kilometer lange Müllerthal-Trail lockt seit einem guten Jahrzehnt Gäste aus nah und fern an. 150.000 Menschen wurden in der Saison 2017/18 gezählt: „Darunter nach wie vor viele Belgier und Niederländer“, so Joé Nilles. 

An Natur hat die Gegend um Berdorf in der Tat viel zu bieten. Man kann den Müllerthal-Trail als Ganzes gehen, in Etappen oder einfach nur zu dem einen oder anderen spezifischen Ort fahren. Übrigens sind alle Straßenschäden, die von den Überschwemmungen 2018 verursacht worden sind, heute behoben.

Beeindruckend abwechslungsreich ist auch der „Auto-pédestre Berdorf“. Der Rundwanderweg führt über Felder, durch Wälder und gewährt Einblick in dieses einzigartige, mit Sandsteinfelsen durchsetzte Biotop. Am Ende des sieben Kilometer langen Weges, bevor es wieder zum Ausgangspunkt zurückgeht, erreicht man die „Huel Lee“, ein von Menschenhand ausgehöhlter Felsen. Die Römer haben dort begonnen, Mühlsteine aus dem Fels zu schlagen. Direkt daneben liegt das Amphitheater, wo während der wärmeren Jahreszeit Konzerte und Theateraufführungen stattfinden. Jetzt herrscht dort, wie auch auf der Aussichtsplattform des modernen „Aquatower“, Ruhe. Paradiesisch oder gespenstisch – wie man’s nimmt.

Großbaustelle „Zukunft“

Weniger ruhig geht es seit vergangenem Montag wieder nahe dem großen Campingplatz zu. Dort ist eines der größten Bauprojekte der Gemeinde im Gange. Ein zukunftsweisendes Unterfangen. Beim sogenannten „Centre Martbusch“ entsteht eine Schule, eine richtige „Maison relais“ (bisher ist diese in der Sporthalle untergebracht). Eine Kinderkrippe wird gebaut und ein modernes Touristeninformationsbüro inklusive öffentliche Toiletten sowie ein Café-Restaurant. Eine Holzschnitzelanlage ist geplant sowie neue Ateliers für verschiedene Gemeindedienste. 

Gearbeitet wird auch in Weilerbach. Renovierungsarbeiten. Im nächsten Jahr sollen nämlich wieder 300 Flüchtlinge ins bekannte „Centre Helia“ einziehen.

Berdorf, von wo übrigens auch der gleichnamige Käse herstammt, soll eine Gemeinde bleiben, wo die Natur dominiert, wo aber auch innovativ in die Zukunft und in die Lebensqualität der Bürger und Besucher investiert wird. Oder wie Bürgermeister Joé Nilles sagt: „Ein Bauerndorf, das es nicht verpasst hat, mit der Zeit zu gehen!“ Die zwei Ladestationen für E-Bikes mitten im Ortszentrum gehören zu dem Konzept sicher dazu. Die für Elektroautos sowieso.

Jetzt fehlen nur noch die Touristen. Auf die wird in der Ortschaft jedenfalls sehnsüchtigst gewartet.

Gemeinde Berdorf

Die Gemeinde Berdorf (Bäerdref) gehört zum Kanton Echternach und zählt fast 2.000 Einwohner. Sie besteht aus den Ortschaften Berdorf, Bollendorferbrück, Grundhof, Kalkesbach und Weilerbach. Das Rathaus befindet sich in Berdorf.

Was gibt’s Neues?

Ortsbesuch heißt unsere neue Reportage-Serie. Es ist ein Besuch vor Ort. Bei interessanten Leuten, die in nicht minder interessanten Gegenden wirken und leben. Einen speziellen Grund muss es für den Besuch nicht geben. Voraussetzung sind Interesse, Neugierde und die Absicht unseren Lesern die Vielfalt der Gemeinden unseres Landes näherzubringen. Dazu gehört auch die Frage: Was gibt’s Neues?

E Gréngen
30. April 2020 - 20.14

@Leila "Das Mullertal ist über die Grenzen bekannt und Berdorf nicht nur für seinen “Berdorfer Kéis”. Mag sein dass der halbe Planet das Kaff kennt, aber wie ich nochmal wiederholen kann, NOCH NIE DAVON GEHÖRT! PS. Als Veganer esse ich auch keinen Käse.

Leila
26. April 2020 - 9.40

Nicht "Grénger", sondern Hinterwäldler (auch grün, aber anders)! Das Mullertal ist über die Grenzen bekannt und Berdorf nicht nur für seinen "Berdorfer Kéis". Bevor man etwas abfällig beurteilt, sich besser und vorher informieren!

Jangeli
25. April 2020 - 14.13

Seit Jahren keine Tourismushochburg mehr, sowie das ganze Müllertal, leider alles im Wartezustand,. vieles wurde vernachlässigt,Werbung seitens Tourismus- Ministerien wurde verschlafen und kam reichlich spät. Schade um diese wunderbare Gegend.

E Gréngen
24. April 2020 - 22.11

Muss 'ne ganz hohe Hochburg sein, denn ich hab noch nie davon gehört.